Die Ausgleichsabgabe aus Sicht des Betriebs

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Um möglichst viele Schwerbehinderte ins Berufsleben zu integrieren, gibt es eine Beschäftigungspflicht der Betriebe für Menschen mit Behinderung

Ab einer gewissen Größe sind Betriebe verpflichtet, Stellen mit behinderten Arbeitnehmern zu besetzen. Tun sie das nicht, wird die so genannte Ausgleichsabgabe fällig. Was es damit auf sich hat, erklärt Rechtsanwältin Fritsch im Interview.

123recht.de: Frau Fritsch, was ist die Ausgleichsabgabe und wer bekommt sie, bzw. wofür wird sie verwendet?

Rechtsanwältin Fritsch: Das Sozialrecht sieht vor, dass alle privaten und öffentlichen Arbeitgeber, die keine Kleinbetriebe sind, mindestens 5 % ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Arbeitnehmern besetzen müssen. Kommen sie dieser Beschäftigungspflicht nicht nach, wird die Zahlung der Ausgleichsabgabe fällig. Zuständig für die Einziehung der Gelder und die Überwachung der Mittelverwendung sind die Integrationsämter. Die Ausgleichsabgabe ist strikt zweckgerichtet und darf nur zur Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben eingesetzt werden.

123recht.de: Wann ist man Kleinbetrieb?

Rechtsanwältin Fritsch: Für die Einstufung als Kleinbetrieb sind Umsatzzahlen nicht relevant. Entscheidend ist alleine, wie viele Mitarbeiter der Betrieb beschäftigt. Als Kleinbetrieb, für den die Vorschriften über die Ausgleichsabgabe nicht anwendbar sind, gilt ein Unternehmen, wenn es weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigt.

123recht.de: Wie hoch ist die Abgabe?

Rechtsanwältin Fritsch: Das hängt zum einen von der Betriebsgröße und zum anderen davon ab, in welchem Maße der Arbeitgeber seiner Beschäftigungspflicht nicht nachkommt. Grundsätzlich fällt die Abgabe monatlich und pro unbesetztem Pflichtplatz an und beträgt 125,00 Euro, wenn mindestens 3%, aber weniger als 5% Schwerbehinderte beschäftigt werden. Bei einer Beschäftigungsquote von 2 bis unter 3% sind es 220,00 Euro, bei unter 2% sogar 320,00 Euro pro Monat und nicht besetztem Arbeitsplatz. Unternehmen, die weniger als 40 Arbeitsplätze aufweisen, zahlen pauschal 125,00 Euro pro Monat und solche mit 40 bis 60 Mitarbeitern 125,00 Euro bei nur einem und 220,00 Euro bei keinem besetzten Pflichtarbeitsplatz.

Bei der Berechnung der Betriebsgröße werden Auszubildende nicht mitgezählt

123recht.de: Ab wie vielen Mitarbeitern wird sie fällig? Wie zählen Auszubildende und Teilzeitkräfte?

Rechtsanwältin Fritsch: Im Grundsatz wird die Ausgleichsabgabe ab einer Zahl von 20 Mitarbeitern fällig. Beschäftigte Auszubildende werden bei dieser Anzahl nicht mitgezählt, Teilzeitkräfte können als volle Stellen gezählt werden, wenn sie mindestens 18 Wochenstunden arbeiten.

123recht.de: Wird der Betrieb zur Zahlung aufgefordert oder muss er unaufgefordert zahlen?

Rechtsanwältin Fritsch: Für Arbeitgeber wichtig zu wissen ist, dass sie selbst tätig werden müssen. Man spricht von einer Selbstveranlagungspflicht. Sie sind also gesetzlich dazu verpflichtet, einmal jährlich selbst zu ermitteln, ob und in welcher Höhe sie die Ausgleichsabgabe entrichten müssen. Die so ermittelte Abgabe wird automatisch zum 31.03. des Folgejahres fällig. Die Meldung erfolgt an die Agentur für Arbeit, die dann ihrerseits für eine Weiterleitung an das zuständige Integrationsamt Sorge trägt.

Die Zahlungspflicht besteht auch, wenn der Betrieb unverschuldet keine behinderten Mitarbeiter beschäftigt

123recht.de: Was ist, wenn der Arbeitgeber sich bemüht, aber keine Behinderten vermittelt werden konnten?

Rechtsanwältin Fritsch: Das hat keinerlei Einfluss auf die Zahlungspflicht, auch wenn das für Arbeitgeber unberechtigt erscheinen mag. Sie bleibt unabhängig von eventuellen Bemühungen in voller Höhe, also ohne Möglichkeiten einer Kürzung oder eines Erlasses bestehen. Der Grund ist in dem gesetzgeberischen Zweck zu sehen, der hinter der Regelung steht: Eine Zahlungspflicht ist nicht von einem Verschulden abhängig. Letztendlich wird hierdurch also ganz abstrakt eine solidarische Pflicht dazu begründet, die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben zu fördern, die je nach Größe und damit unterstellter Leistungsfähigkeit eines Betriebes gestaffelt wird. Der Gesetzgeber will die Ausgleichsabgabe demnach auch ganz ausdrücklich nicht als Ersatz verstanden wissen: Die Beschäftigungspflicht bleibt daneben dennoch weiter bestehen.

123recht.de: Was ist, wenn der Betrieb nicht zahlt?

Rechtsanwältin Fritsch: Sobald ein Arbeitgeber mit einer von ihm gemeldeten Zahlung mehr als drei Monate nach der Fälligkeit in Zahlungsrückstand ist, erlässt das Integrationsamt einen Feststellungsbescheid und zieht die offene Forderung samt Säumniszuschlägen ein. Diese können auf Antrag und in besonderen Ausnahmefällen niedergeschlagen werden. Grundsätzlich verbleibt es aber dabei, dass gegenüber privaten Arbeitgebern sodann die Zwangsvollstreckung nach dem Verwaltungszwangsverfahren und gegenüber öffentlichen Arbeitgebern ein Verfahren vor der zuständigen Aufsichtsbehörde eröffnet wird.

Besonders schwerwiegende Behinderungen eines Mitarbeiters können unter Umständen die Zählweise beeinflussen

123recht.de: Beschäftigt der Betrieb behinderte Mitarbeiter, spielen der Grad oder die Art der Behinderung eine Rolle?

Rechtsanwältin Fritsch: Das ist eine Frage des Einzelfalls. Unter Umständen kann die Berücksichtigung besonders schwerwiegend Behinderter oder solcher Arbeitnehmer, die besondere, eventuell auch personelle Förderung am Arbeitsplatz benötigen, zu einer bevorzugten Berücksichtigung im Sinne einer Berücksichtigung bei der Zählweise im Rahmen der Beschäftigungspflicht führen, ja. Hier sieht das Gesetz eine Reihe von Ausnahmefällen vor, die im konkreten Fall zu prüfen sind.

123recht.de: Welche Besonderheit gilt für Auszubildende mit einer Behinderung?

Rechtsanwältin Fritsch: Werden Personen mit einer anerkannten Schwerbehinderung ausgebildet, können für den hierfür anfallenden Mehraufwand beim Arbeitgeber grundsätzlich zwei und in begründeten Ausnahmefällen sogar drei Pflichtarbeitsplätze berücksichtigt werden.

123recht.de: Vielen Dank Frau Fritsch.

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