Enterbung und Entziehung des Pflichtteils

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Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 19.04.2005 Az.: 1 BvR 1644/00 und 1 BvR 188/03 (Fundstelle NJW 2005, 1561)

Jeder handlungsfähige Mensch hat das Recht, selbst zu bestimmen, an wen seine weltlichen Güter nach seinem Ableben fallen sollen.

Nina Marx
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Damit der Nachlass nach dem eigenen Tod auch in die richtigen Hände fällt, sollte sich der Erblasser bei Zeiten überlegen, wie und an wen er seinen Nachlass verteilt. Die Grenzen der Selbstbestimmung erreicht der Erblasser bei den so genannten Pflichtteilsberechtigten. Der Beitrag stellt klar, unter welchen Voraussetzungen auch dieser Pflichtteil entzogen werden kann.

1. Die gesetzliche Erbfolge

Hat ein Erblasser keine eigene Regelung getroffen, greift die gesetzliche Erbfolge. Danach erben primär die Kinder und der Ehegatte des Erblassers. Sind solche Personen nicht vorhanden oder vorverstorben, erben deren Abkömmlinge oder die näheren Verwandten.

2. Das Testament – die gewillkürte Erbfolge

Der Erblasser kann aber auch in einem handschriftlich angefertigten und unterzeichneten Testament seine Erben bestimmen und eine Enterbung der gesetzlichen Erben bestimmt werden. Wird in einem Testament ein Abkömmling oder der Ehegatte nicht erwähnt, so kann darin eine Enterbung dieser Person liegen. Ausdrücklich braucht die Enterbung nicht festgelegt sein.

Ein Beispiel: Erblasser E hat zwei Söhne A und B. Seine Ehefrau ist vorverstorben. In seinem Testament bestimmt E den A zu seinem alleinigen Erben. B erwähnt er mit keinem Wort. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass nur A Erbe werden soll und B somit enterbt wurde.

3. Der Pflichtteil

Ist ein gesetzlicher Erbe enterbt worden, so hat er einen Anspruch auf den Pflichtteil, §2303 ff. BGB. Mit Beschluss vom 19.04.2005 hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass die Gewährung eines Pflichtteils die grundsätzliche und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Beteiligung der Kinder an dem Nachlass des Erblassers ist, die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG geschützt ist. Das Recht auf freie Selbstbestimmung steht hinter diesem Anspruch. Der Erblasser kann sich nicht gänzlich von seiner „Versorgungspflicht" gegenüber seinen engsten Verwandten und seinem Ehepartner entziehen.

Dieser Pflichtteil kann einem Abkömmling nur entzogen werden, wenn einer der in § 2333 Nr. 1 – 5 BGB benannten Gründe vorliegt.

Der Pflichtteilsberechtigte muss dem Erblasser

  • nach dem Leben trachten,
  • ihn vorsätzlich körperlich misshandeln,
  • ein Verbrechen oder ein vorsätzliches schweres Vergehen begehen,
  • dem Erblasser gegenüber böswillig Unterhaltspflichten verletzen, oder
  • einen ehrlosen oder unsittlicher Lebenswandel führen wider dem Willen des Erblassers.

Dabei ist ein ehrloser und unsittlicher Lebenswandel nicht schon jedes den Vorstellungen des Erblassers widersprechendes Lebensgefüge. Der Erblasser kann nicht seinen homosexuellen Sohn enterben, nur weil er dessen Gesinnung nicht nachvollziehen kann. Vielmehr handelt es sich hier um Fälle, die in das Ehrgefühl der Familie eingreifen muss. Dazu zählt z.B. das gewerbsmäßige Glücksspiel, nicht jedoch die Prostitution seit Einführung des Prostitutionsgesetzes, weil dadurch die Hingabe von sexuellen Handlungen gegen Bezahlung als ordentliches Rechtsgeschäft eingestuft wurde.

Diese Gründe sind abschließend und werden in engem Rahmen angewendet.

Durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19.04.2005 Az.: 1 BvR 1644/00 und 1 BvR 188/03 (Fundstelle NJW 2005, 1561) wurde nunmehr erneut bestätigt, dass diese Gründe für die Entziehung des Pflichtteils abschließend sind. Auch wenn die Abkömmlinge oder die Ehepartner sich anders verhalten, wie gewünscht, oder den an sie gestellten Anforderungen nicht nachkommen, ist dies nicht ausreichend, um den Pflichtteil zu entziehen. Der Erblasser soll für seine Abkömmlinge und Ehepartner Verantwortung übernehmen und diese auch nicht ohne weiteres abgeben können.

Aufgrund der sehr engen Auslegung des § 2333 BGB ist der Pflichtteilsentzug, der auf einen der dort genannten Gründe gestützt wurde, meist nicht durchsetzbar, zumindest aber gefährdet.

4. Erb- und Pflichtteilsverzicht

Der Erblasser kann einen Erb- oder/und Pflichtteilsverzicht mit den Abkömmlingen oder dem Ehepartner schließen, die er von der Erbfolge ausschließen will. Dieser Verzicht bedarf wegen seiner weit reichenden Folgen der notariellen Beurkundung. Für den wirksamen Verzicht eines Minderjährigen bedarf es der Zustimmung des Vormundschaftsgerichts. Durch den vertraglichen Verzicht kann der Erblasser einen Pflichtteilsberechtigten sicher von der Erbfolge und vom Pflichtteil ausschließen.

Fazit: Der Ausschluss eines Abkömmlings oder des Ehepartners von seinem Pflichtteilsrecht ist zwar möglich, wenn einer der Gründe des § 2333 BGB vorliegt. Der sicherste Weg, einen Pflichtteilsberechtigten zu enterben und ihm den Pflichtteil zu entziehen, ist aber der Erb- und Pflichtteilsverzicht.

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