Recht auf Einsicht in die Patientenakte

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Ihr gutes Recht beim Arzt

Jeder Patient hat grundsätzlich das Recht, Einsicht in die ihn betreffende ärztliche Behandlungsdokumentation mit den Angaben zu Anamnese, Diagnose und Therapie zu nehmen. Das Einsichtsrecht als besondere Form der Auskunftserteilung folgt bereits aus dem Recht auf Selbstbestimmung und der personalen Würde des Patienten. Es besteht aber auch als Nebenrecht aus dem Behandlungsvertrag und zivilrechtlich zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen (§ 810 Bürgerliches Gesetzbuch). Ausdrücklich findet es sich schließlich in den Berufsordnungen der Ärztekammern und Zahnärztekammern wieder.

Die Art und Weise der Einsichtsgewährung (Ort, Zeitpunkt, Umstände) liegt im Ermessen des Arztes. In der Regel erfolgt die Einsicht in den  Behandlungsräumen. Angemessen ist, wenn der Patient die Einsicht innerhalb eines Monats erhält. Während einer aktuellen Behandlung sollte ein mündlicher Antrag auf Einsicht ausreichend sein. Liegt die Behandlung länger zurück, sollte der Antrag schriftlich gestellt werden. Im Antrag sollte benannt werden, zu welchem Behandlungsfall Einsicht begehrt wird und welche Daten oder Unterlagen davon umfasst werden sollen.

Möglich ist statt der Einsicht in die Originalakte aber auch das Anfordern von Kopien (oder Ausdrucken) aus der Dokumentation. Es besteht zwar kein Anspruch auf Zusendung solcher Kopien, aber darauf, dass diese bei dem Arzt oder im Krankenhaus bereitgehalten werden. Der Arzt ist verpflichtet, auf Antrag die Kopien oder Ausdrucke zu fertigen, herauszugeben und zu versichern, dass die herausgegebenen Unterlagen vollständig sind. Hierfür muss der Patient eventuell entstehende Kosten erstatten.

Die Akteneinsicht verfehlt ihre Informationsfunktion, wenn die Patientendaten auf eine Art und Weise festgehalten werden, die der Patient nicht versteht. Dem Arzt obliegt es daher im Rahmen von Treu und Glauben, Lesbarkeit und Nachvollziehbarkeit für die Patienten herzustellen. Die inhaltliche Vermittlung kann auch in einem Gespräch mit dem Arzt erfolgen. Das Einsichtsrecht kann auch in der Form wahrgenommen werden, dass ein Arzt oder eine Person des Vertrauens des Patienten mit der Einsicht beauftragt wird. So kann der Patient die Herausgabe von Krankenunterlagen an den nachbehandelnden Arzt verlangen.

Das Recht auf Einsicht in die Patientendokumentation besteht, ohne dass dafür ein besonderes Interesse erklärt oder nachgewiesen werden müsste. Informationelles und medizinisches Selbstbestimmungsrecht begründen für sich schon den Anspruch, umfassend über Untersuchung und Behandlung informiert zu werden. Das Einsichtsrecht erstreckt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und dem ärztlichen Berufsrecht allerdings nur auf naturwissenschaftlich objektivierbare physische Befunde und Berichte über Behandlungsmaßnahmen, nicht hingegen auf den Teil der Dokumentation, der rein subjektive Eindrücke und Wahrnehmungen des Arztes enthält. Dies bedeutet, dass im Einzelfall die Einsicht in vorläufige Verdachtsdiagnosen verweigert werden kann, wenn die schützenswerten Interessen des Arztes das Informationsinteresse des Patienten überwiegen. Das Datenschutzrecht kennt eine solche Einschränkung im Übrigen nicht. Da die datenschutzrechtlichen Ansprüche unabhängig vom Standes- und Vertragsrecht gelten, kann bei deren Geltendmachung eine Offenlegung nicht verhindert werden, es sei denn, die subjektiven Aufzeichnungen werden zugleich durch ausdrücklich geregelte Ausnahmeregelungen abgedeckt.

Besonderheiten gelten in Bezug auf psychiatrische Behandlungen. Dort kommt der Entscheidung des Arztes, ob eine Aushändigung der Unterlagen an den Patienten medizinisch zu verantworten ist, besonderes Gewicht zu. Allerdings darf auch nach einer psychiatrischen Behandlung die Herausgabe der Patientenunterlagen nicht pauschal unter Hinweis auf ärztliche Bedenken verweigert werden. Die entgegenstehenden therapeutischen Gründe sind vielmehr nach Art und Richtung näher zu kennzeichnen. Der Arzt hat sich bei seiner Entscheidung einerseits an dem aus dem Persönlichkeitsrecht abgeleiteten Anspruch des Patienten auf Wissen um die Diagnose und die Behandlung, andererseits aber auch an medizinisch begründeten Patientenschutzinteressen zu orientieren. Solche Schutzinteressen sind insbesondere gegeben, wenn infolge der Einsicht in die gesamte Behandlungsakte eine schwere Selbstgefährdung des Patienten droht. Darüber hinaus kann er auch Interessen Dritter, die in die Behandlung einbezogen worden sind, sowie eigene Interessen an der Erhaltung der therapeutischen Handlungsfähigkeit mit berücksichtigen. Bei noch nicht abgeschlossener Behandlung kann eine Verweigerung daher eher begründet werden als in den Fällen, in denen die Behandlung bereits seit Jahren beendet ist oder abgebrochen wurde.

Stirbt der Patient, so geht das Einsichtsrecht hinsichtlich der Krankenunterlagen, soweit vermögensrechtliche Komponenten betroffen sind, auf die Erben über. Die Einsichtnahme darf aber nicht dem ausdrücklich geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen widersprechen. Darüber hinaus steht auch den nächsten Angehörigen ein Einsichtsrecht zu, das sich bereits aus den nachwirkenden Persönlichkeitsbelangen des Verstorbenen herleitet.Es ist gegen die Interessen des Arztes an der über den Tod hinaus fortwirkenden Verschwiegenheitspflicht abzuwägen.

Das Recht auf Akteneinsicht zählt zu den zentralen Datenschutzrechten der Patienten. Es ist Grundlage für die Kenntnis des eigenen Gesundheitszustandes und für die Bewertung der Behandlung und damit Voraussetzung für die Wahrnehmung der medizinischen Selbstbestimmung und des medizinischen Rechtsschutzes.