Mobbing

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"Ich werde gemobbt.. ." - ein Hilferuf, der in der Praxis häufig auftaucht. Egal in welcher Branche, ob Vorstandsetage einer Bank oder in der Waldorfschule - Arbeitsgerichte stellen inzwischen einen beinahe schon inflationären Gebrauch dieses Wortes fest. Woran liegt das?

"Mobbing" ist keineswegs ein neuzeitliches Phänomen, das es früher noch nicht gab. Es ist nur wesentlich einfacher, unter einem Schlagwort alle Facetten menschlicher Verhaltensweisen zusammenfassen, die geeignet sind, den Mitmenschen das Leben richtig schwer zu machen. Die Folgen von "Mobbing" für den Betroffenen sind bekannt - meist werden die Opfer durch jahrelangen Kleinkrieg körperlich oder psychisch krank. Welche rechtlichen Maßnahmen stehen den Betroffenen nun zur Verfügung, sich dagegen wirksam zur Wehr zu setzen?

Zu unterscheiden ist zwischen innerbetrieblichen und gerichtlichen Maßnahmen. Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, sich bei der im Betrieb zuständigen Stelle zu beschweren. Dies kann der Vorgesetzte oder - sofern vorhanden - der Betriebsrat oder die Beschwerdestelle sein. Das Verfahren ist weder form- noch fristgebunden. Die zuständige Stelle ist verpflichtet, der Beschwerde nachzugehen und sie zu bescheiden; einer berechtigten Beschwerde ist abzuhelfen, die Ablehnung der Beschwerde ist zu begründen.

Von diesem Beschwerderecht sollte man unbedingt Gebrauch machen, man kann sich auch direkt an den Arbeitgeber wenden. Dieser ist nämlich aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten, den Arbeitnehmer vor dem Mobbing des Kollegen/Vorgesetzten zu schützen. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann der Arbeitgeber dann zu den Mitteln Rüge, Ermahnung, Abmahnung, Versetzung und sogar Kündigung greifen.

Was aber, wenn der Chef sich nicht um die Beschwerde kümmert oder gar selber am "Mobbing" beteiligt ist? Hier hilft meist nur ein Gang vor Gericht. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, den Kollegen bzw. den Chef gerichtlich auf Unterlassung, Schadensersatz und ggf. sogar Schmerzensgeld in Anspruch nehmen. Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema sind rar, an einer eingehenden Klärung der im Zusammenhang mit "Mobbing" stehenden Fragen durch die Rechtsprechung fehlt es bislang.

Die Schwierigkeit für Juristen, mit dem Thema umzugehen, hängt mit der schlagwortartigen Verwendung des Begriffs "Mobbing" zusammen. Denn "Mobbing" kann alles sein und zugleich auch nichts - der eine mag Tuscheln und Blicke der Kollegen schon für eine Mobbing-Attacke halten, während andere in dieser Beziehung wesentlich dickfelliger sind. Die juristische Abwägung, ob es sich um bloße Unhöflichkeiten unter Kollegen oder um eine handfeste Intrige handelt, ist beileibe nicht einfach.

Dass "Mobbing"-Fälle für Juristen schwer zu handhaben sind, zeigt sich auch an folgender Definition des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz (Urteil v. 16.08.2001, Az: 6 Sa 415/01):

„Mobbing liegt vor, wenn es sich um eine fortgesetzte, aufeinander folgende und ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane und Diskriminierung dienende Verhaltensweise handelt, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf einer von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich ist und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzt".

Was im Ergebnis nichts anderes heißt, als dass sich erst aus den zusammengesetzten Einzelteilen des Puzzles ein Gesamtbild ergibt, welches juristisch überprüft wird. Bei der sorgfältigen Aufklärung des Sachverhalts stellt sich dann häufig heraus, dass das vermeintliche "Mobbing" tatsächlich nicht nachweisbar, zumindest aber nicht gerichtsfest beweisbar ist. Womit wir beim eigentlichen Kernproblem angelangt sind: Die Beweisbarkeit.

Grundsätzlich muss man im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens nämlich die eigene Sachverhaltsdarstellung immer auch beweisen können, sofern die Gegenseite diese Darstellung bestreitet. Seit dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Thüringen vom 10.04.2001 (Az: 5 Sa 403/00) gilt insoweit nun eine gewisse Erleichterung. Das LAG hatte richtig erkannt, dass die Betroffenen oft in erheblichen Beweisnöten stecken, weil sie dem "Mobbing" häufig allein und ohne Zeugen ausgesetzt sind. Effektiver Rechtsschutz und ein faires Verfahren, wie vom Grundgesetz garantiert, bliebe auf der Strecke, wenn die „normalen" Beweisregeln gelten würden.

Deshalb hatte das LAG erstmals in "Mobbing"-Fällen einem Betroffenen die Möglichkeit eröffnet, auch ohne gerichtlich verwertbare Beweismittel zu seinem Recht zu kommen: Gelingt es also, dem Gericht anhand vieler einzelner Indizien das "Mobbing" als eine Abfolge systematischer Anfeindungen, Schikanen und Diskriminierungen glaubwürdig darzustellen, darf das Gericht diesem Sachvortrag in Abweichung von den üblichen prozessualen Regeln auch ohne Beweis mehr Glauben schenken als beispielsweise der Aussage eines Zeugen der Gegenseite, der Betroffene bilde sich das alles nur ein - wohlgemerkt: darf, es muss also nicht.

Wer sich also gegen "Mobbing" juristisch zur Wehr setzen will, muss vorher unbedingt jedes einzelne Detail, jedes einzelne Fehlverhalten, so genau wie möglich aufbereiten und darlegen, dass sich dem Gericht aufgrund der Indizien eine gewisse Systematik in dem "mobbing"-haften Verhalten erschließt. Hier hat sich z.B. das Führen eines „Mobbing"-Tagebuchs als hilfreich erwiesen.

Ist diese wichtige Hürde genommen, stehen die Chancen gut, vom Gericht auch einen Schmerzensgeldanspruch zuerkannt zu bekommen. Denn mittlerweile ist anerkannt, dass "Mobbing" eine Verletzung des grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrechts darstellen kann. Kommt es infolge des "Mobbing" zu physischen oder psychischen Beeinträchtigungen, berechtigt dies zur Geltendmachung eines angemessenen Schmerzensgelds.


Fenimore Frhr. v. Bredow
Der Autor ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Domernicht & v. Bredow in Köln.

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