Die Behinderung von Rettungskräften

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Wer lieber filmt anstatt zu helfen, macht sich strafbar

Das Elend und Leid Dritter hat seit jeher eine magische Anziehungskraft auf Menschen. Das durch derartiges Verhalten Rettungskräften die Arbeit massiv erschwert wird, wird schlicht ignoriert. Man nimmt schwere Verletzungen oder sogar den Tod von Dritten aus reiner Sensationslust billigend in Kauf. Was genau ist dabei strafbar und was für Folgen drohen Gaffern und Schaulustigen? 123recht.de im Interview mit Rechtsanwalt Ralf Hauser zur Behinderung von Rettungskräften.

123recht.de: Herr Hauser, wie oft kommt es statistisch zu Behinderungen bei Noteinsätzen bzw. Behinderung von Einsatzkräften?

Rechtsanwalt Hauser: Statistiken bzgl. der Häufigkeit der Behinderungen bei Noteinsätzen bzw. von Einsatzkräften gibt es nicht. Man kann aber sagen, dass Behinderungen von Einsatzkräften zunehmen.

Die Behinderung von Noteinsätzen nimmt seit Social Media zu

123recht.de: Warum nimmt das immer mehr zu?

Rechtsanwalt Hauser: Das Phänomen, dass Einsatzkräfte bzw. Noteinsätze behindert werden, nimmt drastisch zu, seitdem es Smartphones und die sozialen Netzwerke gibt. Smartphones verfügen über sehr gute Kameras und der Weg das Unfallgeschehen in öffentlichen Netzwerken zu teilen, besteht nur aus einem Klick.

123recht.de: Die Schaulustigen filmen lieber, anstatt zu helfen und wenn die Rettungskräfte kommen stehen sie im Weg herum. Was für Formen der Behinderungen gibt es sonst noch?

Rechtsanwalt Hauser: Derzeit aktuell diskutiert ist das Nichtbilden bzw. nicht ordnungsgemäße Bilden einer Rettungsgasse. Darüber hinaus werden Einsatzkräfte behindert, indem Schaulustige die Unfallstelle, die Unfallopfer und den Einsatz filmen. Dabei wird auch nicht davor zurückgeschreckt, auf dem Seitenstreifen der Autobahn zu parken oder diesen zu befahren.

Häufig treten auf der gegenüberliegenden Spur eines Unfallortes weitere Unfälle auf, die durch Schaulustige und deren Verhalten verursacht werden.

123recht.de: Viele machen erstmal Fotos für Facebook & Co., ohne zu helfen. Ist das unterlassene Hilfeleistung?

"Wer lieber filmt macht sich wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar"

Rechtsanwalt Hauser: Derjenige, der einen Unfall beobachtet ist verpflichtet, zu helfen. Wer lieber filmt oder fotografiert, macht sich tatsächlich gemäß § 323 c StGB wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar.

§ 323 c StGB sieht als Strafe Geldstrafe oder sogar Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vor.

123recht.de: Was ist mit dem Persönlichkeitsrecht des Verletzten oder Opfers?

Rechtsanwalt Hauser: Durch das Fotografieren von Verletzten begehen die Schaulustigen auch eine Straftat nach § 201a StGB wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen.

Zivilrechtlich gesehen liegt eine Verletzung gemäß § 22 KunstUrhG, d.h. des Rechtes am eigenen Bild vor. Diese Verletzung kann zu erheblichen Schmerzensgeldansprüchen führen. Selbstverständlich hat der Betroffene auch Anspruch auf Unterlassung.

123recht.de: Darf ich ein Selfi mit den Einsatzkräften oder dem Unfall im Hintergrund machen oder Videos davon drehen?

"Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung der betroffenen Person gemacht werden"

Rechtsanwalt Hauser: Hier gilt das eben Gesagte. Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung der betroffenen Person gemacht werden.

123recht.de: Was droht Gaffern und Schaulustigen von Unfällen generell, auch wenn Sie niemanden behindern?

Rechtsanwalt Hauser: Gaffer können des Platzes verwiesen werden. Auch wenn sie niemanden behindern, kann ein Bußgeld gegen sie erhoben werden. Sollten sie fotografieren oder gar filmen, können Kameras, Smartphones o.ä. beschlagnahmt und das Bild- und Videomaterial gelöscht werden.

Im Zusammenhang mit Rettungsgassen wird Gesetzesverschärfung diskutiert

123recht.de: Was droht, wenn ich eine Rettungsgasse blockiere?

Rechtsanwalt Hauser: Das Nichtbilden einer Rettungsgasse ist derzeit noch mit einem Bußgeld von 20 Euro belegt. Allerdings steht zur Debatte, das Bußgeld auf 200 Euro und bei Behinderung sogar auf 240 Euro zu erhöhen. Des Weiteren soll zukünftig in diesem Zusammenhang ein Fahrverbot verhängt werden. In angrenzenden europäischen Ländern liegen die Bußgelder bereits in diesem Bereich.

123recht.de: Was ist mit Feuerwehreinfahrten?

Rechtsanwalt Hauser: Vor Feuerwehreinfahrten herrscht absolutes Halteverbot. Wer dort parkt, muss mit Sanktionen rechnen. Diese hängen vom Einzelfall ab. Das Parken wird härter sanktioniert als das einfache Halten. Wird ein parkendes Auto abgeschleppt, sind auch diese Kosten vom Falschparker zu tragen.

Bei der Nutzung von Rettungsgassen droht Bußgeld

123recht.de: Darf ich hinter einem Einsatzfahrzeug in einer Rettungsgasse herfahren, um z.B. einen unfallbedingten Stau zu umfahren?

Rechtsanwalt Hauser: Eine klare gesetzliche Regelung hierzu gibt es nicht. Meines Erachtens nach, ist das Nutzen der Rettungsgasse zumindest eine Ordnungswidrigkeit nach § 1 StVO. Nach § 1 StVO haben Verkehrsteilnehmer sich so zu verhalten, dass kein anderer gefährdet wird und rücksichtsvoll gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern. Die Rettungsgasse wird für Rettungskräfte und nicht dafür gebildet, dass diese durch andere Verkehrsteilnehmer genutzt wird.

Das Passieren der Rettungsgasse ist nicht ungefährlich, weil diese häufig schmal ist und daher das Passieren ein erhebliches Gefahrpotenzial darstellt. Des Weiteren ist für Verkehrsteilnehmer nicht absehbar, wie oft die Rettungsgasse durch Einsatzfahrzeuge genutzt wird. Daher könnte ein Einfahren zur Behinderung nachfolgender Rettungsfahrzeuge führen.

123recht.de: Was für Folgen drohen mir dafür?

Rechtsanwalt Hauser: Bei einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebotes droht die Verhängung eines Bußgeldes.

123recht.de: Auch Gewalt gegen Einsatzkräfte nimmt in den letzten Jahren stark zu. Was sind die Gründe dafür? Was droht den Tätern? Gibt es dazu Urteile?

Amtsgericht Bremervörde: 4 Monate Haft für Gaffer

Rechtsanwalt Hauser: Die Gewalt gegen Einsatzkräfte nimmt zu, weil Schaulustige inzwischen förmlich um das beste Bild kämpfen. Neben der Verbreitung in sozialen Netzwerken werden diese Bilder oder Filme auch Printmedien zur Verfügung gestellt. Deshalb sieht § 114 Abs. 2 StGB auch eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren für diejenigen vor, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewaltbehindern oder sie dabei tätlich angreifen.

Das Amtsgericht Bremervörde hat im April dieses Jahres einen 27-Jährigen in dem sog. Gaffer Prozess zu vier Monaten Haft verurteilt, der bei einem Unfall an einer Eisdiele die Bergung von zwei Toten gefilmt hat und dabei in den abgesperrten Bereich für Rettungskräfte gegangen ist. Nach der Aufforderung, die Stelle sofort zu verlassen, kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen den Rettungskräften und dem 27-Jährigen.

Polizei muss Einsagtzkräfte verstärken, um Gaffer zu identifizieren

123recht.de: Wie kann die Polizei die Gaffer oder dergleichen ermitteln?

Rechtsanwalt Hauser: Die Polizei ermittelt Gaffer oder dergleichen z.B. mittels Durchsuchen der sozialen Netzwerke. Teilweise werden auch direkt am Unfallort Personalien zur Einleitung von Bußgeld- bzw. Strafverfahren festgehalten. Des Weiteren werden teilweise mehr Polizeibeamte zur Unfallstelle entsandt, damit diese sich um die Gaffer kümmern.

123recht.de: Bilder von einem Unfallopfer kreisen durch das Netz. Was kann der Betroffene tun?

Rechtsanwalt Hauser: Wie bereits erläutert habe ich als Betroffener Unterlassungs-, Geldentschädigungs- bzw. Schmerzensgeldansprüche gegenüber denjenigen, die Bilder ohne meine Einwilligung fertigen und verbreiten. Diese sind vor Zivilgerichten durchsetzbar. Dabei werden teilweise Schmerzensgelder in vierstelligen oder gar fünfstelligen Eurobeträgen zugesprochen.

123recht.de: Vielen Dank Herr Hauser!

Leserkommentare
von hfrmobile am 21.07.2017 06:40:42# 1
Bei uns in Österreich funktioniert die Bildung der Rettungsgasse oft nicht, obwohl klar definiert ist, wie es funktioniert.

Solange dieses Fehlverhalten nicht geahndet wird und das Befahren der RG ebenfalls nicht, spielt, meiner Meinung nach, der Gesetzgeber mit Menschenleben.
    
von BinNeugierig am 01.08.2019 23:34:38# 2
Mal angenommen, ich lande ohne Navi an Bord als Ersthelfer ohne Position (Handy einpeilen) an einer Unfallstelle, poste nach der telefonischen Meldung an die 112 ein Handy - Foto mit einem Mayday Relay und fordere in den Post auf Facebook dazu auf, diese Notrufweiterleitung (Not kennt kein Gebot, Stgb. 34) weiter zu leiten und den Standort ein zu peilen:

Wie ist dann die Rechtslage? Im Mayday Ralay dient das Unfallfoto zur Weiterleitung an die Rettungskette.

Ein direkter Havaristenzugang zur Ersthilfe ist oft nicht möglich. Evt. wenn auf einer engen Serpentine ein KFZ abstürzt und ein Kranwagen und Bergrettung (Abseilen) erforderlich ist,

Evt. Zusatzinformation im Handyfototext: Mayday Relay, Kranwagen und Bergrettungstechnik erforderlich. Kontakt Feuerwehr (Einsatzort) Kein AO, Foto / Film. Auf Swingergafffer wird gezielt geschossen.