Betriebliche Altersversorgung – Ein Überblick

Mehr zum Thema: Arbeitsrecht, Entgeltumwandlung, Altersversorgung, Altersvorsorge, Tarifvertrag
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Ausgangspunkt

Seit dem 01.01.2002 haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung. Dieser Anspruch des Arbeitnehmers ist in dem neuen § 1a BetrAVG geregelt.

Unter einer Entgeltumwandlung ist die Umwandlung von künftigen Entgeltansprüchen gegenüber dem Argeitgeber in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistung zu verstehen. Sie liegt also dann vor, wenn Teile des Arbeitslohns nicht als Barlohn ausgezahlt werden, sondern als Beiträge zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung dienen.

Michael Wieck
Partner
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Rechtsanwalt
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Im Gegensatz zur klassischen Form der betrieblichen Altersversorgung handelt es sich bei der Entgeltumwandlung um eine rein arbeitnehmerfinanzierte Variante der betrieblichen Altersversorgung. Sie kommt durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zustande.

Bei der traditionellen betrieblichen Altersversorgung konnten Unternehmen, Verwaltungen oder Einrichtungen frei entscheiden, ob sie zum einen überhaupt eine Altersvorsorge einführen wollten, welche Arbeitnehmergrupen in diese Altersvorsorge einbezogen werden sollten, wie diese durchgeführt wurde und in welchem Umfang dafür Mittel zur Verfügung stehen sollten.

Seit dem 01.01.2002 hat ein Arbeitnehmer die Möglichkeit, von seinem Arbeitgeber zu verlangen, dass bis zu maximal 4 % der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zum Aufbau einer betrieblichen Altersvorsorge aufgewendet werden. Dabei ist der Höchstbetrag vom individuellen Gehalt unabhängig und gilt für die alten wie für die neuen Bundesländer. Für das Jahr 2005 entspricht dies einem Betrag von 2496,00 €.

Auch besteht im Gegensatz zur Riester-Förderung, die erst stufenweise bis zum Jahre 2008 auf dann maximal 211,00 € ansteigt, der Anspruch auf Entgeltumwandlung bereits jetzt in voller Höhe.

Wer hat einen Entgeltumwandlungsanspruch?

Anspruchsberechtigt sind grundsätzlich alle Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind. Auch geringfügig Beschäftigte, die auf die ihnen zustehende Versicherungsfreiheit verzichtet haben, sind in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert und haben daher einen Anspruch.

So genannte arbeitnehmerähnliche Selbständige haben gleichfalls einen Anspruch auf Entgeltumwandlung gegenüber ihrem Auftraggeber, wenn sie aufgrund der selbständigen Tätigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind.

Zu beachten ist jedoch, dass ein Entgeltumwandlungsanspruch ausgeschlossen ist, wenn der Arbeitnehmer bereits über eine durch Entgeltumwandlung finanzierte betriebliche Altersversorgung verfügt. Dennoch besteht gemäß § 1 BetrAVG ein so genannter „Auffüllungsanspruch", soweit die bisherige Entgeltumwandlung die Obergrenze noch nicht erreicht hat.

Um andererseits den Arbeitnehmer zumindest eine gering-substantielle Versorgungsanwartschaft zu verschaffen und den Arbeitgeber vor hohen Verwaltungskosten zu schützen, muss der Arbeitnehmer mindestens ein Hundertsechzigstel der Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV umwandeln. Dies entspräche für das Jahr 2004 einem Umwandlungsbetrag von ca. 181,00 €.

Entgeltumwandlungsanspruch und Tarifrecht

Folgt der Entgeltanspruch aus der normativen Wirkung eines Tarifvertrags, so ist die Disposition der Arbeitsvertragsparteien begrenzt. Dem hat der Gesetzgeber im neuen § 17 Abs. 5 BetrAVG Rechnung getragen, indem Entgeltansprüche, die auf Tarifvertrag beruhren, nur dann für eine Entgeltumwandlung verwendet werden dürfen, soweit dies durch „Tarifvertrag vorgesehen" (hier lässt der Tarifvertrag selbst die Entgeltumwandlung zu) oder durch „Tarifvertrag zugelassen" ist (hier enthält der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel, nach der auch über Betriebsvereinbarungen oder Einzelverträge eine Entgeltumwandlung ermöglicht werden kann).

Insgesamt sind also folgende Geltungsvoraussetzungen zu beachten:

  • gültiger Tarifvertrag (dieser muss seine normative Wirkung entfalten)
  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen tarifgebunden sein

    oder:

  • Der Tarifvertrag muss für allgemeinverbindlich erklärt worden sein.

    d.h. :

  • Arbeitgeber muss Mitglied des vertragsschließenden Arbeitgeberverbandes sein und
  • Arbeitnehmer muss Gewerkschaftsmitglied sein

Bei nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern beruht dementsprechend das Gehalt nicht auf tarifvertraglicher Grundlage, auch wenn sie „nach Tarif" entlohnt werden.

Bei Zahlung von übertariflichen Zulagen beruhen diese ebenfalls nicht auf Tarifvertrag mit der Folge, dass der Mehrbetrag als Anspruch auf Entgeltumwandlung geltend gemacht werden kann.

Durchführungswege

Betriebliche Altersversorgung kann über folgende fünf Durchführungswege abgewickelt werden:

  • unmittelbare Versorgungszusagen durch den Arbeitgeber (Direktzusagen)
  • Zusagen über eine Unterstützungskasse
  • Zusagen über eine Pensionskasse
  • Zusagen über Direktversicherungen und
  • dem seit dem 01.01.2002 eingeführten Pensionsfonds

Die Parteien können grundsätzlich frei bestimmen, welchen Durchführungsweg sie wählen.
§ 1a Abs.1 Satz 3 BetrAVG begrenzt diesen Weg aber insoweit, als er die Durchführung über einen Pensionsfonds oder einer Pensionskasse als verpflichtend vorschreibt, wenn der Arbeitgeber eine dieser Versorgungseinrichtungen vorschreibt. Andernfalls kann der Arbeitnehmer den Abschluss einer Direktversicherung verlangen, wobei dem Arbeitgeber die Wahl des Versicherungsunternehmens überlassen ist.

Die Entscheidung, welches Modell der Altersvorsorge gewählt wird, sollte sich u.a. an dem zu leistendem Aufwand orientieren. Die „Riester-Rente" wird grundsätzlich nur für die unteren Einkommensgruppen (Haushalte von weniger als 25.000 €) oder für Haushalte mit mehreren Kindern sinvoll sein.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass gemäß § 1b Abs.5 1 Halbsatz BetrAVG Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung, die mittels Entgeltumwandlung finanziert wurden, sofort gesetzlich unverfallbar sind.

Im Falle eines Ausscheidens behält der Arbeitnehmer somit seine bis dahin erworbene Anwartschaft. Diese Neuregelung gilt für alle Anwartschaften, die nach dem 31.12.2000 entstanden sind.

Vorzeitiges Ausscheiden

Scheidet ein Arbeitnehmer mit einer durch Entgeltumwandlung finanzierten betrieblichen Versorgungszusage vor Erreichen des Versorgungsfalls aus, so hat er stets eine unverfallbare Anwartschaft.

Bei vorzeitigem Ausscheiden wird dem Arbeitnehmer als Anwartschaft der Kapitalbetrag zugesprochen, der durch die tatsächlich geleisteten Beiträge einschließlich Zinsen und Zinseszinsen erwirtschaftet worden ist.

Haftungsrisiko für Arbeitgeber:

In Zukunft werden immer mehr Arbeitnehmer von dem ihnen eingeräumten Recht auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung Gebrauch machen. Denn inzwischen ist es in das allgemeine Bewusstsein gedrungen, dass die gesetzlichen Rentenversicherungsbeiträge alleine nicht mehr ausreichen, um den nachberuflichen Lebensstandard zu finanzieren.

Damit einhergehend werden viele Arbeitnehmer verstärkt Informationen einholen wollen, um sich einen Überblick über Vorsorgemodelle zu verschaffen. Dabei werden sie sich im Rahmen der Herbeiführung einer Entgeltumwandlung insbesondere an ihre Arbeitgeber wenden. Für die Arbeitgeber wird es also nicht leicht sein, sich die notwendigen korrekten Informationen zu verschaffen. Deshalb stellt sich für viele Arbeitgeber die Frage, ob und inwieweit ihnen Beratungs- und Aufklärungspflichten obliegen.

Das reformierte Betriebsrentengesetz gibt als vorrangiges Spezialgesetz keine Auskunft darüber, ob und inwieweit dem Arbeitgeber Aufklärungs- und Beratungspflichten treffen.

Eine Informationspflicht der Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Alterversorgung kann sich jedoch aus der jedem Arbeitsverhältniss innewohnenden allgemeinen Fürsorgepflicht ergeben. Aus dieser Fürsorge ergeben sich Schutz-, Sorgfalts-, Auskunfts-, Beratungs-, Hinweis- und Aufklärungspflichten.

Soweit normierte Pflichten, die sich aus Gesetz, Tarifvertrag oder Einzelvertrag ergeben können, nicht ausreichen, besteht eine entsprechende Schutzpflicht gegenüber dem Arbeitnehmer, diesen bei entsprechendem Beratungsbedarf aufzuklären.

Dies gilt vor allem dann, wenn sich der Arbeitgeber wesentlich leichter und besser Informationen für den Arbeitnehmer beschaffen und zugänglich machen kann. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die allgemeinen Informationspflichten in den letzten Jahren erhblich ausgeweitet, vor allem für den Bereich des öffentlichen Dienstes. In einer jüngeren Entscheidung wurden einem Arbeitnehmer für fehlerhafte Auskünfte durch den Arbeitgeber über Versorgungsansprüche ein „Versorgungsschaden" und damit ein Schadenersatzanspruch zuerkannt (BAG, Der Betrieb 2002, S. 227 f.).

Das BAG geht sogar soweit, dass es dem Arbeitgeber die Pflicht auferlegt, zur Vermeidung schuldhafter arbeitsvertraglicher Unterlassungen seine Personalabteilung mit fachlich qualifiziertem Personal zu besetzen.

Weiterhin hat das BAG in zahlreichen Entscheidungen die Ansicht vertreten, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über die verschiedenen Vorsorgungswege aufzuklären hat. Gibt er dabei Empfehlungen, so haftet er für deren Richtigkeit und Vollständigkeit.

Auch die Herausgabe von Firmenbroschüren kann zur Information der Mitarbeiter notwendig sein, um eine anlagegerechte Beratung zu gewährleisten.

Möglichkeiten zur Reduzierung der Haftung

Sobald der Arbeitgeber aktiv ein bestimmtes Modell empfiehlt, muss er seine Rolle im Vorfeld festlegen. Insbesondere sollte er weder Empfehlungen geben noch Beratungen durchführen, wenn hierfür nicht die erforderlichen Spezialkenntnisse in seinem Unternehmen abrufbar sind.

So besteht z.B. aufgrund des neu eingeführten § 1 Abs. 2 Nr.2 BetrAVG die Möglichkeit, über die Versorgungswege Pensionsfonds, Pensionskasse oder Direktversicherung eine Beitragszusage mit Mindestleistung einzuführen, bei denen eine Haftungsreduktion dadurch sichergestellt ist, dass der Arbeitgeber nur für die eingezahlten Beiträge einzustehen hat.

Eine hohe Kalkulierbarkeit mit einhergehender Haftungsreduktion kann auch dadurch erreicht werden, dass nur beitragsorientierte Versorgungssysteme implementiert werden. Hier zahlt das Unternehmen als so genanntes Trägerunternehmen seine Beiträge z.B. an eine rückgedeckte Unterstützungskasse. Diese leistet die Beiträge an einen Versicherer weiter, der bei Eintritt des Versorgungsfalls die Leistungen an die Unterstützungskasse erbringt, die diese Gelder unmittelbar an den Versorgungsberechtigten weiterleitet. Soweit der Arbeitgeber bei diesem System seine Beiträge ordnungsgemäß an die Unterstützungskasse entrichtet ist eine Haftung nahezu ausgeschlossen.Letztlich ist eine professionelle rechtliche Beratung unabdingbar und für den Arbeitgeber der sicherste Weg eine Haftung zu vermeiden.

Rat für Arbeitgeber: Beitragsfreiheit hinsichtlich der Sozialabgaben

Pensionskasse, Pensionsfonds oder Direktversicherung; Arbeitgeber profitieren von steuer- und sozialabgabefreien Beträgen. Dies ist speziell für kleine und mittlere Betriebe ein Vorteil. Bei der Direktversicherung sind Beiträge zu „Altzusagen" nur dann sozialversicherungsfrei, wenn sie aus einer Einmalzahlung (z.B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld) oder zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Gehalt finanziert werden.

Rückstellungen des Arbeitgebers für die Durchführungswege Unterstützungskasse und Direktzusage bleiben unbegrenzt steuer- und sozialabgabenfrei.

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