Subunternehmer und Kurierfahrer als Scheinselbstständige

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Im Transportgewerbe gibt es eine besonders große Anzahl von Transportunternehmern oder Kurierfahrern, welche im Wesentlichen oder ausschließlich nur für einen Auftraggeber tätig sind. Solche Frachtführer und Kurierfahrer üben grundsätzlich eine selbstständige Tätigkeit aus. Diese zeichnet sich nach der Rechtsprechung durch das eigene unternehmerische Risiko, das Vorhandensein einer eigenen Arbeitsstätte sowie eigener Betriebsmittel und einer im Wesentlichen frei zu gestaltenden Arbeitszeit aus.

Die Gerichte prüfen im Einzelfall, ob das Arbeitsverhältnis mehr aus Elementen der Selbstständigkeit besteht oder die Argumente einer nichtselbstständigen Tätigkeit überwiegen. So entschied das Bundessozialgericht im August 2003, dass eine nichtselbstständige Tätigkeit eine persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber voraussetzt. Dies kann auch bei Tätigkeit in einem fremden Betrieb der Fall sein und zwar, wenn der Auftragnehmer bezüglich des Ortes, der Zeit, der Dauer und der Art der Tätigkeiten den Weisungsbefugnissen des Auftragsgebers unterliegt.

Das Thema Scheinselbstständigkeit ist nach wie vor hoch aktuell: Die Zahl der Betriebsprüfer bei der Deutschen Rentenversicherung wurde aufgestockt, so dass mit einer nahezu lückenlosen Prüfung gerechnet werden muss. Die Konsequenz dieser Prüfungen wird bei den Betroffenen erheblich unterschätzt. Es drohen Nachzahlungen von Sozialabgaben rückwirkend für maximal 4 Jahre, welche im Einzelfall existenzbedrohend sein können.

Zuletzt hat mit Urteil vom 19. Oktober 2006 das Landessozialgericht Hessen auf Klage der AOK die Fa. German Parcel zur Nachzahlung von Sozialversicherungs-beiträgen in Höhe von knapp € 110.000 verurteilt (LSG Hessen, Urt. v. 19.10.2006 - L 8/14 KR 1188/03). Der Paketdienst hatte argumentiert, dem betroffenen Fahrer habe es freigestanden, die vereinbarten Fahrdienste selbst oder durch Dritte ausführen zu lassen, er habe sich seinen Urlaub nicht genehmigen lassen müssen und habe auch eigene Kunden im System von German Parcel bedienen dürfen.

Das Gericht sah hingegen eine Sozialversicherungspflicht als gegeben an. Der Fahrer habe sein Fahrzeug mit dem Schriftzug von German Parcel lackieren lassen und bei der Arbeit die "Imagekleidung" des Paketdienstes tragen müssen. Sein Tages- und Arbeitsablauf sei vollständig vom Arbeitgeber vor- und durchstrukturiert. Bei einer täglichen Arbeitszeit von 10 bis 12 Stunden habe er auch keinerlei eigenen Gestaltungsspielraum bei seiner Arbeits- und Toureinteilung gehabt. Darüber hinaus habe er einer umfassenden Kontrolle durch German Parcel unterlegen. Diese zeitliche Beanspruchung und vertragliche Reglementierung hätten es ihm unmöglich gemacht, einer weiteren unternehmerischen Tätigkeit nachzugehen. Insofern überwogen nach Überzeugung der Richter im vorliegenden Fall die Merkmale abhängiger Beschäftigung. Das Urteil ist rechtskräftig.

Insofern sind bei der rechtlichen sowie der tatsächlichen Gestaltung des Auftragsverhältnisses folgende Merkmale zu beachten:

    Persönliche Kriterien
  • Kein Weisungsrecht
  • Keine Bestimmungen von Ort und Zeit der Arbeitsleistung
  • Keine Eingliederung des Auftragnehmers in den Betrieb
  • Keine Dauerbeschäftigung
  • kein Verbot von Nebentätigen und Wettbewerb
  • Keine höchstpersönliche Verpflichtung des Auftragnehmers
    Wirtschaftliche Kriterien
  • Der Auftragnehmer stellt nach Beendigung der Arbeit eine Rechnung und weist die Mehrwertsteuer gesondert aus
  • Der Auftragnehmer darf keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub erhalten
  • Der Auftragnehmer muss für seine Tätigkeit ein Gewerbe anmelden
  • Der Auftragnehmer trägt das unternehmerisches Risiko selbst

Angesichts der hohen Risiken sollten sich daher beide Vertragspartner bei der Gestaltung und Durchführung des Auftragsverhältnisses anwaltlicher Hilfe bedienen.