Fristlose Kündigung – Arbeitgeber darf Browserverlauf des Arbeitnehmers verwerten (Teil 2)

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Privates Surfen während der Arbeitszeit als Grund für eine fristlose Kündigung

Das Landesarbeitsgericht hat die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers wegen privaten Surfens während der Arbeitszeit trotz sechzehnjähriger beanstandungsfreier Tätigkeit ohne vorherige Abmahnung für zulässig erachtet. Dies, obwohl das Landesarbeitsgericht zugunsten des Arbeitnehmers Arglosigkeit unterstellte. Ich hatte zu dieser Problematik bereits eine kritische Anmerkung geschrieben. Heute geht es um eine weitere heikle Frage in der Urteilsbegründung. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich den vom Arbeitgeber festgestellten Browserverlauf des Arbeitnehmers als Beweismittel herangezogen. Geht das?

Browserverlauf als Beweismittel verwertbar

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg erhält eine Verwertung des vom Arbeitgeber erlangten Browserverlaufs des Arbeitnehmers für möglich. Dazu die Begründung im Einzelnen (Teil 1).

Erhebung, Verarbeitung und Nutzung (Auswertung) der Daten aufgrund IT-Nutzerrichtlinie und Arbeitsvertrag. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich der Grund für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten, nämlich eine Missbrauchskontrolle aus einer beim Arbeitgeber bestehenden IT-Nutzerrichtlinie und einer entsprechenden Vereinbarung im Arbeitsvertrag. Dazu das Landesarbeitsgericht: Die Aufzeichnung der bei Telekommunikation entstehenden Verbindungsdaten zum Zwecke der Missbrauchskontrolle ist der Durchführung des Arbeitsverhältnisses nach § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG zuzuordnen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten die Daten vorliegend gem. § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG zum Zwecke der Aufdeckung von Straftaten erhebt und verarbeitet (speichert), bestehen hingegen nicht.

Das Gericht hält die bei Aufbau einer Internetverbindung zu einer bestimmten Webseite protokollierten Daten über den Zeitpunkt des Aufrufs, die Adresse der aufgerufenen Webseite und deren Titel im Übrigen auch für geeignet, Missbräuche durch die Beschäftigten des Arbeitgebers zu überprüfen. Daran bestehe auch ein legitimes Interesse des Arbeitgebers.

Dazu das Landesarbeitsgericht: Dabei geht die Datenerhebung und -speicherung auch nicht über das Maß des Erforderlichen hinaus. Weitergehende Informationen über den Inhalt der Internetaktivität werden nicht gespeichert. Eine unzulässige Dauerüberwachung erfolgt nicht, … lediglich eine stichprobenartige Überprüfung der Daten.

Erlaubte Privatnutzung steht der Verwendung nicht entgegen

Eine gestattete Privatnutzung des Internets durch die Beschäftigten ist vor dem Hintergrund der Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme zur Missbrauchskontrolle unerheblich.

Fehlende Hinzuziehung des Arbeitnehmers bei der Auswertung der Daten unerheblich

Das Gericht ist der Auffassung, dass eine Auswertung in Anwesenheit zwar das mildere Mittel gegenüber einer Auswertung in Abwesenheit des Arbeitnehmers sei, allerdings sei die Art und Weise der Auswertung auch bei Anwesenheit des Klägers keine andere als bei der Abwesenheit. Dazu das Gericht: Der Kläger hätte die Auswertung der einzelnen aufgerufenen Internetseiten nicht durch die freiwillige Bekanntgabe der täglichen Zeiten privater Internetnutzung abwenden können, denn nach eigenem Vortrag hat er dazu keine genauen Erinnerungen. Auch die fehlende Möglichkeit zur Stellungnahme sei unschädlich, so das Landesarbeitsgericht, da diese im Kündigungsschutzprozess nachgeholt werden könne.

Kein heimlicher Eingriff

Der Kläger hätte vorbeugenden Rechtsschutz gegen die Auswertung seiner Daten in Anspruch nehmen können. Das Landesarbeitsgericht meint außerdem, dass der Kläger es ja in der Hand gehabt habe, nach Kenntnisnahme der Vorwürfe im Zusammenhang mit der Befragung zur Privatnutzung durch den Arbeitgeber und anschließender Freistellung und Kündigung vorbeugenden Rechtsschutz gegen die Verwertung in Anspruch zu nehmen.

Kein Verstoß gegen betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften

Insbesondere sieht das Landesarbeitsgericht keinen Verstoß gegen § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Dies folge schon aus einer Zustimmung des Betriebsrats zur geltenden IT-Nutzerrichtlinie, in deren Rahmen sich die Maßnahme bewege.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Januar 2016 – 5 Sa 657/15.

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