Erbengemeinschaft und Einkommensteuer

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1. Laufende Besteuerung der Erbengemeinschaft

Aufgrund der alleinigen Fokussierung auf die Erbschaftssteuer kann schnell übersehen werden, dass ein Erbfall auch einkommenssteuerliche Verwerfungen mit sich bringen kann. Diese Problematik darf nicht unterschätzt werden, weil das Einkommensteuerrecht im Gegensatz zum Erbschaftssteuerrecht nur wenige Freibetragsregelungen kennt.

Zur Vereinheitlichung ihrer Verwaltungspraxis hat die Finanzverwaltung die zum Thema „Erbengemeinschaft und Ertragssteuern" bislang ergangene einkommenssteuerliche Rechtsprechung des BFH am 14.03.2006 in einem Erlass zusammengefasst. Hiernach ist strikt zu unterscheiden zwischen dem Erbfall, welcher die Erbschaftssteuer auslöst, und dem anschließenden Verfahren der Erbengemeinschaft mit dem Nachlass, woraus sich verschiedene einkommenssteuerliche Fragen ergeben können.

Die Erbengemeinschaft rückt mit dem Tode des Erblassers automatisch in dessen Rechtsposition ein, und deshalb werden z.B. die Erben eines Einzelbetriebes beginnend vom Zeitpunkt des Erbfalles als Mitunternehmer nach ihrer jeweiligen Erbquote zur laufenden Ertragsbesteuerung des Nachlasses veranlagt. Diese Zurechnung der laufenden Einkünfte an die Mitglieder der Erbengemeinschaft lässt sich aber mit Rückwirkung auf den Todestag ändern, wenn sie binnen sechs Monaten nach dem Erbfall eine rechtlich bindende Vereinbarung über eine andersartige Erbauseinandersetzung treffen.

2. Steuerpflichtige Veräußerungen im Rahmen der Erbauseinandersetzung

Zivilrechtlich kann eine Erbauseinandersetzung auf unterschiedliche Weise erfolgen, z.B. im Wege einer einvernehmlichen Aufteilung der Nachlassgegenstände unter den Erben, durch die Veräußerung oder die Schenkung von Erbteilen an andere Miterben oder Dritte, durch die Durchführung einer Teilungsversteigerung in den Nachlass oder durch das Ausscheiden einzelner Erben aus der Erbengemeinschaft gegen Abfindung usw. Ertragsteuerlich stellt sich bei der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften dagegen immer die Frage, ob ein Miterbe durch die gewählte Modalität der Auseinandersetzung einen Gewinn erzielt und ob ein solcher Gewinn steuerpflichtig ist bzw. einer Steuerprivilegierung unterliegt.

Grundsätzlich gilt, dass die bloße Verteilung der Nachlassgegenstände unter den Erben einkommensteuerneutral ist, weil solcherlei Realteilungen die Erfüllung des gesetzlichen Erbauseinandersetzungsanspruchs der Erben bezwecken. Dementsprechend übernehmen die Miterben in diesem Falle die Steuerwerte und auch die Afa-Reihe des Erblassers.

Wenn aber ein Erbe nach einer Auseinandersetzung oder Teilauseinandersetzung vom Wert des Nachlasses mehr in den Händen hält als es seiner Erbquote entspricht und wenn er für seinen Mehrerwerb eine Abfindung an die weichenden Erben bezahlt, wird allerdings davon ausgegangen, dass neben der Verteilung des Nachlasses eine separate rechtsgeschäftliche Vereinbarung über die Zahlung eines Spitzenausgleichs getroffen wurde. Diese gesonderte Vereinbarung wird als Veräußerungs- bzw. Erwerbsgeschäft eingestuft. Die aus solchen Veräußerungsgeschäften resultierenden Abfindungszahlungen sind beim Abfindungsempfänger als Veräußerungsgewinne steuerpflichtig:

  • nach Maßgabe der § 23 EStG bzw. § 17 EStG, wenn es sich bei den Vermögensgegenständen, welche gegen Abfindung (teilweise) übertragen wurden, um Privatvermögen gehandelt hat. Dies ist insbesondere von Belang bei Immobilien und Aktien/ Geschäftsanteilen, aber auch bei Kunstgegenständen und sonstiger beweglicher Habe von Wert.

  • nach Maßgabe von § 16 EStG bei der Veräußerung von Betriebsvermögen. Ggf. kann der weichende Erbe die steuerlichen Privilegierungen des §§ 16, 34 EStG (Freibetrag, Tarifermäßigung) in Anspruch nehmen.

Die Steuerfalle „Veräußerungsgewinn" kann z.B. dadurch umschifft werden, dass der Haupterwerber anstelle der Zahlung einer Abfindung einen überproportionalen Anteil der Nachlassverbindlichkeiten übernimmt. Hier besteht ein Ansatz für eine steuerneutrale Gestaltung.

Beim übernehmenden Erben, der einen Spitzenausgleich an den veräußernden Erben bezahlt, ist in Hinblick auf seine steuerliche Situation zu differenzieren: Einen Anteil des Nachlasses hat er schließlich aufgrund seines aus seiner Erbschaft resultierenden Erbauseinandersetzungsanspruchs unentgeltlich erhalten. Nur den über seine Quote hinausgehenden anderen Teil erwirbt er aufgrund seiner Vereinbarung von seinen Miterben entgeltlich. Folgerichtig führt der Erwerber bezüglich des unentgeltlich erworbenen Anteils am Nachlassvermögen die Buch- bzw. Anschaffungswerte des Erblassers fort, während er für den entgeltlich erworbenen Anteil den hierauf entfallenden anteiligen Buchwert aufstocken muss. Bezüglich dieses Anteiles wird auch eine neue Afa-Reihe zu den jeweils aktuellen Konditionen in Gang gesetzt.

3. Sonstige Fälle der steuerlichen Entstrickung

Neben den Veräußerungstatbeständen, bei denen ein Spitzenausgleich in bar bezahlt wird, gibt es jedoch weitere gefahrenträchtige Fallkonstellationen.

So kann es leicht zu Entnahmen aus dem Betriebsvermögen kommen, wenn z.B. einzelnen Miterben oder Vermächtnisnehmern im Zuge der Erbauseinandersetzung bzw. Erfüllung ihrer Vermächtnisse Vermögensgegenstände des Betriebsvermögens zugewandt werden sollen, welches die Bedachten anschließend in ihr Privatvermögen überführen. In diesen Fällen kommt es zu einer Aufdeckung der in diesen Gegenständen gebundenen stillen Reserven, und konkret unterliegt der Unterschiedsbetrag zwischen dem Verkehrswert des Gegenstandes und seines Bilanzbuchwertes der Gewinnbesteuerung.

Handelt es sich bei diesen Vermögensgegenständen außerdem noch um wesentliche Betriebsgrundlagen des vererbten Betriebes, kommt dies überdies einer Betriebsaufgabe gleich mit der Folge, dass der sog. Aufgabegewinn des gesamten Betriebes, d.h. alle stille Reserven, welche in dem Betrieb gebunden sind, besteuert werden müssen.

Eine ähnlich fatale Fallkonstellation liegt vor, wenn im Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft die Nachfolge einer bestimmten Person im Wege einer qualifizierten Nachfolgeklausel vereinbart wurde und wenn die Nachfolge beim Sonderbetriebsvermögen (also beim Vermögen, welches der Erblasser der Gesellschaft zur Verfügung gestellt hat) nicht in gleicher Weise testamentarisch entsprechend angeordnet wurde. Die anderen Erben, welche nicht als Unternehmensnachfolger die Gesellschafterposition des Erblassers einnehmen, überführen ihre Miterbenanteile am Sonderbetriebsvermögen deshalb zwangsweise in ihr Privatvermögen und decken damit die stillen Reserven auf. Auch hier entsteht ein vermeidbarer steuerbarer Gewinn, und in solchen Fällen ist stets zu daran zu denken, den mit der Nachfolgeplanung betauten Notar oder Rechtsanwalt in die Haftung zu nehmen.

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