Der Testamentsvollstrecker als Vermögensverwalter in Krisenzeiten

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Was muss bei Kapitalanlageentscheidungen im Rahmen einer Testamentsvollstreckung beachtet werden?

Die aktuelle Finanzkrise hat zu erheblichen Verwerfungen an den Kapitalmärkten geführt. Seit Beginn der akuten Krise im Spätsommer des Jahres 2008 haben viele Anleger erhebliche Verluste in ihren Depots erlitten. Betroffen davon sind Vermögensanlagen der unterschiedlichsten Art, von Wertpapiervermögen auf Fondsbasis bis hin zu Unternehmensbeteiligungen. Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, die Verpflichtungen eines Testamentsvollstreckers bei der Verwaltung von Vermögensanlagen insbesondere in Krisenzeiten zu beleuchten.

1.) Ansatz des BGH: Der Testamentsvollstrecker als Vermögensverwalter

Speziell bei Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung gehört die Verwaltung von zum Nachlass gehörenden Kapitalanlagen regelmäßig zum Aufgabenbereich eines Testamentsvollstreckers.

Martin Diefenbach
Partner
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Rechtsanwalt
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Erbrecht, Kapitalanlagenrecht

Bei der Beurteilung, ob ein Testamentsvollstrecker seinen Verpflichtungen dabei ordnungsgemäß nachkommt, ist von der Vorschrift des § 2216 Abs. 1 BGB auszugehen. Darin ist der Grundsatz der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung gesetzlich fixiert. Dem Testamentsvollstrecker kommt dabei in der Regel die alleinige Entscheidungsbefugnis über die Art und Weise der Verwaltung zu.

Eingeschränkt wird dieser Grundsatz durch die Vorgabe des § 2216 Abs. 2 BGB, wonach letztwillige Anordnungen des Erblassers zur Nachlassverwaltung berücksichtigt werden müssen.

Unterstellt, der Erblasser hat im Testament oder Erbvertrag keine besondere Anordnung zur Vermögensverwaltung getroffen, so ist dem Testamentsvollstrecker bei Vermögensverwaltungsmaßnahmen, insbesondere bei größerem Kapitalanlagevermögen mit dem Erfordernis häufiger Anlageentscheidungen, von Gesetz und Rechtsprechung regelmäßig ein weiter Ermessensspielraum eröffnet. Die Grenze des dem Testamentsvollstrecker bei Anlageentscheidungen zustehenden Ermessens liegt dabei in einer absehbaren Schädigung des Nachlasses (vgl. hierzu BGHZ 25, 275, 284) sowie bei nicht mehr abwägbaren Risiken. Der Bundesgerichtshof (BGH) orientiert sich in seiner Entscheidungspraxis diesbezüglich am Leitbild eines dynamischen Geschäftsführers, der wie ein Unternehmer mitunter auch unter Eingehung eines wirtschaftlich kalkulierten Risikos agiert. Die Rechtsprechung verlangt vom Testamentsvollstrecker insofern den Spagat zwischen Solidität und Dynamik.

Der BGH überträgt dabei die von ihm an eine professionell betriebene ordnungsgemäße Vermögensverwaltung gestellten Anforderungen auf den Pflichtenkatalog des Testamentsvollstreckers. Rechtsprechung und juristische Literatur verweisen in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Gebote der Wirtschaftlichkeit und der produktiven Verwaltung, die der Testamentsvollstrecker zu erfüllen hat.

Im Einzelnen hat sich der Testamentsvollstrecker (wie auch der Vermögensverwalter) bei Kapitalanlageentscheidungen an den klassischen Anlagezielen

  • Vermögenserhaltung (Substanzsicherung),
  • Renditeerzielung sowie
  • Liquiditätswahrung

zu orientieren.

Dem Testamentsvollstrecker ist es dabei in einem gewissen Rahmen grundsätzlich auch erlaubt, für den Nachlass spekulative Anlagegeschäfte einzugehen. Das Gebot der produktiven Verwaltung beinhaltet jedoch das Erfordernis, spekulative Anlagen nur bei Berücksichtigung des Gebots der Diversifikation (Risikostreuung) zu tätigen.

Zur konkreten Ausgestaltung des Gebots der Wirtschaftlichkeit hat der Bundesgerichtshof für einen Vermögensverwalter – und damit auch für einen Testamentsvollstrecker - die Verpflichtung definiert, dass dieser in bestimmten Situationen, also gerade auch in Zeiten finanzwirtschaftlicher Verwerfungen, bei Maßnahmen zur Sicherung der Vermögenssubstanz von sich aus initiativ werden muss, Entscheidungen zur Vermögenssicherung quasi pro-aktiv zu treffen hat (vgl. BGHZ 32, 67, 70).

Dies setzt bei dem Testamentsvollstrecker selbstverständlich eine Pflicht zur dauernden Beobachtung der gesamtwirtschaftlichen Verhältnisse voraus, was dazu führt, dass der Testamentsvollstrecker sich nicht darauf beschränken darf, den Nachlass nur unverändert zu erhalten, sondern vielmehr gehalten ist, am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilzunehmen und in diesem Rahmen für die Nutzung und Mehrung des Nachlasses gemäß den allgemein gültigen wirtschaftlichen Regeln zu sorgen (BGH NJW 1967, 443). Damit ist auch die Pflicht verbunden, dem Nachlass eine gemäß den sich fortwährend ändernden Rahmenbedingungen entsprechende optimale Struktur zu geben. Im Einzelfall – je nach Zusammensetzung des Vermögensportfolios - kann sich daraus die Verpflichtung des Testamentsvollstreckers zur ständigen Beobachtung des Depots und zur andauernden Verfolgung von Kursbewegungen ergeben.

Gefolgert wird daraus, dass ein Verstoß gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung schon dann vorliegt, wenn der Testamentsvollstrecker den Nachlass vollkommen unverändert lässt, Umschichtungen in der Vermögensstruktur aber aufgrund einer bestimmten Situation wirtschaftlich geboten wären (BGH NJW 1967, 443). Es gilt dabei der Grundsatz, dass eine etwaige Haftung des Testamentsvollstreckers für Kapitalanlageentscheidungen dann nicht erfolgs-, sondern allenfalls handlungsbezogen sein kann.

2.) Handlungsempfehlungen in der aktuellen Finanzkrise

a) Absicherungsgeschäfte, Umschichtungen

Nach einer ca. 45 Jahre alten Entscheidung des OLG Köln ist ein Testamentsvollstrecker nicht verpflichtet, bei sich abzeichnenden – also vorhersehbaren - Kursverlusten Aktien deutscher Großunternehmen zu verkaufen und in festverzinsliche Wertpapiere umzutauschen (AktGes 1964, 308). Begründet wurde die Entscheidung seinerzeit damit, dass diese Unternehmen einen unveränderlichen Substanzwert hätten, weshalb die entsprechenden Aktien keinem besonderen Verlustrisiko unterworfen seien.

Ob eine solche Gerichtsentscheidung vor dem Hintergrund einer in der Zwischenzeit tendenziell ausgeweiteten Haftung für Fehlleistungen bei Anlagegeschäften sowie aus Anlass der jüngsten Negativerfahrungen an den Aktienmärkten gegenwärtig nochmals getroffen würde, darf stark bezweifelt werden; denn von allgemein unveränderlichen Substanzwerten deutscher Großunternehmen kann in der aktuellen Situation des Jahres 2009 gerade nicht ausgegangen werden. Im Übrigen steht die Entscheidung des OLG Köln den Grundsätzen des BGH bei der Beurteilung von Vermögensverwaltungsmaßnahmen entgegen, wonach im Bedarfsfall Umschichtungen in der Vermögensstruktur vorzunehmen sind.

Übertragen auf die aktuelle Finanzkrise bedeutet dies, dass der Testamentsvollstrecker unter Berücksichtigung der jeweiligen Vermögensstruktur des Nachlasses und der Marktsituation im Einzelfall sehr wohl gehalten ist, Kurs sichernde Umschichtungen bzw. sonstige Absicherungsgeschäfte im Anlagedepot des Nachlasses zu veranlassen. Zwar besteht nach der noch gültigen Rechtsprechung des BGH keine Verpflichtung des Testamentsvollstreckers zur mündelsicheren Anlage von Nachlassvermögen; ob diese Anlageentscheidungsfreiheit dem Testamentsvollstrecker von der Rechtsprechung jedoch auch zukünftig gewährt werden wird, ist völlig offen. Vermögen sichernde Maßnahmen dienen jedenfalls dem Schutz des Testamentsvollstreckers vor einer Haftung gegenüber den Erben. Der Testamentsvollstrecker ist dabei dann gegen eine Haftung wegen Vermögensverlusten geschützt, wenn seine Vermögensverwaltungsmaßnahmen (Umschichtungen) unter allgemeinen wirtschaftlichen Gesichtspunkten vernünftig und nachvollziehbar sind.

Problematisch aus Sicht des Testamentsvollstreckers ist, dass dieser oftmals keine professionelle Erfahrung in Fragen der Vermögensverwaltung haben wird. Die Rechtsprechung gewährt einem unerfahrenen Vollstrecker jedoch grundsätzlich keine Privilegierung im Haftungsmaßstab. Der Testamentsvollstrecker wird sich deshalb gerade in einer Krisensituation in besonderem Maße rechtlich wie auch finanzwirtschaftlich beraten lassen müssen, um Fehlleistungen zu vermeiden. Die dabei anfallenden Beratungskosten sind regelmäßig vom Nachlass zu tragen.

Sofern der Testamentsvollstrecker bei Vermögen sichernden Maßnahmen aktiv wird, wird seine Verwaltungstätigkeit nicht primär am Erfolg der jeweiligen Maßnahme zu messen sein, sondern an seiner konkreten Handlung. Angesichts der Unvorhersehbarkeit der weiteren Entwicklungen in der Finanzkrise würde eine am bloßen Anlageerfolg zu messende Verantwortlichkeit des Testamentsvollstreckers zweifellos den Haftungsmaßstab überdehnen.

b) Benachrichtigungspflichten

Gerade in Zeiten finanzwirtschaftlicher Unruhen sollte der Testamentsvollstrecker, der als Verwalter von Nachlassvermögen tätig ist und insofern Kapitalanlageentscheidungen zu treffen hat, seiner Pflicht zur Information der Erben über Wertentwicklungen im Nachlassvermögen besonders genau nachkommen. Ihm ist in einer solchen Phase generell eine transparente Geschäftsführung anzuempfehlen.

Hat etwa der Nachlass erhebliche Verluste erlitten, sind die Erben darüber unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Abhängig von der Struktur des Portfolios ist eine Benachrichtigungspflicht bereits ab einem Verlust von 5% anzunehmen, wobei anerkannt ist, dass bereits das Entstehen von bloßen Buchverlusten die Benachrichtigungspflicht auslöst. Auf die Realisierung von Verlusten durch den Verkauf von Wertpapieren kommt es dabei nicht an.

Sofern der Testamentsvollstrecker nach dem Eintritt von Wertverlusten seinen Benachrichtigungspflichten nicht unverzüglich nachkommt, ist er den Erben unter Umständen zum Schadensersatz verpflichtet. Dabei wird dem Testamentsvollstrecker allgemein eine Frist von ein bis zwei Wochen als angemessene Reaktionszeit zugebilligt.

Gerade bei Wertverlusten des Nachlasses wird der Testamentsvollstrecker häufig Konflikten mit den Erben ausgesetzt sein. Der Testamentsvollstrecker ist dann als Krisenmanager gefragt. Zur erfolgreichen Bewältigung entsprechender Situationen sollte der Testamentsvollstrecker anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen.

Der Verfasser Martin Diefenbach, LL.M. ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Er ist auf die Beratung von Anlegern im Bank- und Kapitalanlagerecht spezialisiert. Bei Fragen können Sie sich an Herrn Rechtsanwalt Martin Diefenbach, LL.M. unter diefenbach@legitas.de oder telefonisch unter 0211 – 936 540 0 wenden.
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