Grenzen des Wettbewerbsverbots im Arbeitsrecht

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Sogar Nebentätigkeit bei Konkurrenzunternehmen kann zulässig sein

Das BAG hatte sich in einem Urteil vom 24.03.2010 (Az. 10 AZR 66/99) mit einem interessante Fall zur Zulässigkeit von Nebenbeschäftigungen zu befassen. Es zeigt darin (lehrbuchartig) die Abgrenzung zwischen der verfassungsrechtlichen Berufsfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 12 GG) einerseits und den berechtigten Eigeninteressen des Arbeitgebers im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses andererseits („Treuepflicht").

Der Sachverhalt (verkürzt):

Die Klägerin war als Briefsortiererin bei der Beklagten beschäftigt, hatte eine Wochenarbeitszeit von 15 Stunden und eine monatliche Vergütung von € 1.200,00 brutto.Der Arbeitgeber forderte die Klägerin auf, über Nebentätigkeiten Auskunft zu erteilen. Sie teilte mit, dass sie nebenbei als Zeitungsausträgerin ca. 6 Stunden/Woche arbeite und dabei ca. € 350,00 brutto im Monat verdiene. Ihr dortiger Arbeitgeber fungierte sowohl als Zeitungs- als auch als Briefzusteller, wobei der Schwerpunkt auf Zeitungen lag.. Ebenso verhielt es sich bei ihrem Hauptarbeitgeber – dieser stellte schwerpunktmäßig Briefe, und nebenbei auch Zeitungen zu. Der Hauptarbeitgeber der Klägerin sah in dieser Tätigkeit eine unterstützende Konkurrenztätigkeit, weil durch die Gewinne aus der Zeitungszustellung der dortige Ausbau der Briefzustellung vorangetrieben werde. Der Klägerin wurde deshalb vom Beklagten die weitere Ausübung der Tätigkeit untersagt. Diese klagte daraufhin auf Feststellung, dass ihre Nebentätigkeit zulässig sei. 

Grundsätzliches:

Aus dem Arbeitsvertrag ergibt sich nicht nur eine Leistungspflicht des Arbeitnehmers (Hauptpflicht), sondern auch eine Pflicht zur Rücksichtnahme und ein Verbot, selbst gegen den Arbeitgeber in Konkurrenz zu treten und diesem damit unmittelbar oder mittelbar zu schaden. Für kaufmännische Angestellte ergibt sich dies unmittelbar aus §§ 60, 61 HGB. Für die übrigen Arbeitnehmer werden diese Vorschriften analog angewendet. Im Übrigen ergibt es sich auch aus §§ 611, 241 Abs 2 BGB (Nebenpflicht). Derartiger Wettbewerbsschutz bedarf keiner gesonderten Vereinbarung im Arbeitsvertrag, sondern ergibt sich aus arbeitsrechtlichen Grundsätzen. Abweichende Vereinbarungen (besondere Konkurrenzklauseln) oder ein Wettbewerbsverbot sind in Arbeitsverträgen jedoch nicht unüblich. Sie sollen insbesondere die genauen (inhaltlichen und zeitlichen) Grenzen erläutern. Oftmals sind diese jedoch für den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 BGB, weil der Arbeitgeber die Freiheit des Arbeitnehmer über das gesetzliche Maß unangemessen hart einschränkt, ohne diesem einen angemessenen Ausgleich vertraglich zuzusichern. Hier bedarf es jedoch stets einer genauen Prüfung im Einzelfall. Wie der vorliegende Fall zeigt ist die zulässige Grenze gerade im Einzelfall nur schwer zu ziehen. Hier konnte es im Ergebnis erst höchstrichterlich endgültig festgestellt werden. 

Zum Fall:  

Bisher ging das BAG davon aus, dass es unerheblich ist, auf welche Art und Weise der Arbeitnehmer den Konkurrenten des Arbeitgebers unterstützt – sofern der Nebentätigkeit nicht von vorneherein jegliche unterstützende Wirkung abgesprochen werden kann. Auch die konkrete Tätigkeit sei daher unerheblich. Es sei dem Arbeitnehmer „jedwede Dienstleistung" für den Konkurrenten verboten (so noch das BAG im Jahre 1999, Az. 6 AZR 605/97). Im vorliegenden Urteil hatte das BAG nunmehr Zweifel daran, ob die bisherige Rechtsprechung nicht etwas übers Ziel hinausschießt, insbesondere wenn die Tätigkeit bei der Konkurrenz lediglich eine unterstützende wirtschaftliche Unterstützung darstellt und im Übrigen schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers nicht berührt werden. Das BAG stellte klar, dass auch die Berufsfreiheit des Art. 12 GG zugunsten des Arbeitnehmers in die Gesamtwürdigung mit einzufließen hat. Daher muss stets auch auf die konkrete Gefährdung oder Beeinträchtigung des Arbeitgebers abgestellt werden. So spreche viel dafür, dass hinsichtlich der Reichweite der Konkurrenzverbote eine „unmittelbare" Konkurrenztätigkeit gegeben sein muss, bei bloßen Hilfstätigkeiten ohne Wettbewerbsbezug hingegen sei keine nennenswerte und damit schützenswerte Beeinträchtigung gegeben. Dies soll insbesondere bei bloßer Teilzeitbeschäftigung der Fall sein. Im vorliegenden Fall verneinte das BAG die unmittelbare Wettbewerbstätigkeit der Klägerin. Zwar stehen beide Unternehmen (in ihren jeweiligen Randbereichen) in Konkurrenz, die konkrete Arbeit der Klägerin hatte aber hierzu keinen Wettbewerbsbezug. Ihre untergeordnete Tätigkeit hatte nach Auffassung des BAG allenfalls „mittelbaren" Wettbewerbsbezug – Ihre Hauptaufgabe bestand in der Zeitungszustellung, nicht der Briefzustellung.

Der Feststellungsantrag war daher begründet. 

Fazit:

Die Entscheidung zeigt nach m.E. vorbildlich, dass auch das Arbeitsrecht stets ein Fall des „konkretisierten Verfassungsrechts" ist. Es ist daher völlig zurecht davon ausgegangen worden, dass eine „Konkurrenztätigkeit" nicht stets auch einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Treuepflichten bedeutet. Vielmehr ist diese im Einzelfall unter Einbeziehung der konkreten Umstände mit dem Recht des Arbeitnehmers aus Art. 12 GG abzuwägen.