Die betriebsbedingte Kündigung

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Anforderung an den Nachweis außer- und innerbetrieblicher Kündigungsgründe

Gerade in Zeiten eines schwachen Arbeitsmarktes wächst die Bedeutung der betriebsbedingten Kündigung. Nicht selten jedoch erweist sich die vom Arbeitgeber häufig übereilt ausgesprochene Kündigung im Nachhinein als unwirksam. Dies insbesondere dann, wenn es dem Arbeitgeber im Rahmen einer vom Arbeitnehmer anzustrengenden Kündigungsschutzklage nicht gelingt, die zum Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung berechtigenden Gründe darzulegen und zu beweisen. Die Arbeitsgerichte stellen hieran hohe Anforderungen. Kündigungsschutzklagen zeitigen nicht selten Erfolg.

Eine betriebsbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn der Personalbedarf nicht mit dem Personalbestand übereinstimmt. Die Diskrepanz zwischen Angebot an und Nachfrage nach Arbeitsleistung im Betrieb kann dabei auf außer- oder innerbetriebliche Gründe zurückzuführen sein. Typischer außerbetrieblicher Grund ist der Auftrags- oder Umsatzrückgang eines Unternehmens, typischer innerbetrieblicher Grund ist die in einer unternehmerischen Entscheidung fußende Umorganisation von Arbeitsabläufen. Beide Gründe sind grundsätzlich geeignet, eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen.

Jörg Halbe
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Soweit der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eröffnet ist, gilt es für den gekündigten Arbeitnehmer keine Zeit zu verlieren. Der gekündigte Arbeitnehmer kann nämlich innerhalb von drei Wochen ab Kündigungszugang Kündigungsschutzklage erheben und hierdurch die betriebsbedingte Kündigung einer arbeitsgerichtlichen Prüfung zuführen. Den Arbeitgeber treffen dann abhängig vom Vorliegen eines außer- oder innerbetrieblichen Kündigungsgrundes unterschiedliche, oft nur schwer zu erfüllende Nachweispflichten. Kann der Arbeitgeber die vom Arbeitsgericht geforderten Nachweise nicht erbringen, hat dies regelmäßig die Unwirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung und – soweit sich die Parteien nicht auf den Abschluss eines Abfindungsvergleichs einigen – die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zur Folge.

Der Arbeitgeber sollte sich daher vor Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung über die ihn im Falle einer gegen ihn erhobenen Kündigungsschutzklage treffenden Nachweispflichten im Klaren sein und diese schon vor Ausspruch der Kündigung beachten.

Auf der anderen Seite sollte der gekündigte Arbeitnehmer immer die Erhebung einer Kündigungsschutzklage in Erwägung ziehen. Dies insbesondere dann, wenn absehbar ist, dass der Arbeitgeber die geforderten Nachweispflichten nur schwer wird erfüllen können. Insofern richtet sich dieser Aufsatz sowohl an den geneigten Arbeitgeber als auch an den von einer betriebsbedingten Kündigung betroffenen Arbeitnehmer.

Außerbetriebliche Kündigungsgründe

Stützt der Arbeitgeber die Kündigung auf außerbetriebliche Gründe, hat er den Auftrags- oder Umsatzrückgang anhand betriebswirtschaftlicher Zahlen nachzuweisen.

Freilich ist ein nachgewiesener Umsatzrückgang allein nicht geeignet, eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Der Umsatzrückgang muss vielmehr, soll er als Kündigungsgrund herhalten, auch ursächlich für einen Rückgang des Bedarfs an Angestellten sein. Hierfür trifft den Arbeitgeber die alleinige Darlegungs- und Beweislast. Den Ursachenzusammenhang zwischen Umsatzrückgang und geminderten Personalbedarf kann der kündigende Arbeitgeber in aller Regel jedoch nur sehr schwer nachweisen. So kann ein Umsatzrückgang etwa auf die Gewährung von Rabatten oder Preisnachlässen zurückzuführen sein. Es liegt auf der Hand, dass hierdurch der Bedarf an Personal in keiner Weise gemindert wird.

Eine Kündigungsschutzklage, die sich gegen eine allein auf außerbetriebliche Gründe gestützte betriebsbedingte Kündigung richtet, hat daher in aller Regel beste Aussicht auf Erfolg. So gibt es bislang nur wenige Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG), in denen die Kündigung aus rein außerbetrieblichen Gründen akzeptiert wurde. Ein Arbeitgeber, der sich zum Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung entschlossen hat, wird daher versucht sein, diese auf innerbetriebliche Gründe zu stützen.

Innerbetriebliche Kündigungsgründe

Ein zum Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung berechtigender innerbetrieblicher Grund liegt vor, wenn eine unternehmerische Entscheidung Ursache für den reduzierten Personalbedarf ist.

Der kündigende Arbeitgeber hat hierbei im Kündigungsschutzprozess zunächst nachzuweisen, dass überhaupt eine die Umstrukturierung des Betriebs betreffende Unternehmensentscheidung getroffen wurde. Dies gelingt in der Regel durch Vorlage eines dies dokumentierenden Beschlusses der Geschäftsführung bzw. der Unternehmensleitung. Sodann hat der Arbeitgeber nachzuweisen, dass durch die Umsetzung der getroffenen Entscheidung der Bedarf an Arbeitskraft sinkt.

Betriebsstilllegung, Betriebsteilstilllegung, Schließung von Abteilungen

Liegt die unternehmerische Entscheidung in der Absicht, den Betrieb, Betriebsteile oder aber einzelne Abteilungen eines Betriebs stillzulegen, so ist der Nachweis, dass hierdurch in den betroffenen Unternehmensbereichen die Nachfrage nach Arbeit wegfällt, relativ leicht zu erbringen. Der Arbeitgeber hat hierbei nicht einmal darzulegen, dass mit der beabsichtigten Stilllegung bereits begonnen wurde. Es genügt vielmehr die Vorlage eines Beschlusses der Geschäftsführung, der die Absicht des Arbeitgebers dokumentiert, den Betrieb, einzelne Betriebsteile oder aber Abteilungen des Betriebs in absehbarer Zeit stillzulegen.

Fremdvergabe, Outsourcing

Um eigenes Personal einzusparen, kann der Arbeitgeber die im Rahmen seiner unternehmerischen Freiheit durchaus legitime Entscheidung treffen, einzelne im Betrieb anfallende Tätigkeiten zukünftig von externen Unternehmen und deren Angestellten erledigen zu lassen. Dasselbe gilt, wenn ein Arbeitgeber die bisher von seinen Arbeitnehmern verrichteten Aufgaben freien Mitarbeitern überträgt. Zwar besteht im Betrieb des Arbeitgebers nach wie vor der gleiche Bedarf an Arbeitskraft, jedoch verzichtet der Arbeitgeber bei Fremdvergabe auf das ihm ursprünglich zustehende Weisungsrecht. Es handelt sich also nicht länger um nichtselbstständige Arbeit, die vom Arbeitgeber nachgefragt wird. Sein Bedarf an nichselbstständiger Arbeit ist vielmehr weggefallen.

Im Kündigungsschutzprozess hat der Arbeitgeber in diesem Fall lediglich nachzuweisen, dass er für die Erledigung bestimmter Aufgaben einen Vertrag mit einem anderen Unternehmen bzw. mit freien Mitarbeitern geschlossen hat. Hierzu reicht die Vorlage des betreffenden Vertrags. Freilich ist vom Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess zusätzlich darzulegen, welche Arbeitsplätze konkret von der Fremdvergabe betroffen sind.

Eine Unternehmensentscheidung, die zum Gegenstand hat, dass die Arbeitsverhältnisse zunächst an einen Dritten übergehen und die betroffenen Arbeitnehmer sodann in ihrem alten Betrieb unter Weisung des ursprünglichen Arbeitgebers als Leiharbeitnehmer dieselbe Arbeit erbringen, ist hingegen nicht geeignet, eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Menge und Art an nachgefragter Arbeit bleiben in diesem Fall schlicht unverändert. Die im Betrieb des Arbeitgebers tätigen Arbeitnehmer unterstehen weiter der Weisung ihres ursprünglichen Arbeitgebers. Der Bedarf des Arbeitgebers an nichtsselbstständiger Arbeit ist gerade nicht weggefallen. Ein innerbetrieblicher Kündigungsgrund liegt somit schon begrifflich nicht vor.

Umstrukturierung und Rationalisierung

Schließlich steht es dem Arbeitgeber frei, Maßnahmen zur Umstrukturierung und Rationalisierung von Betriebsabläufen zu treffen, die sich mindernd auf die benötigte Stärke der Belegschaft auswirken. Hierzu gehören etwa die Einführung von technischen Neuerungen, durch die menschliche Arbeitskraft ersetzt wird oder aber die Verschlankung von Hierarchieebenen sowie Maßnahmen zur Leistungsverdichtung .

Ob diese Maßnahmen aus betriebswirtschaftlicher Sicht Sinn machen, ist für die Beurteilung der Wirksamkeit der hierauf gestützten betriebsbedingten Kündigung nicht von Belang. Entscheidend ist allein, ob durch die Umstrukturierungsmaßnahmen der Bedarf an konkreter Arbeitskraft entfällt. Dies hat der kündigende Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess en detail darzulegen und zu beweisen.

Soll die Führungsstruktur im Betrieb durch Wegfall von einzelnen Stellen oder einer ganzen Hierarchieebene schlanker werden, reicht es zum Nachweis des innerbetrieblichen Kündigungsgrundes nicht aus, wenn der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess lediglich das neue Organigramm seines Betriebes vorlegt. Der Arbeitgeber hat vielmehr zudem darzulegen, wie die im Betrieb anfallenden Arbeiten nach Umsetzung der von ihm nachweisbar getroffenen Unternehmensentscheidung vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen bewältigt werden. Im ersten Schritt ist hierbei vom Arbeitgeber zu dokumentieren, mit welchen Aufgaben der von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer in welchem zeitlichen Umfang jeweils beschäftigt war. Im zweiten Schritt ist durch Schilderung der Arbeitsabläufe darzulegen, welche der einzelnen Tätigkeiten des gekündigten Arbeitnehmers nicht mehr gebraucht werden und welche der Aufgaben nach vollzogener Umstrukturierung von anderen Mitarbeitern übernommen werden können.

Entschließt sich der Arbeitgeber zur Einführung neuer Fertigungstechniken oder Maschinen, so hat er dem Arbeitsgericht im Kündigungsschutzprozess nachzuweisen, dass er die betreffenden Maschinen tatsächlich angeschafft hat und dass sich durch deren Leistungen der von der Kündigung betroffene „menschliche“ Arbeitsplatz einsparen lässt.

Zusätzliche Hürde: Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz

Lassen sich außer- oder innerbetriebliche Gründe nachweisen, die geeignet sind, eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, so hat der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung gleichwohl zu prüfen, ob der Arbeitnehmer nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann.

Eine Kündigung kommt nämlich immer nur dann in Betracht, wenn mildere Mittel, dem eingetretenen Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes zu begegnen, nicht zur Verfügung stehen. Dazu gehört auch und gerade die Möglichkeit der Beschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen freien Arbeitsplatz, sei es zu denselben oder zu geänderten Arbeitsbedingungen.

Im Kündigungsschutzprozess gilt insoweit eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber genügt zunächst seiner Darlegungspflicht, wenn er allgemein vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei nicht möglich. Es ist dann Sache des Arbeitnehmers, darzulegen, wie und wo er sich eine Weiterbeschäftigung im Unternehmen des Arbeitgebers vorstellt. Dabei genügt es, wenn er angibt, welche Art der Beschäftigung gemeint ist oder in welchem Bereich bzw. in welcher Abteilung sie erfolgen soll. Der Arbeitnehmer muss dabei keinen konkreten freien Arbeitsplatz benennen. Erst nach diesem Vortrag des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber konkret darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die vom Arbeitnehmer genannte Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung nicht bzw. nicht für den betroffenen Arbeitnehmer zur Verfügung steht.

Fazit

Die Arbeitsgerichte stellen an den Nachweis betriebsbedingter Kündigungsgründe sehr hohe Anforderungen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten daher die Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage frühzeitig unter Berücksichtigung der einzuhaltenden Nachweispflichten prüfen und im Zweifel hierzu anwaltlichen Rat einholen. So kann der Arbeitgeber bereits vor Ausspruch der Kündigung die Gefahr eines drohenden Kündigungsschutzprozesses kalkulieren und das damit einhergehende Kostenrisiko gegebenenfalls minimieren. Auf der anderen Seite kann der Arbeitnehmer nach Erhalt einer betriebsbedingten Kündigung unter Berücksichtigung der dem Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess obliegenden Nachweispflichten absehen, ob es ratsam ist, vor dem Arbeitsgericht um den Arbeitsplatz zu kämpfen oder sich mit dem Arbeitgeber auf eine angemessen hohe Abfindung zu einigen.

Der Verfasser ist Sozius der Kanzlei Wagner Halbe Rechtsanwälte. Fragen zum Artikel können Sie gerne an jh@wagnerhalbe.de richten.

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