Klagen ohne finanzielles Risiko - die Prozessfinanzierung

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Dr. Eversberg von der Allianz ProzessFinanz im Gespräch mit 123recht.de

Die Zahlungsmoral in Deutschland ist nicht nur bei Handwerksrechnungen schlecht. Viele Schuldner stellen sich absichtlich quer, weil sie davon ausgehen, dass der Gläubiger eine gerichtliche Auseinandersetzung scheut. "Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand", weiß schon der Volksmund. Zusätzlich stellen die Kosten eines Prozesses eine hohe Hürde dar. Bei hohen Streitwerten kann ein verlorener Prozess den finanziellen Ruin bedeuten. Dieses Problem haben Prozessfinanzierer erkannt. Sie finanzieren Prozesse gegen Beteiligung am Gewinn.

123recht.de hat nachgehakt.

123: Herr Dr. Eversberg, Ihre Allianz ProzessFinanz finanziert Gerichtsprozesse gegen Erfolgsbeteiligung. Aber man hört doch immer, dass Anwälten in Deutschland eine Erfolgsbeteiligung verboten ist?

Dr. Eversberg: Das stimmt ja auch. Aber ein Prozessfinanzierer ist kein Anwalt und vertritt auch niemanden vor Gericht.

123: Was ist er dann?

Dr. Eversberg: Einfach ein Partner mit genug finanziellen Mitteln, um alle anfallenden Kosten eines Prozesses übernehmen zu können.

123: Also eine Art Versicherung?

Dr. Eversberg: Nein, ganz und gar nicht. Man schließt bei der Prozessfinanzierung weder einen Versicherungsvertrag noch zahlt man Prämien, um für den Fall der Fälle einen Partner zur Finanzierung zu haben. Nur beim Eintreten eines konkreten Falles nimmt man sich einen Prozessfinanzierer als finanzkräftigen Partner zur Unterstützung – aber eben nur für diesen einen Fall.

123: Wenn ich klagen will, greifen Sie mir finanziell unter die Arme.

Dr. Eversberg: Richtig, aber nicht nur das. Wenn wir Ihren Prozess finanzieren, dann haben Sie einen Partner, der Ihnen alles zahlt: Gerichtskosten, Anwaltskosten, alle Instanzen. Wenn Sie den Prozess gewonnen haben, erhalten wir dafür 20 bis 30 % des vor Gericht erstrittenen Betrags oder aus einem geschlossenen Vergleich.

123: Denn schließlich wollen Sie ja auch was daran verdienen. Aber wenn der Prozessfinanzierer schon alle meine Kosten übernimmt, dann wird er sicherlich bestimmen wollen, welcher Anwalt mich vor Gericht vertritt?

Dr. Eversberg: Nein, da mischen wir uns nicht ein. Wir finanzieren Sie nur. Den Anwalt suchen Sie sich selbst aus, und dieser Anwalt arbeitet unabhängig und eigenverantwortlich. Als Prozessfinanzierer stehen wir bei Bedarf mit Rat und Tat zur Seite und können bei einem Prozess jederzeit zusätzliches Know-how und Wissen beisteuern. Wir sehen uns eher als einen guten Freund, den man in einer schwierigen Situation erst schätzen lernt.

123: Nehmen wir mal den Ernstfall an. Wenn mein Fall am Ende doch verloren geht - tragen Sie dann wirklich das ganze Risiko? Ich habe keine Schulden bei Ihnen? Nicht mal Zinsen?

Dr. Eversberg: Ganz genau.

123: Nur nochmal zur Klarstellung: Ich selbst zahle nichts. Auch bei einer Niederlage. Ich gebe lediglich etwas vom Kuchen ab, wenn der Prozess gewonnen ist.

Dr. Eversberg: So ist es. Wir strecken alle Kosten vor und nur bei einem Prozessgewinn bekommt die Allianz ProzessFinanz 20 bis 30% des erstrittenen Betrages. Im Verlustfall tragen wir alle Kosten, unser Kunde muss also nichts zurückzahlen. Der Kunde hat kein Risiko. Das volle Risiko trägt der Prozessfinanzierer.

123: Das klingt ja zu gut. Wo ist der Haken?

Dr. Eversberg: Es gibt keinen. Aber natürlich gibt es Hürden. Wir finanzieren nicht jeden.

123: Was muss denn erfüllt sein, damit Sie meinen Prozess finanzieren?

Dr. Eversberg: Es gibt bei der Allianz ProzessFinanz drei Voraussetzungen. Der Streitwert muss über 100.000 Euro liegen. Die Gegenseite muss über eine gewisse Bonität verfügen. Und letztendlich müssen die Erfolgsaussichten für einen Rechtsstreit überwiegend positiv sein.

123: Diese Voraussetzungen leuchten mir aus wirtschaftlichen Gründen durchaus ein. Interessant finde ich, dass man den Ursprung der Prozessfinanzierung doch in den USA vermuten würde, schließlich kopieren wir hierzulande gerne erfolgreiche Geschäftsmodelle aus Übersee. Aber die Prozessfinanzierung ist ausnahmsweise mal eine rein deutsche Erfindung, oder?

Dr. Eversberg: Das ist richtig. In den USA können Anwälte sich am erkämpften Gewinn beteiligen lassen, was in Deutschland, wie Sie ja eingangs feststellten, standesrechtlich verboten ist. Nur in Deutschland ergibt sich also das Problem, dass auch berechtigte Forderungen nicht eingeklagt werden, wenn Anwalts- und Gerichtskosten schlicht zu hoch sind und nicht gezahlt oder vorgestreckt werden können.

123: Denn in Deutschland sind die Anwaltskosten bei gerichtlichen Auseinandersetzungen genau festgelegt.

Dr. Eversberg: Und ein deutscher Anwalt darf nicht auf Basis einer Erfolgsprovision abrechnen. Diese „Lücke“ hat als erste die Foris AG erkannt und die Prozessfinanzierung 1998 ins Leben gerufen.

123: Die Allianz ProzessFinanz hat also durchaus Konkurrenz?

Dr. Eversberg: Natürlich. Der Anbietermarkt lässt sich in zwei Kategorien aufteilen: Prozessfinanzierer, die große Versicherungskonzerne im Rücken haben und solche, die so genannte „stand alones“ sind. Zu letzteren gehören unter anderem die Foris AG und die Juragent AG.
Die Allianz ProzessFinanz GmbH, die DAS Prozessfinanzierung AG sowie die Roland Prozessfinanz AG in Köln sind aus Versicherungskonzernen entsprungen. Die Allianz ProzessFinanz GmbH etwa ist eine 100%-ige Tochter der Allianz Versicherungs-AG, der größten Versicherung in Europa.

123: Und warum sollte ich ausgerechnet die Allianz ProzessFinanz als Partner wählen?

Dr. Eversberg: Wer über die Prozessfinanzierung nachdenkt, sollte folgende Überlegungen machen: Ist der Finanzierer in der Lage, den geplanten Prozess auch über Jahre und notfalls bis zur letzten Instanz zu finanzieren? Sind die Ansprechpartner erfahrene Rechtsanwälte und ist das Management seriös? Die Allianz ProzessFinanz ist eingebunden in den Allianz-Konzern, zu dem unter anderem die Dresdner Bank und die Euler-Hermes Kreditversicherungs-AG gehören. Mit beiden bestehen Kooperationsverträge. Mit steigender Tendenz können durch die Offenlegung der Finanzierung die zunächst unwilligen Schuldner bereits vorgerichtlich zum Ausgleich der Forderung bewegt werden. Dies gelingt insbesondere dann, wenn der Anspruchsinhaber einen starken und bekannten Prozessfinanzierer wie die Allianz an seiner Seite hat.

123: Herr Dr. Eversberg, vielen Dank für das Gespräch.

Leserkommentare
von ro.ro am 25.02.2009 17:29:21# 1
Fazit :
Der kleine Otto-Normalverbraucher ,der vielleicht auch noch hoch verschuldet und obendrein abeitslos ist , sich aber um Beträge von sagen wir mal 5000 € streiten muss , der bleibt natürlich wieder ein mal auf der Strecke !
mfg. Roland