Der Erbfall - Was muss ich tun?

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Wenn ein Angehöriger stirbt: Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Beerdigung, Testament, Erbschein und Nachlassgericht

Ein geliebter Mensch ist verstorben, doch neben der Trauer müssen viele Dinge geklärt werden. Die Hinterbliebenen werden mit vielen kleinen und großen Hürden konfrontiert. Wer kümmert sich und bezahlt die Bestattung, was ist mit dem Nachlass? Manchmal geht es sogar darum, das Leben unter den geänderten Umständen komplett neu zu ordnen. Aber was muss man überhaupt alles regeln - und vor allem wo? 123recht.de im Gespräch mit Rechtsanwältin Schüler, Fachanwältin für Erbrecht.

123recht.de: Frau Schüler, ein Angehöriger ist gestorben. Was muss ich tun?

Rechtsanwältin Schüler: Als erstes ist die Beerdigung auszurichten. In allen Bundesländern existieren so genannte Bestattungsgesetze, die von Land zu Land unterschiedlich sein können. Identisch ist jedoch in allen Gesetzen, dass die nächsten Angehörigen für die Bestattung zuständig sind.

Die Zuständigkeiten richten sich nach folgender Rangfolge:

  1. Ehegatte/Lebenspartner
  2. Volljährige Kinder
  3. Eltern
  4. Volljährige Geschwister
  5. Großeltern
  6. Volljährige Enkelkinder

Die Rechnungen des Bestatters sind sorgfältig aufzubewahren, da derjenige, der sie bezahlt hat, einen Anspruch auf Erstattung aus dem Nachlass hat, sofern der Nachlass werthaltig ist. In der Regel veranlasst der ausgewählte Bestatter zunächst alles Wichtige, so dass sich die meist trauernden Angehörigen hierum nicht kümmern müssen.

Wichtige Unterlagen im Erbfall: Erbschein, Ausweis und Heiratsurkunde

123recht.de: Welche Unterlagen benötige ich im Erbfall und wo bekomme ich diese?

Rechtsanwältin Schüler: Gesetzliche Erben benötigen zu ihrer Legitimation einen Nachweis darüber, dass sie gesetzliche Erben geworden sind. Sie müssen anhand von Geburtsurkunden und/oder Heiratsurkunden nachweisen, dass sie die gesetzlichen Erben sind. Sollten die Geburts- und Heiratsurkunden nicht auffindbar sein, so erhält man Abschriften hiervon beim jeweiligen Standesamt.

Gesetzliche Erben benötigen einen Erbschein, sofern in den Nachlass Grundstücke oder Bankguthaben fallen. Der Erbschein ist beim zuständigen Nachlassgericht zu beantragen.

Bei testamentarischen Erben ist zu unterscheiden, ob ein notarielles Testament oder ein handschriftliches Testament vorliegt. Liegt ein notarielles Testament vor, so wird kein Erbschein benötigt, da man anhand des notariellen Testamentes und seines Personalausweises seine Legitimation nachweisen kann. Testamentarische Erben aufgrund eines handschriftlichen Testamentes benötigen, sofern in den Nachlass Grundstücke oder Bankguthaben fallen, ebenfalls einen Erbschein.

Es gibt eine Ausnahme, bei der auch ein testamentarischer Erbe aufgrund eines notariellen Testamentes einen Erbschein benötigt. Das ist der Fall, wenn der Erblasser ein sogenanntes Ehegattentestament/ Berliner Testament errichtet hat und hierin eine Pflichtteilstrafklausel (Sollte mein Sohn/meine Tochter nach dem Tod des Erstversterbenden seinen/ihren Pflichtteil verlangen, so erhält er auch nach dem Tod des Letztversterbenden lediglich den Pflichtteil) enthalten sein. In diesem Fall benötigt der Abkömmling nach dem Tod des Zweitversterbenden für den Fall, dass in dem Nachlass ein Grundstück und/oder Bankguthaben vorhanden ist, ebenfalls einen Erbschein, weil festgestellt werden muss, ob nach dem Tod des Erstversterbenden der Pflichtteil verlangt wurde oder nicht.

Daher ist man dazu übergegangen, die Pflichtteilstrafklausel nicht mehr in Ehegattentestamenten/ Berliner Testamente aufzunehmen, da die Beantragung eines Erbscheins oft mit hohen Kosten verbunden ist. Man überlässt dem Überlebenden freie Hand, wie mit dem Kind, das nach dem Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt hat, im zweiten Erbfall zu verfahren ist.

123recht.de: Wie erfahre ich, ob der Erblasser ein Testament gemacht und es irgendwo hinterlegt hat?

Rechtsanwältin Schüler: In der Regel werden Testamente beim Nachlassgericht hinterlegt. Anders ist dies in Baden-Württemberg, dort werden Testamente beim Amts- oder Bezirksnotar hinterlegt.

Sobald eine Person gestorben ist und das Standesamt dieses Ortes (Sterbestandesamt) hiervon erfährt, unterrichtet das Sterbestandesamt das Geburtsstandesamt.

Wenn ein Testament beim Gericht oder in Baden-Württemberg beim Amts-/Bezirksnotar hinterlegt ist, unterrichtet das Gericht bzw. der Amts-/Bezirksnotar ebenfalls das Geburtsstandesamt von der Tatsache, dass ein Testament hinterlegt ist.

Nachdem das Geburtsstandesamt von dem Tod des Erblassers durch das Sterbestandesamt informiert wurde, informiert das Geburtsstandesamt seinerseits das Gericht vom Tod des Erblassers. Das Gericht eröffnet dann das Testament, nachdem es die Erben ermittelt hat und informiert die Erben hierüber.

Gefundene Testamente sind dem Nachlassgericht zu übergeben

123recht.de: Ich habe ein Testament im Haushalt des Verstorbenen gefunden, was muss ich tun?

Rechtsanwältin Schüler: Gemäß § 2259 BGB ist man gesetzlich verpflichtet, ein aufgefundenes oder ein in seinem Besitz befindliches Testament unverzüglich an das Nachlassgericht zu übergeben, sobald man vom Tod des Erblassers Kenntnis erhalten hat. Sollte man das Testament nicht dem Nachlassgericht abliefern, macht man sich nach § 274 StGB strafbar. Außerdem macht man sich schadenersatzpflichtig den Personen gegenüber, die der Erblasser im Testament bedacht hat.

123recht.de: Was ist ein Testamentsvollstrecker?

Rechtsanwältin Schüler: Ein Testamentsvollstrecker ist die vom Erblasser oder vom Amtsgericht ernannte Person, die das vom Erblasser hinterlassene Testament ausführt. Diese Person ist quasi die verlängerte Hand des Erblassers, die dafür Sorge trägt, dass der letzte Wille des Erblassers genau in seinem Sinne erfüllt wird. Welche Aufgaben der Testamentsvollstrecker im Einzelnen hat, ergibt sich aus dem Testament.

123recht.de: Ich denke ich bin Erbe, aber wie erfahre ich das eigentlich?

Rechtsanwältin Schüler: Wenn kein Testament vorliegt und gesetzliche Erbfolge eingetreten ist, so ergibt sich die Rechtsfolge aus dem Gesetz. Sollten Sie sich unsicher sein, ob Sie gesetzlicher Erbe nach dem Gesetz geworden sind, sollten Sie anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Sollten Sie testamentarischer Erbe geworden sein, so wird das Nachlassgericht Sie hiervon unterrichten. Das Nachlassgericht sorgt auch dafür, dass, sollte ein Erbe nicht auffindbar sein, ein Nachlasspfleger eingesetzt wird, der unter anderem auch die Erben ermittelt.

123recht.de: Was passiert mit dem Bankkonto und etwaigen Versicherungen des Verstorbenen?

Rechtsanwältin Schüler: Sobald die kontoführenden Banken von dem Tod des Erblassers Kenntnis erlangen, wird das Konto geschlossen und keinerlei Verfügungen mehr zugelassen. Versicherungen laufen in der Regel weiter, solange sie nicht von dem Erben bzw. dem Nachlasspfleger oder dem Testamentsvollstrecker gekündigt werden.

Beim Pflichteilsrecht kann man mehr falsch als richtig machen

123recht.de: Ich bin Alleinerbe, aber es gibt noch Pflichtteilberechtigte. Was jetzt? Wie wird ihr Anteil berechnet?

Rechtsanwältin Schüler: Grundsätzlich beträgt der Pflichtteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteiles. Das Pflichtteilsrecht ist ein sehr schwieriges Rechtsgebiet. Sollten Sie Alleinerbe sein und Personen an Sie herantreten, die den Pflichtteil geltend machen, sollten Sie unbedingt anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, da das Pflichtteilsrecht sehr viele Fallstricke in sich birgt und man mehr falsch als richtig machen kann.

123recht.de: Wir sind drei Geschwister und jeder hat andere Vorstellungen betreffend des Erbes. Wie lösen wir das Problem?

Rechtsanwältin Schüler: Grundsätzlich müssen alle drei Erben gemeinsam entscheiden. Die Erben können jedoch eine Person bestimmen und sie bevollmächtigten, laufende Geschäfte des Nachlasses zu tätigen. Wenn sich die Erben nicht einig sind, wie mit dem Nachlass zu verfahren ist, kann der Nachlass nur zwangsweise auseinandergesetzt werden. Jeder der Miterben hat die Möglichkeit, einen Teilungsversteigerungsantrag zu stellen. Sobald die Immobilie oder die bewegliche Sache versteigert ist, wird der Erlös auf ein Hinterlegungskonto gezahlt und, sofern sich die Erben einig sind, zu den jeweiligen Bruchteilen an die Erben ausgezahlt.

123recht.de: Was genau ist eine Auseinandersetzung?

Rechtsanwältin Schüler: Die Auseinandersetzung des Nachlasses ist die Aufteilung des Nachlasses unter den Erben.

Wenn sich die Erben einig sind, wer welchen Nachlassgegenstand bekommt, können sie den Nachlass so aufteilen, wie es alle Erben wollen. Der Regelfall ist jedoch, dass sich die Erben nicht einig sind. In diesem Fall muss der Nachlass auseinandergesetzt werden. Das ist nur möglich, wenn alles, was in den Nachlass fällt, teilbar ist. Das ist erst dann der Fall, wenn alle Nachlassgegenstände, die nicht teilbar sind (dazu gehören auch Grundstücke) verkauft oder versteigert wurden. Nachdem die unteilbaren Gegenstände verkauft oder versteigert wurden, ist ein Teilungsplan zu erstellen, den alle Erben unterzeichnen müssen. Dann ist der Nachlass entsprechend dem Teilungsplan unter den Erben aufzuteilen. Sollte ein Erbe dem Teilungsplan nicht zustimmen, so kann er auf Zustimmung verklagt werden. Zur Schlüssigkeit dieser Klage gehört jedoch, dass der Nachlass komplett teilbar ist.

Hinterlässt der Erblasser kein Testament, wird man auch nicht zwingend über einen Erbfall informiert

123recht.de: Ich habe keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern. Wie erfahre ich, wenn einer stirbt und ob ich Erbe geworden bin?

Rechtsanwältin Schüler: Sollten die Eltern ein Testament hinterlassen haben, so wird Sie das Nachlassgericht über den Erbfall informieren.

Sollten Ihre Eltern kein Testament errichtet haben, werden Sie, wenn Sie sich nicht selbst darum kümmern, nichts von dem Erbfall erfahren, es sei denn, Ihre Eltern haben Schulden. Dann werden sich die Gläubiger Ihrer Eltern an Sie wenden.

123recht.de: Vielen Dank Frau Schüler!

Leserkommentare
von hfrmobile am 22.08.2013 22:25:24# 1
Dann werden sich die Gläubiger Ihrer Eltern an Sie wenden.
-> Und? Man muss die Schulden aber nicht übernehmen, oder?
    
von edyx am 27.08.2013 19:04:51# 2
....Dann werden sich die Gläubiger Ihrer Eltern an Sie wenden.

--> Spätestens hier vermisse ich einen Hinweis daß man ja auch das Erbe aussschlagen kan.
Eine Erbausschlagung muss innerhalb von sechs Wochen ab Kenntnis vom Anfall der Erbschaft beim zuständigen Nachlassgericht vorliegen (§ 1944 BGB).
Sie bedarf einer Unterschriftsbeglaubigung und kann nur vor einem Notar oder dem zuständigen Nachlassgericht abgegeben werden.

Damit ist auch die Frage beantwortet ob man Schulden übernehmen muss.
Mit Kenntnisnahme des Erbfalls hat man 6 Wochen Zeit sich ein Bild über das Vermögen und über die Verbindlichkeiten des Erblassers zu machen.

    
von Rechtsanwältin Anke Schüler am 27.08.2013 19:40:39# 3
Naja, eine Erbauschlagung ist nicht unbedingt die richtige Lösung. Ich habe bei meiner Arbeit schon häufig erlebt, dass der Nachlass sich im Nachhinein als werthaltig gezeigt hat und der Ausschlagende dann Mühe hatte, die Ausschlagung anzufechten. Man muss keine Angst haben, wenn der Nachlass überschuldet ist, da es mehrere Möglichkeiten gibt die Haftung auf den Nachlass zu beschränken.
    
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