Endstation Bachelor? Unis handeln bei Zulassungen zum Masterstudiengang oft rechtswidrig

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Universitäten scheinen die rechtlichen Vorgaben für Masterstudiengänge nicht immer ganz genau zu nehmen.

Welche Kriterien müssen für die Zulassung zu einem Masterstudiengang überhaupt erfüllt sein? Was können betroffene Studenten tun? 123recht.de fragte bei Rechtsanwalt Christian Reckling nach, Experte für Prüfungs-, Hochschul- und Schulrecht.

123recht.de: Herr Reckling, eine Studentin berichtete uns, dass an Ihrer Wahl-Universität ausschließlich die Abiturnote über die Zulassung zum Masterstudiengang Wirtschaftsinformatik entscheidet. Der Bachelorabschluss wird gar nicht beachtet. Kommt Ihnen dieser Vorwurf bekannt vor?

Rechtsanwalt Reckling: Ja, es kann durchaus vorkommen, dass Universitäten trotz diverser gerichtlicher Entscheidungen die rechtlichen Vorgaben für die Vergabe von Masterstudienplätzen nicht einhalten. Dabei muss nicht nur das maßgebliche Kriterium der Abiturnote rechtswidrig sein. Auch das Auswahlverfahren an sich kann fehlerhaft sein. So erklärte bereits das Verwaltungsgericht Münster 2011 (Az. 9 L 417/11) das Auswahlverfahren der Universität Münster für den Masterstudiengang BWL für unzulässig. Das Gericht stellte dabei fest, dass Zugangshürden wie Auswahlverfahren und die entsprechenden Kriterien dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen müssen.

123recht.de: Warum machen Universitäten das? Es sollte doch eher die Bachelornote Aussagekraft besitzen als die Jahre zurückliegende Abiturnote.

Rechtsanwalt Reckling: Selbstverständlich sollte die Bachelornote das maßgebliche Kriterium sein. Das Verwaltungsgericht Münster hat dies in einem weiteren Fall einer so genannten Masterstudienplatzklage auch in den Urteilsgründen festgehalten:

„…Der Qualifikation aus dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss muss ein maßgeblicher, sich gegenüber anderen rechtmäßigen Kriterien durchsetzender Einfluss zukommen…" (VG Münster, Beschl. v. 15.11.2010 – 9 L 529/10)

Die Abiturnote kann zwar als Kriterium im Vergabeverfahren berücksichtigt werden, allerdings nur, wenn das Verhältnis zu den anderen Kriterien entsprechend untergewichtet ist. Die Gründe für eine derartige Vergabepraxis durch die Hochschulen sind vielfältig. In der Regel ist die Anzahl an Masterstudienplätzen geringer als die Zahl der Bachelor-Absolventen. Die Universitäten entscheiden in Eigenregie durch den Erlass von Satzungen, welche Kriterien sie für die Vergabe der Masterstudienplätze aufstellen wollen. Ein Hauptgrund dafür ist das Prinzip der Bestenauslese. Die Universitäten wünschen sich zum einen Top-Abiturienten und zum anderen Studenten mit einem überdurchschnittlichen Bachelor-Abschluss. Dieser Wunsch führt oft zu strengen und unverhältnismäßigen Zugangshürden.

123recht.de: Welche Kriterien müssen überhaupt erfüllt sein, um zu einem Masterstudiengang zugelassen zu werden?

Rechtsanwalt Reckling: Zunächst einmal ein abgeschlossenes Bachelor-Studium mit der Verleihung des Bachelor-Grades. Die Bachelor-Note muss dann das maßgebliche Kriterium für das Vergabeverfahren der Masterstudienplätze sein. Die Universitäten können dann zusätzliche Kriterien aufstellen, die teilweise einem Wunschzettel gleichen. Sie können die Abiturnoten in Einzelfächer gewichten oder auch Motivations- oder Empfehlungsschreiben verlangen. Es gibt auch Eignungstests oder persönliche Gespräche. Auch kann Auslandserfahrung belohnt werden oder ehrenamtliches Engagement sowie Berufserfahrung oder das Ableisten vieler Praktika. Die Kriterien müssen sich aber grundsätzlich am Grundgesetz der Berufsfreiheit messen lassen - Art. 12 Abs. 1 GG - und damit auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Die damit zusammenhängenden Erfordernisse der Sachgerechtigkeit und der Nachvollziehbarkeit sollten dabei von den Universitäten nicht unterschätzt werden, denn spätestens das Gericht stellt die Kriterien der Universitäten auf den Prüfstand.

123recht.de: Also dürfen die Zulassungskriterien des gleichen Studienganges von Uni zu Uni abweichen.

Rechtsanwalt Reckling: Das mag auf den ersten Blick für die Bachelor-Absolventen nicht nachvollziehbar zu sein, entspricht jedoch der Realität. Es gibt insoweit keine einheitlichen Kriterien. Zwar muss das jeweilige Landeshochschulgesetz von den Universitäten beachtet werden. Dennoch können die Universitäten in Eigenregie Ihre eigenen Satzungen für das Vergabeverfahren erlassen. Dadurch entsteht ein Wildwuchs, der für den Bachelor-Absolventen kaum zu überblicken ist. Das Problem ist aber hausgemacht. Durch den Erlass möglichst vieler und strenger Zugangshürden wird der Verwaltungsaufwand der Universitäten um ein Vielfaches höher. Denn jeder einzelne Bewerber hat einen Anspruch auf ein ermessensfehlerfreies Auswahlverfahren. Wenn dann beispielsweise in dem vom Verwaltungsgericht Münster entschiedenen Fall über 1800 Bewerbermappen zu prüfen sind, sollte sich die Universität zweimal überlegen, welche Zugangshürden im organisatorischen Ablauf praktikabel und zeitnah umsetzbar sind.

123recht.de: Anscheinend bleiben Studienplätze für Masterstudiengänge zum Teil sogar unbesetzt, obwohl es potentielle Bewerber gibt. Können Sie das bestätigen?

Rechtsanwalt Reckling: Inwieweit tatsächlich Masterstudienplätze unbesetzt bleiben, ist aus der Position eines externen Beobachters nicht eindeutig zu beantworten. Die Universitäten halten sich mit einer entsprechenden Bekanntmachung zurück. Schließlich verursacht jeder Studienplatz Kosten, so dass die Universitäten bemüht sind, möglichst wenige Masterstudienplätze anzubieten und diese dann aber mit den besten Studenten zu besetzen. Die Universität entscheidet dabei zunächst selbst über das Kapazitätsangebot, das natürlich auch rechtsfehlerfrei ermittelt werden muss.

123recht.de: Sie erwähnten bereits die Masterstudienplatzklage. Ist das der Weg, sich gegen eine fehlerhafte Vergabepraxis der Uni zu wehren?

Rechtsanwalt Reckling: Ja, die Möglichkeit der Masterstudienplatzklage wurde bereits in den zuvor zitierten Gerichtsentscheidungen erfolgreich genutzt. Die Verfahren werden vor den jeweils zuständigen Verwaltungsgerichten entschieden. Das Verfahren selbst ist ein Eilverfahren, da in aller Regel der Zeitablauf durch Beginn des neuen Semesters droht, so dass der einstweilige Rechtsschutz genutzt werden muss. Das Verwaltungsgericht kann dann am Ende eines solchen Eilverfahrens entscheiden, dass der freie Zugang zu einem Masterstudienplatz zu Unrecht durch die Universität verhindert wurde und dem Rechtsschutzsuchenden einen solchen Studienplatz zusprechen.

123recht.de: Ist dies aus Ihrer Erfahrung generell erfolgversprechend und sollte man alleine oder besser nur mit Anwalt gegen die Uni vorgehen?

Rechtsanwalt Reckling: Das hängt natürlich von der Ausgestaltung der jeweiligen Satzungen der Universitäten ab und kann pauschal nicht beantwortet werden. Da es in diesen Fällen in der Regel um die Rechtmäßigkeit der Satzungen und deren Anwendung geht, ist es ratsam, einen spezialisierten Rechtsanwalt zu beauftragen, der den Einzelfall prüft. In diesem Zusammenhang ist auch die Einhaltung von Fristen und Formalien bei der Antragstellung wichtig.

Letztlich gestaltet sich die derzeitige Lage der Bachelor-Absolventen so, dass die Studienwünsche nicht durchgängig beachtet werden und dadurch die Berufschancen erheblich beeinträchtigt werden. Wenn man bedenkt, dass der Bachelor-Abschluss – nach Auffassung vieler Arbeitgeber – nicht mehr als ein Vordiplom darstellt, wäre logische Konsequenz der Zugang zum Masterstudium für alle. Dies dürfte aber angesichts des damit finanziellen Aufwandes für die Universitäten ausgeschlossen sein.

Vielen Dank, Herr Reckling!

Leserkommentare
von sausemichel am 27.10.2014 00:28:45# 1
Zumindest an der Uni, an der ich studiert habe, wird letztlich vom Prüfungsausschussvorsitzenden wilkürlich darüber entschieden, wer einen Masterstudienplatz bekommt und wer nicht. Dabei kommmt es sowohl vor, dass Bewerber, die die formalen Zulassungsvorraussetzungen nicht erfüllen angenommen werden, als auch, dass Bewerber, die sie erfüllen abgelehnt werden. Geht halt nach Nase. Ich kann allen, die den Masterabschluss nicht zwingend für ein Amt/Funktion... brauchen empfehlen, ihn garnicht erst anzufangen. Denn zumindest an meiner Uni dient der Master nur zur Generierung kostenloser Arbeitskräfte für die Fachgebiete. Die Möglichkeit, sich weiterzubilden, bekommt man hier im Master kaum.