Die Rechte der Arbeitnehmer bei betriebsbedingten Kündigungen des Arbeitgebers.

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Am Beispiel: Massenentlassungen bei E.on, insbesondere am Standort Essen (Essener Ruhrgas)?

Die Firma Eon plant Presseberichten zufolge die Streichung von bis zu 11.000 Jobs, die Hälfte
davon in Deutschland. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi geht davon aus, dass in Deutschland
jede siebte Stelle bei dem Unternehmen vom Wegfall bedroht ist. Insbesondere der Standort
Essen (Essener Ruhrgas) wird betroffen sein. Eon selbst will betriebsbedingte Kündigungen nicht
ausschließen.

Die Konzernspitze will das Unternehmen "besser, schneller, billiger" machen. Darf ein Arbeitgeber
in solchen Fällen betriebsbedingte Kündigungen aussprechen?

Grundsätzlich dürfen Arbeitgeber betriebsbedingte Kündigungen zum Zwecke des Stellenabbaus
aussprechen. Die Frage ob eine solche Kündigung Bestand hat, muss immer im Einzelfall geklärt
werden.

Was ist einem Arbeitnehmer zu empfehlen, der eine betriebsbedingte Kündigung erhalten hat?

Arbeitnehmer, die eine betriebsbedingte Kündigung erhalten haben, müssen innerhalb von
drei Wochen ab Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht
einreichen. Wird diese Frist versäumt, ist in den allermeisten Fällen gegen die Kündigung nichts mehr
zu unternehmen.

Soll man auch dann klagen, wenn man mit der Kündigung eigentlich einverstanden ist, aber als
Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung haben möchte?

Unbedingt. Wenn sich der Anspruch auf eine Abfindung nicht aus dem Kündigungsschreiben
selbst oder einen Sozialplan ergibt, geht man bei Versäumung der Frist zur Erhebung der
Kündigungsschutzklage leer aus.

Ist eine Kündigungsschutzklage auch dann sinnvoll, wenn bereits ein Sozialplan besteht, nachdem
man eine Abfindung bekommt?

Ja. Aus folgenden Gründen:
• Zum einen wird im Rahmen einer Kündigungsschutzklage der Abfindungsbetrag häufig
deutlich erhöht.
• Zum anderen kann man die Höhe der Abfindung verbindlich klären lassen und so späteren
Streit über die Auslegung des Sozialplans vermeiden.
• Man kann weitere Ansprüche (Zeugnis, Gehaltsdifferenzen, Zulagen usw.) abschließend
klären.
Schließlich schafft man sich auf diese Weise schnell einen vollstreckungsfähigen Titel über die

Abfindungssumme.

Kann man die Kündigungsschutzklage selbst erheben oder benötigt man hierfür einen
Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht?

Grundsätzlich kann man die Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht selbst
einreichen. Die Mitarbeiter der Rechtsantragstelle helfen bei der Formulierung der Klageschrift.
Man riskiert allerdings Fehler, für die später keiner haftet. Geringfügige falsche Bezeichnungen
des Arbeitgebers können dazu führen, dass man den falschen Arbeitgeber verklagt und damit die
Dreiwochenfrist versäumt. Spätestens im ersten Gerichtstermin (Gütetermin) wird man sich zudem
ohne einen fachkundigen Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht relativ hilflos fühlen. Man kann

auch dann noch einen Anwalt aufsuchen. Dieser kann allerdings Fehler in der Klageschrift nicht
immer korrigieren. Ist der falsche Arbeitgeber verklagt, kann meistens auch der beste Anwalt nicht
mehr helfen.

Welche Kosten entstehen bei Einschaltung eines Rechtsanwalts/Fachanwalt für Arbeitsrecht im
Rahmen einer Kündigungsschutzklage?

Die Höhe der Gebühren des Rechtsanwalts bestimmt sich nach dem Streitwert. Dieser bestimmt sich
nach der Höhe des Arbeitsentgelts, das der jeweilige Arbeitnehmer erzielt.

Nachfolgend eine Beispielrechnung:

Wenn der gekündigte Arbeitnehmer zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt von 4000
€ hatte, ist der Streitwert einer Kündigungsschutzklage 12.000 €. Die gesetzlichen Gebühren eines
Rechtsanwalts oder Fachanwalts für Arbeitsrecht liegen – wenn ein Vergleich nicht zustande
kommt – 1.315 € zzgl. Mehrwertsteuer. Mit Abschluss eines Vergleichs liegen die gesamten
Nettoanwaltsgebühren bei 1.841 €. Bei Abschluss eines Vergleichs entfallen allerdings die
Gerichtsgebühren von 392 €, die bei einem Streitwert von 12.000 € für eine Kündigungsschutzklage
anfallen.

Bei einem Bruttoeinkommen von 2000 € betragen die Anwaltsgebühren netto 845 € ohne Kosten des
Vergleichs und mit Vergleichsgebühr 1.183 €.

Muss ich im Falle einer Niederlage die Kosten des gegnerischen Anwalts erstatten, bzw. bekomme
ich im Falle des obsiegendes meine eigenen Rechtsanwaltsgebühren erstattet?

Nein: Im arbeitsgerichtlichen Verfahren in der ersten Instanz, findet keine Kostenerstattung statt.
D.h. ob man gewinnt oder verliert: die Kosten bleiben gleich. Man muss weder dem Gegner dessen
Rechtsanwaltsgebühren erstatten, wenn man verliert, noch bekommt man die eigenen Gebühren
erstattet, wenn man gewinnt. Die allermeisten Fälle enden ohnehin in der ersten Instanz mit einem
Vergleich. Dann trägt regelmäßig jede Seite sowieso ihre eigenen Kosten.

Ist es teurer, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht einzuschalten, als einen Rechtsanwalt?

Die meisten Rechtsanwälte/Fachanwalt für Arbeitsrecht arbeiten für die gesetzlichen Gebühren,
die im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geregelt sind. Dann fallen bei einem Rechtsanwalt
oder einem Fachanwalt für Arbeitsrecht dieselben Gebühren an. Wenn der Anwalt sich keine
Honorarvereinbarung unterzeichnen lässt, werden regelmäßig nur die Gebühren nach dem
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz geschuldet.

Muss der Arbeitnehmer diese Kosten zwangsläufig selbst tragen (Rechtsschutzversicherung,
Prozesskostenhilfe, steuerliche Absetzbarkeit)?

Wer über eine Rechtsschutzversicherung verfügt, zahlt allenfalls eine Selbstbeteiligung, wenn eine
solche mit der Versicherung vereinbart ist. Die Versicherungen versuchen oft, Anwälte zu vermitteln.
Man hat allerdings das Recht, sich einen eigenen Anwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht auszusuchen.

Wer finanziell schlecht gestellt ist, kann Prozesskostenhilfe beim Arbeitsgericht beantragen. Dies
wird von den Rechtsanwälten regelmäßig mit erledigt.

Wenn seine Kosten selbst tragen muss, also keine Rechtschutzversicherung hat und gut verdient,
kann sich lediglich damit trösten, dass die entstehenden Kosten steuerlich absetzbar sind.

Fachanwaltstipp Arbeitnehmer: Wenn Ihnen eine Kündigung zugeht, haben Sie nur drei Wochen
für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Wenn Sie Ihren Arbeitsplatz erhalten oder sich
eine gute Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes sichern wollen, müssen Sie die Klage
rechtzeitig einreichen, bzw. ein Rechtsanwalt hiermit beauftragen. Unabhängig davon, ob sie
eine Rechtsschutzversicherung haben: eine Klage lohnt sich finanziell nahezu immer, wenn
beim Arbeitgeber regelmäßig mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt sind (Anwendbarkeit des
Kündigungsschutzgesetzes).

10.11.2011

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