Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit

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Zum Sachverhalt

Anspruch auf Elternteilzeit besteht auch, wenn zuvor völlige Freistellung beantragt wurde

Was passiert, wenn ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin sich zunächst entscheidet, drei Jahre Elternzeit mit voller Freistellung in Anspruch zu nehmen, nach einem Jahr aber doch lieber in Teilzeit arbeiten möchte? Muss der Arbeitgeber diesem Wunsch nachkommen oder darf er auf den einmal gefassten Beschluss vertrauen?

Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) jüngst befasst und eine für Arbeitgeber und Arbeitnehmer weitreichende Entscheidung getroffen.

Luis Fernando Ureta
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Geklagt hatte eine Diätassistentin, die sich zunächst entschieden hatte, ihre Elternzeit von drei Jahren voll auszuschöpfen und sich für diese Zeit von der Arbeit völlig freistellen ließ. Nach einem halben Jahr änderte sie ihre Meinung und verlangte die Beschäftigung als Teilzeitkraft. Der Arbeitgeber verweigerte dies.

In der Vorinstanz hatte das Landesarbeitsgericht die Klage der Arbeitnehmerin kurz und bündig unter Hinweis auf die einmal getroffene Entscheidung abgewiesen. Es sei dem Arbeitgeber nicht zuzumuten, seine Entscheidung wechselnden Wünschen der Arbeitnehmer anzupassen. Dies gelte insbesondere in Fällen wie diesen, wo er evtl. Ersatzkräfte eingestellt hat, betrieblich Umorganisationen veranlasst hat u.s.w.

Arbeitnehmer sind an Freistellung nicht gebunden

Wer a sagt muss auch b sagen … oder doch nicht?

Das BAG sah den Fall anders. Arbeitnehmer seien nicht daran gehindert, im Laufe der Elternzeit die Verringerung ihrer Arbeitszeit zu beantragen. Dies sei auch dann zulässig, wenn zunächst die völlige Freistellung von der vertraglichen Arbeit (Elternzeit) in Anspruch genommen und keine Verringerung der Arbeitszeit (Elternteilzeit) beantragt worden war.

Diesen Grundsatz schränkte das höchste deutsche Arbeitsgericht aber insoweit ein, als der Arbeitgeber den Wunsch nach Teilzeit dann verweigern kann, wenn dem dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.

Ein solcher Grund ist u.a. dann gegeben, wenn der Arbeitgeber für die Dauer der (ursprünglich mitgeteilten) Elternzeit eine Vollzeitvertretung eingestellt, die nicht bereit ist, ihre Arbeitszeit zu verringern, und andere vergleichbare Mitarbeiter ebenfalls nicht zu einer Verringerung ihrer Arbeitszeit bereit sind.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. April 2005

Konsequenzen für die Praxis

Zunächst einmal: Der Anspruch auf ElternTEILzeit besteht nur in Unternehmen mit „in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer“. Kleinere Unternehmen können also aufatmen. Aber Vorsicht: Hier zählen alle Mitarbeiter voll, unabhängig von ihrer wöchentlichen Arbeitszeit.Die betroffenen Arbeitgeber hingegen werden mit diesem Urteil ihre Müh’ und Not haben. Konnten diese bisher davon ausgehen, dass mit der einmal beantragten Freistellung in der Regel für drei Jahre Klarheit geschaffen ist, so müssen sie nun auch während der Elternzeit damit rechnen, mit Wünschen nach Teilzeitarbeit bedrängt zu werden. Es bleibt abzuwarten, welche weiteren dringenden Ablehnungsgründe die Rechtsprechung noch zulassen wird.

Was ist z.B., wenn der Arbeitgeber nur aufgrund der beantragten Elternzeit darauf verzichtet hat, einen anderen Mitarbeiter wegen der schlechten Wirtschaftlage zu entlassen?

Wie wird im Einzelfall bewiesen, dass die Ersatzkraft tatsächlich eine Ersatzkraft ist? Beispielsweise, wenn gleichzeitig im Betrieb umorganisiert wurde oder der Arbeitsvertrag der Ersatzkraft nicht befristet ist?

Die Unsicherheiten bei Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden wohl noch einige Zeit andauern.

Betroffene Arbeitgeber sollten sich im Vorfeld erkundigen, wie sie mit der Elternzeit umzugehen haben.

Arbeitnehmer ihrerseits sollten nicht zu sehr im Vertrauen auf dieses Urteil erst im Laufe der Elternzeit mit ihrem Wunsch nach Teilzeitarbeit herausrücken. Sie stellen ihren Arbeitgeber damit regelmäßig vor Probleme und lösen bei diesem nicht unbedingt Freude aus. Im Idealfall sollten die Beteiligten bereits während der Schwangerschaft klären, welche Vorstellungen sie haben. Arbeitnehmer sollten notfalls mitteilen, dass sie evtl. schon nach einem Jahr wieder in Teilzeit arbeiten möchten, sofern die Betreuungssituation und die persönlichen Umstände die zulassen.


Rechtsanwalt Luis Fernando Ureta
Kleines Feld 1 30966 Hemmingen, Han
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