Gericht stoppt Rechtsmissbrauch eines Pflichtteilsberechtigten

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Regelmäßig machen Pflichtteilsberechtigte zur Berechnung von Pflichtteilsanspruch und Pflichtteilsergänzungsanspruch Auskunftsrechte gegenüber dem Erben geltend. Ein wesentliches Auskunftsrecht in Form eines selbständigen Wertermittlungsanspruchs normiert § 2314 Absatz 1 Satz 2 BGB. Danach kann der Pflichtteilsberechtigte von dem Erben ein von einem qualifizierten Sachverständigen erstelltes Verkehrswertgutachten verlangen, wobei die hierfür anfallenden Kosten vom Nachlass zu tragen sind. Insbesondere wenn eine Immobilie, Gesellschaftsanteile oder etwa wertvolle Antiquitäten im Nachlass sind, wird der Pflichtteilsberechtigte von diesem Recht regelmäßig Gebrauch machen.    

Grundsätzlich kann der Erbe einem Wertermittlungsanspruch nichts entgegenhalten, er hat dem entsprechenden Begehren des Pflichtteilsberechtigten nachzukommen. Ausnahmsweise muss der Erbe einem solchen Verlangen allerdings nicht nachgeben, nämlich dann, wenn der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten rechtsmissbräuchlich ist und damit gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen würde. 

Martin Diefenbach
Partner
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Tel: 0211-158 361-88
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E-Mail:
Erbrecht, Kapitalanlagenrecht

In einem Verfahren beim Landgericht (LG) Wuppertal (Az. : 2 O 352/10) stand nun ein Fall zur Entscheidung, in dem die Pflichtteilsberechtigte gegen die von der Kanzlei LEGITAS Diefenbach vertretene Erbin einen Anspruch auf Bewertung der im Nachlass befindlichen Immobilie geltend gemacht hatte. Bei der Immobilie handelt es sich um ein bebautes Grundstück.

Die Besonderheit des Falles war dabei, dass die Pflichtteilsberechtigte bereits zur Hälfte Miteigentümer dieses Objekts war und die Schlüssel zum Haus hatte. In seiner Entscheidung (Beschluss vom 26. Januar 2011) wies das Gericht den von der Pflichtteilsberechtigten geltend gemachten Anspruch auf Wertermittlung als unberechtigt zurück, und zwar aus folgenden Gründen:

„Zwar steht der Antragstellerin als Pflichtteilsberechtigter grundsätzlich ein Wertermittlungsanspruch gegen die Beklagte als Erbin aus § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB zu. Die Geltendmachung dieses Rechts steht jedoch – wie alle Ansprüche – unter der Begrenzung der unzulässigen Rechtsausübung. § 2314 BGB dient der Vorbereitung des Zahlungsanspruches des Pflichtteilsberechtigten, der sich so die zur Durchsetzung seiner Rechte notwendigen Kenntnisse über Bestand und Wert des Nachlasses beschaffen kann (Palandt-Weidlich, BGB, 70. Auflage, § 2314 Rn.1).

Wer aufgrund seiner Stellung selbst in der Lage ist, sich die erforderlichen Informationen über den Nachlassbestand zu verschaffen, ist nach dem Gesetzeszweck grundsätzlich nicht auskunftsberechtigt (vgl. Palandt-Weidlich, a. a. O., Rn.3).

Als gleichrangige Miteigentümerin kann sich die Klägerin jederzeit selber die notwendige Kenntnis über den Wert des Grundstücks verschaffen. Sie hat unstreitig einen Schlüssel zum Haus und kann sich damit sowohl selber einen Eindruck von Lage, Größe und Zustand des Hauses verschaffen als auch ggf. selber einem Sachverständigen den Zutritt ermöglichen. Die notwendige Orientierung über den Wert ist ihr also ohne Weiteres selbst möglich.“

Die von der Kanzlei LEGITAS Diefenbach vertretene Erbin hatte in dem Verfahren bei ihrer Verteidigung auf die Treuwidrigkeit des Auskunftsbegehrens der Pflichtteilsberechtigten hingewiesen. Der von der Kanzlei LEGITAS Diefenbach insoweit vorgetragenen Rechtsansicht hat sich das Gericht bei seiner Entscheidungsfindung nun angeschlossen.  

Generell ist Erben, die sich Auskunfts- bzw. Wertermittlungsansprüchen von Pflichtteilsberechtigten ausgesetzt sehen, anzuraten, ihre Rechtsposition anwaltlich prüfen zu lassen; den die Erfüllung von entsprechenden Ansprüchen der Pflichtteilsberechtigten ist für den Erben in der Regel mit erheblichen Mühen und Kosten verbunden. Der hier dargestellte Fall zeigt, dass sich ein Erbe unter bestimmten Voraussetzungen gegen eine solche Inanspruchnahme erfolgreich verteidigen kann.   

 

Der Verfasser Martin Diefenbach, LL.M. ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Er ist auf die Beratung von Anlegern im Bank- und Kapitalanlagerecht spezialisiert. Bei Fragen können Sie sich an Herrn Rechtsanwalt Martin Diefenbach, LL.M. unter diefenbach@legitas.de oder telefonisch unter 0211 – 936 540 0 wenden.
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