BAföG-Antrag abgelehnt - was jetzt?

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Wann kann das BAföG-Amt einen Antrag ablehnen und was kann man als betroffener Student dagegen tun?

Vom BAföG-Amt flattert der Ablehnungsbescheid ins Haus. Für viele Studenten bricht eine Welt zusammen. 123recht.de fragte bei Rechtsanwalt Christian Reckling, Experte für Prüfungs-, Hochschul- und Schulrecht, nach den rechtlichen Möglichkeiten für Studenten, die von einer BAföG-Antragsablehnung betroffen sind.

123recht.de: Herr Reckling, wem steht BAföG zu?

Jährlich rund 870.000 geförderte Schüler und Studenten

Rechtsanwalt Reckling: Vorab sollte klargestellt werden, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung Neuerungen beschlossen hat, die den Kreis der Förderungsberechtigten erweitert und die Förderungsbeträge erhöht. Derzeit werden jährlich rund 870.000 Schüler/innen und Studierende nach dem BAföG gefördert.

Dennoch ist nicht jede Person berechtigt, Leistungen nach dem BAföG in Anspruch zu nehmen. Die persönlichen Voraussetzungen sind in der umfangreichen Norm des § 8 BAföG geregelt. Grundsätzlich sind zunächst Deutsche im Sinne des Grundgesetzes anspruchsberechtigt. Daneben sind auch viele Ausländer/innen BAföG-berechtigt. Vom Grundsatz förderungsberechtigt sind dabei Ausländer/innen, die eine Bleibeperspektive in Deutschland haben und bereits gesellschaftlich integriert sind. Dies sind beispielsweise Personen mit einem Daueraufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU, einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG oder einer Niederlassungserlaubnis.

Neben den persönlichen Voraussetzungen muss auch eine Eignung im Sinne der §§ 9, 48 BAföG gewährleistet sein. Erforderlich sind Leistungen, die erwarten lassen, dass das angestrebte Ausbildungsziel auch tatsächlich erreicht wird. Dazu muss natürlich die Ausbildung auch förderungsfähig sein (§ 2 BAföG). Leistungen nach dem BAföG gibt es dabei nicht nur für das Studium an Hochschulen, sondern auch für den Besuch anderer weiterführender Bildungsstätten.

Studenten können bei Unklarheiten Antrag auf Vorabentscheidung stellen

Als weitere Voraussetzung gibt es eine Beschränkung im Hinblick auf das Alter des Antragstellers. Grundsätzlich kann nicht gefördert werden, wer zu Beginn des Ausbildungsabschnitts schon das 30., bei Masterstudiengängen das 35. Lebensjahr vollendet hat. Trotz dieser Altersbeschränkung gibt es Ausnahmeregelungen. So kann bspw. in folgenden Fällen eine Ausbildungsförderung auch bei Überschreiten der jeweiligen Altersgrenze geleistet werden:

  • Bei Absolventen des zweiten Bildungsweges.
  • Bei Studierenden, die ohne Hochschulzugangsberechtigung aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation eingeschrieben wurden.
  • Bei Personen in einer weiteren Ausbildung, die für den angestrebten Beruf rechtlich erforderlich ist.

Wer sich letztlich unsicher ist, ob er einen Anspruch auf Förderung nach dem BAföG hat, sollte dies durch einen “Antrag auf Vorabentscheidung” beim Amt für Ausbildungsförderung klären (§ 46 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 BAföG). Die entsprechende Mitteilung darüber ist dann für ein Jahr rechtlich bindend. Örtlich und sachlich zuständig für die Vorabentscheidung ist das Amt, das nach Aufnahme der Ausbildung über den Antrag auf Ausbildungsförderung zu entscheiden hat.

123recht.de: Das BAföG-Amt lehnt meine Ansprüche mit Verweis auf das Einkommen meiner Eltern ab. Müssen meine Eltern jetzt bezahlen?

Eltern sind während der Ausbildungszeit zum Unterhalt verpflichtet

Rechtsanwalt Reckling: Grundsätzlich ja, denn die Eltern sind zunächst während der Ausbildungszeit verpflichtet, Unterhalt zu leisten, auch wenn die Kinder bereits volljährig sind. Allerdings sieht die Realität oft anders aus, woraus sich eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten ergeben können. Bei den uns bekannten Fällen verweigern die Eltern nicht nur die Auskunft hinsichtlich der Einkommensverhältnisse, sondern sie zahlen auch nicht den Unterhalt, obwohl die betroffenen Kinder Anspruch auf Unterhalt haben. Die Wunschausbildung könnte demnach gefährdet sein. In solchen Fällen kann der Betroffene einen Antrag auf Vorausleistung stellen (§§ 36, 37 BAföG). Die meisten Ablehnungsbescheide beziehen sich im Übrigen auf die Frage, ob und in welchem Umfang Einkommen der Eltern und der Ehegatten anzurechnen ist.

123recht.de: Welche Ablehnungsgründe sind noch möglich?

Rechtsanwalt Reckling: Die Gründe der Ablehnung können auch formaler Art sein. So können sich beispielsweise bei der Antragsstellung Fehler einschleichen, wie die Benutzung eines veralteten Formulars oder eine fehlende Unterschrift. Auch der fehlende eigene Steuerbescheid kann zur Ablehnung führen.

Ferner kommt es zur Ablehnung auch aus inhaltlichen Gründen. Da reicht ein Zahlendreher und das Einkommen der Eltern wird zu hoch angesetzt. Das mag aus Sicht des BAföG-Amtes ein Versehen sein, hat jedoch für den Antragssteller eine Ablehnung der Förderungsleistung zur Folge. Der Ablehnungsbescheid sollte daher genauestens geprüft werden, aus welchen Gründen die Ablehnung erfolgt.

123recht.de: Welche Rechtsbehelfe stehen mir zur Verfügung, falls ich kein BAföG bekomme?

Rechtsanwalt Reckling: Welcher Rechtsbehelf im konkreten Fall der richtige ist, lässt sich der Rechtsbehelfs- bzw. Rechtsmittelbelehrung entnehmen. Diese befindet sich meist am Ende des Ablehnungsbescheides. Ob Widerspruch einzulegen oder Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben ist, hängt dann vom jeweiligen Bundesland ab. In einigen Bundesländern wurde das Widerspruchsverfahren abgeschafft, so dass dort der Betroffene sofort Klage gegen den Ablehnungsbescheid einlegen muss.

123recht.de: Benötige ich dazu einen Anwalt?

Für die Widerspruchsbegründung sollten Studenten juristischen Rat einholen

Rechtsanwalt Reckling: Soweit das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschafft worden ist, kann der Betroffene auch ohne Anwalt zunächst Widerspruch einlegen. Es empfiehlt sich jedoch für die Widerspruchsbegründung, juristischen Rat einzuholen. Erst recht gilt dies, wenn das Widerspruchsverfahren im jeweiligen Bundesland abgeschafft worden ist und der Betroffene nur noch klagen kann. Insbesondere ist die Herbeiziehung eines Anwalts geboten, wenn eine BAföG-Rückzahlung im Raume steht und schlimmstenfalls dem BAföG-Empfänger eine Anzeige wegen Betruges droht. Dann sollte man nicht zögern, sich anwaltlichen Rat zu holen. Nur der beauftrage Rechtsanwalt erhält Akteneinsicht. Der Verdacht des BAföG-Betruges ist dabei kein Kavaliersdelikt und kann gravierende strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, die sich negativ auf das weitere berufliche Leben auswirken können.

123recht.de: Droht immer eine Anzeige wegen Betruges, wenn das BAföG-Amt Leistungen zurückfordert?

Rechtsanwalt Reckling: Diese Frage ist zunächst leider mit „Ja“ zu beantworten. Wenn die Rückforderung auf der Tatsache basiert, dass Vermögen gegenüber dem BAföG-Amt verschwiegen wurde, wird nach unseren Erfahrungen Strafanzeige wegen Betruges erstattet. Der Betroffene erfährt hiervon dadurch, dass er eine Vorladung zur Polizei erhält.

123recht.de: Mit welchen Kosten muss ich bei einer Klage rechnen?

Bei BAföG-Klagen fallen keine Gerichtskosten an

Rechtsanwalt Reckling: Das hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Wichtig ist zunächst, dass bei Klageverfahren nach dem BAföG keine Gerichtskosten anfallen. Verfahren über die Ausbildungsförderung nach dem BAföG sind daher gerichtskostenfrei. Die Kosten des Anwalts berechnen sich dann nach dem jeweiligen Streitwert, wobei die Kosten des Verfahrens sich nach der gesetzlichen Vergütung für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) richten. Da sich die Studentenwerke bzw. die Hochschulen in den Gerichtsverfahren nicht anwaltlich vertreten lassen, sind die Prozesse um die Ausbildungsförderung nach dem BAföG, verglichen mit anderen Prozessen, durchaus kostengünstig und überschaubar. Zudem besteht auch die Möglichkeit, dass der Betroffene Prozesskostenhilfe beantragen kann, soweit die Voraussetzungen dafür vorliegen.

123recht.de: Übernimmt eine Rechtsschutzversicherung die Kosten?

Rechtsanwalt Reckling: Ja, soweit die allgemeinen Versicherungsbedingungen der jeweiligen Rechtsschutzversicherung diesen Bereich auch abdecken. Es gibt spezielle Rechtsschutzversicherungen für Schüler, Studenten und Auszubildende, die den Bereich der Rechtsprobleme mit der Ausbildungsförderung nach dem BAföG abdecken. Problematisch kann es werden, wenn der Vorwurf des BAföG-Betruges im Raume steht. Der Vorwurf des Betruges ist als reines Vorsatzdelikt im normalen Straf-Rechtsschutz nicht versichert. Einige Rechtsschutzversicherungen bieten aber auch in diesen Fällen eine sog. Spezial-Strafrechtsschutzversicherung an.

123recht.de: Vielen Dank!

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