Geheimcodes in Arbeitszeugnissen

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Arbeitnehmer hat keinen Anspruch darauf, dass bei der Verhaltensbeurteilung die Kollegen vor dem Vorgesetzten genannt werden

Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis (§ 109 GewO). Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer ein wohlwollendes Zeugnis auszustellen, da dieses dem beruflichen Fortkommen dienen soll. Dies hat dazu geführt, dass sich eine Art Zeugnissprache entwickelt hat, in der durch nichtssagende Formulierungen und aussagekräftige Auslassungen versteckte Botschaften vermittelt werden. Diese in der Praxis tatsächlich vorkommenden Geheimcodes beschäftigen immer wieder auch die Gerichte.

Anja Möhring
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Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf bestimmte Schlussformel in einem Arbeitszeugnis

Das Bundesarbeitsgericht hat beispielsweise erklärt, dass ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine bestimmte Schlussformel in einem Arbeitszeugnis hat, in der beispielsweise für die Zusammenarbeit gedankt und dem Arbeitnehmer für die Zukunft alles Gute gewünscht wird. Wenn er mit einer Schlussformel nicht einverstanden ist, hat er allenfalls Anspruch darauf, dass das Zeugnis ohne diese Schlussformel erteilt wird (BAG, Urt. v. 11.12.2012 – 9 AZR 227/11). Dabei hat aber auch das BAG erkannt, dass ein Zeugnis, in dem der Arbeitgeber seinen Dank für die guten Leistungen zum Ausdruck bringt und dem Arbeitnehmer für die berufliche Zukunft weiterhin alles Gute wünscht, aufgewertet wird. Einen Anspruch auf eine solche Schlussformel ergebe sich dennoch nicht aus § 109 GewO.

LAG: Nennung von Kollegen vor den Vorgesetzten laut Gericht keine Abwertung der Arbeitsleistung

In einem aktuellen Fall hat das Landesarbeitsgericht Kiel sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein überdurchschnittlich gutes Arbeitszeugnis dadurch abgewertet wird, dass bei der Verhaltensbeurteilung des Arbeitnehmers die Kollegen vor den Vorgesetzten genannt werden. Es ist zu dem Ergebnis gekommen, dass dies nicht der Fall ist, ein entsprechender Erfahrungssatz sei dem Gericht nicht bekannt (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11. Dezember 2013 – 1 Ta 207/13).

Studie: Reihenfolge der Nennung von Vorgesetzten und Kollegen nicht zufällig

Eine Untersuchung des Lehrstuhls für Wirtschafts- und Sozialpsychologie der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg aus dem Mai 2011 ergibt allerdings ein anderes Bild. Dort wurden 802 anonymisierte Arbeitszeugnisse analysiert. In 84% der untersuchten Zeugnisse wurde der Vorgesetzte vor den Kollegen, in nur 9% die Kollegen vor dem Vorgesetzten genannt. In 7% der Fälle wurden entweder der Vorgesetze oder die Kollegen gar nicht genannt. Der Notenmittelwert über alle Einzelnoten (exklusive Sozialverhalten) fiel tendenziell in den Zeugnissen schlechter aus, in denen der Vorgesetzte nach den Kollegen oder gar nicht genannt wurde. Dieses Ergebnis begründet die Vermutung, dass die Reihenfolge der Nennung von Vorgesetzten und Kollegen bzw. das Weglassen der Nennung nicht zufällig geschieht und mit einer allgemein schlechteren Beurteilung des Arbeitnehmers einhergeht.

Arbeitnehmer ist i.d.R. für Nachteile darlegungs- und beweispflichtig

In der Rechtsprechung überwiegt noch die Auffassung, dass es sich bei einer befriedigenden Leistungsbewertung um eine durchschnittliche Beurteilung handelt. Will der Arbeitnehmer eine bessere als eine durchschnittliche Bewertung erreichen, ist er für die Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig, die seinen Anspruch hierauf begründen. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer hinter einer bestimmten Formulierung oder einer Auslassung im Zeugnis eine für ihn nachteilige geheime Botschaft vermutet. In der Praxis ist die Beweisführung extrem schwierig.

Das Landesarbeitsgericht hat nun erstmals festgestellt, dass eine befriedigende Leistungsbeurteilung nicht mehr dem Durchschnitt entspricht und hat die Beweislast dafür, dass ein Arbeitnehmer nur durchschnittliche Leistungen erbracht hat, dem Arbeitgeber aufgegeben (LArbG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 21.03. 2013 – 18 Sa 2133/12). Inwieweit sich diese geänderte Rechtsprechung durchsetzt, bleibt abzuwarten.

Im Internet finden sich eine Reihe von Übersichten, in denen die Zeugnissprache analysiert wird. Sie geben einen guten ersten Überblick darüber, ob ein Zeugnis problematische Formulierungen oder Auslassungen enthält. Sollten Sie in Bezug auf ihr Zeugnis Zweifel haben, kann eine anwaltliche Beratung sinnvoll sein. Für die gerichtliche Geltendmachung eines Zeugnisberichtigungsanspruches sollten Sie einen erfahrenen Anwalt beauftragen.

Anja Möhring
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