Erbrecht Australien - „Pflichtteil"

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Pflichtteil/ Family and Dependants Provision

Das australische Erbrecht, obwohl es in den einzelnen Bundesstaaten und Territorien unterschiedlich geregelt ist, erlaubt dem Erblasser grundsätzlich per Testament frei über sein Vermögen zu verfügen.

Ein Pflichtteilsanspruch nach deutschem Vorbild, wonach gem. § 2303 BGB, § 10 LPartG zu beachten ist, dass bestimmte Personen nicht gänzlich als Erben durch testamentarische Verfügung ausgeschlossen werden können, existiert nicht.

Jedoch unterliegt dieser Grundsatz einer entscheidenden Einschränkung, die u.a. die Rechte eines in Deutschland lebenden und per Testament als Erben (beneficiary) eingesetzten Angehörigen, beeinträchtigen kann. In dem Fall, dass kein oder kein wirksames Testament besteht (intestacy), kann diese Einschränkung auch die gesetzliche Erbfolge betreffen

I. Family and Dependants Provision (Inheritance Act 1972)

Werden Familienangehörige, Partner des Erblassers oder sonstige vom Unterhalt des Erblassers abhängige Personen nicht per testamentarischer Verfügung am Erbe beteiligt, können diesen Personen die Regelungen des Inheritance Act 1972 (WA) dazu verhelfen, in einem angemessenen Maße an dem Erbe beteiligt zu werden (Family and Dependants Division). Dies kann auf der Grundlage geschehen, dass vom Unterhalt des Erblassers abhängige Personen nach dessen Versterben nicht ausreichend versorgt sind. Dies kann auch die Erbansprüche der in Deutschland lebenden und im Testament bedachten Personen beeinträchtigen. Je nach Einzelfall kann dies Erbfälle betreffen, die auf Grundlage eines wirksamen Testaments oder aber aufgrund des Administration Act 1903 (WA) nach der gesetzlichen Erbfolge zu beurteilen sind.

In den Regelungen der Family and Dependants Provision werden die Personen genannt, die einen entsprechenden Anspruch (claim) geltend machen können (vgl. Sec. 7 (1)):

Grundsätzlich nach dieser Regelung anspruchsberechtigte Personen sind der Ehegatte bzw. der Lebenspartner, der unmittelbar vor dem Tod mit dem Erblasser zusammen gelebt hat.

Des Weiteren gehören zu dem berechtigten Personenkreis Personen, die Unterhalt vom Erblasser bezogen haben oder einen Unterhaltsanspruch als Ehegatte oder Lebenspartner haben. Die rechtliche Grundlage, auf die sich die Unterhaltspflicht begründet ist dabei unerheblich.

Auch ein Kind, das zum Zeitpunkt des Versterbens des Erblassers lebt (auch der Fötus, sofern er dann lebend geboren wird) ist eine Person, die einen entsprechenden Antrag stellen kann. Enkelkinder sind grundsätzlich dann antragsberechtigt, wenn es vom verstorbenen Großelternteil vollständig oder teilweise unterhalten wurde oder dessen Eltern vorverstorben sind und der Großelternteil, als dann grundsätzlich unterhaltspflichtiger Familienangehöriger, zu diesem Zeitpunkt des Vorversterbens des Elternteils noch lebte.

Leben die Eltern des Verstorbenen noch zum Zeitpunkt dessen Todes, so sind auch sie grundsätzlich antragsberechtigt.

Auch gleichgeschlechtliche Lebenspartner können grundsätzlich einen entsprechenden Antrag nach der Family and Dependants Provision stellen, sofern die betroffene Person darlegen und beweisen kann, dass eine entsprechende de facto Partnerschaft mit dem Erblasser in einem bestimmten Zeitrahmen unmittelbar vor dem Versterben bestanden hat. Dieser Anspruch richtet sich nach Sec. 15 Administration Act 1903 oder nach Sec. 7 (1) (a) Inheritance Act 1972 begründen lassen.

II. Entscheidungskriterien des Nachlassgerichts

Das Gericht kann eine Entscheidung entsprechend der Regelungen in den Family and Dependant Provision auf Antrag treffen, wenn es der Überzeugung ist, dass das Testament oder die gesetzliche Erbfolge oder die Kombination beider nicht ausreichend ist, um eine in Sec. 7 Inheritance Act 1972 genannte Person ausreichend zu versorgen. Das Gericht entscheidet hierbei unter Berücksichtigung aller Umstände nach seinem Ermessen. Das Gericht beurteilt, ob durch das Testament, die gesetzliche Erbfolgenregelung oder die Kombination beider der betreffenden Person einen angemessenen Anteil am Erbe zum Lebensunterhalt, zur allgemeinen Lebensunterstützung, Ausbildung oder zum weiteren Fortkommen im Leben („proper maintenance, support, education or advancement in life") gewährt. Das Gericht kann eine entsprechend antragsgemäße Verfügung versagen, wenn es der Überzeugung ist, dass der Charakter oder das Verhalten der beantragenden Person eine entsprechende Verfügung verbietet. Das Gericht trifft hier auch eine Ermessensentscheidung auf moralischen Grundlagen.

Sofern das Gericht eine antragsgemäße Verfügung ausspricht, so kann die Zahlung aus dem Nachlass in Form einer einmaligen Zahlung, einen periodischen (z.B. monatlichen) Zahlung oder einer Zahlung in anderer Form verfügt werden.

III. Zeitliche Komponente

Wird ein entsprechender Anspruch auf Grundlage der Family and Dependants Provision bei dem zuständigen Nachlassgericht geltend gemacht, so muss die in der Regel innerhalb von 6 Monaten geschehen, nach dem ein Grant of Probate (bestehendes Testament) oder Letters of Administration (kein oder kein wirksames Testament) vom Nachlassgericht gegenüber dem Executor (Grant of Probate) bzw. dem Administrator (Letter of Administration) erlassen wurde. Nur unter bestimmten Umständen kann diese Frist der Anspruchsanmeldung über die 6 Monate hinaus verlängert werden. (vgl. Sec. 7 (2), (3))

IV. Abschlussbemerkung

Die hier gemachten, beispielhaften Ausführungen geben einen kurzen Abriss der in Western Australia geltenden Regelungen zum "Pflichtteil" eines vom Erbe ausgeschlossenen, aber grundsätzlich erbberechtigten Familienangehörigen oder Partner im Rahmen der „Family and Dependants Provision" des Inheritance Acts 1972 (WA) wider.

Regelungen in anderen Bundesstaaten und Territorien Australiens sind im Grundsatz ähnlich, unterscheiden aber in Detailfragen.

Sofern Sie in diesem Bereich weitere Informationen benötigen oder eine konkrete Beratung suchen, stehe ich Ihnen hierfür mit meiner langjährigen Erfahrung gerne zur Verfügung.

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