Abgrenzung von Selbstständigen und Scheinselbstständigen (Arbeitnehmern) – Kriterien (Teil 4)

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Abgrenzungskatalog: Der nachfolgende Abgrenzungskatalog soll einen Überblick über die wichtigsten Abgrenzungsmerkmale zwischen selbstständigen Mitarbeitern und tatsächlichen Arbeitnehmern  bieten. Dabei muss stets die typologische Betrachtungsweise des Bundesarbeitsgerichts berücksichtigt werden. Das Gericht hält die Aufstellung abstrakter, für alle möglichen Arbeitsverhältnisse geltender Kriterien für unmöglich. Als Konsequenz sieht es das Gesamtbild unter Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falles als maßgeblich an. Daher empfiehlt es sich immer zunächst zu prüfen, ob es in der Rechtsprechung schon Entscheidung zu dem konkreten Arbeitsverhältnis gibt.

Neben den zunächst erläuterten zusammenfassenden Kriterien, gibt es auch einige für die Abgrenzung besonders relevante Einzelkriterien. Diese lassen sich im Prinzip den anderen Kriterien zuordnen, sollten aber wegen der besonderen Bedeutung entsprechende Beachtung finden und jeweils gesondert geprüft werden. Die Sortierung erfolgt nach der Stärke der Indizwirkung für ein Arbeitsverhältnis. Einige Punkte sind meiner Ansicht nach weniger beachtlich, werden aber immer wieder ins Feld geführt, so dass sie deswegen aufgenommen wurden.

Konkurrenzverbot: Die vertragliche Beschränkung der Möglichkeit, die Leistung auch Wettbewerbern anzubieten, ist ein Indiz für die Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft. Ein unternehmerischer Auftritt am Markt ist damit regelmäßig unmöglich. Umgekehrt besteht auch im Arbeitsverhältnis Konkurrenzschutz, weshalb das Merkmal häufig als Abgrenzungskriterium ausscheidet.

Dauer des Vertragsverhältnisses: Die Dauer des Vertragsverhältnisses kann Indizwirkung haben, genügt allein allerdings nicht. Selbst wenn ein Vertragsverhältnis zehn Jahre fortgeführt wird, folgt daraus noch nicht die Annahme eines Arbeitsverhältnisses (BAG, Urteil vom 19. Januar 2000 – 5 AZR 644/98 –, BAGE 93, 218-229, juris).

Zeitlicher Umfang der Tätigkeit: Auch dem zeitlichen Umfang kommt durchaus Indizwirkung zu. Das gilt besonders, wenn dieser regelmäßig gleich hoch ist. Allein ein bestimmter zeitlicher Tätigkeitsumfang macht einen Mitarbeiter aber nicht zum Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 19. Januar 2000 – 5 AZR 644/98 –, BAGE 93, 218-229, juris zu 42 Stunden in der Woche).

Pflicht zur Berichterstattung und Dokumentation: Alle Verpflichtungen aus diesem Bereich, die zwingend gesetzlich vorgeschrieben sind, taugen zur Abgrenzung eher nicht. Im Übrigen können solche Pflichten erhebliche Indizwirkung im Rahmen der Frage der Eingliederung des Mitarbeiters im Betrieb haben.

Gleichbleibende Höhe des Entgelts und Zahlungsrhythmus: Wird das Entgelt monatlich in der gleichen Höhe gezahlt, ist dies ein Indiz für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses.

Rechnungsstellung: Rechnungsstellung spricht tendenziell für einen freie Mitarbeiter, kann aber schlichtweg Folge der konsequent falschen Handhabung durch die Vertragsparteien sein. Die Indizwirkung ist gering. Ob eine Mehrwertsteuer ausgewiesen wird oder etwa wegen der Kleinunternehmerregelung nicht, ist nicht relevant.

Pflicht zur Arbeitsunfähigkeitsmeldung und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: Dies ist ein typisches Merkmal für einer Arbeitnehmereigenschaft, da das Entgeltfortzahlungsgesetz nur für Arbeitnehmer gilt. Da es aber den Vertragsparteien freisteht, solche Regelungen auch außerhalb gesetzlicher Zwänge anzuwenden bzw. zu vereinbaren, ist die Indizwirkung gering.

Urlaubsgewährung und Zahlung von Urlaubsentgelt: Hier gilt das gleiche wie bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Leserkommentare
von Karsten, der Fuhrmann am 13.10.2016 23:16:34# 1
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Bredereck, mit Spannung verfolge ich Ihre Ausführungen, auch aus Eigeninteresse und stelle jedoch fest, auch Sie (wie in einer Vielzahl von Sachvorträgen der DRV-Bund und regionaler Versicherungsträger) bezeichnen hinsichtlich einer Statusentscheidung zu bescheidende "Auftragnehmer" als (freie) "Mitarbeiter". Leider liest sich dann Ihre sehr informative Ausarbeitung für den Großteil derer die "betroffen" sind oder es in Unkenntnis der Sachlage in naher Zukunft im Rahmen einer Betriebsprüfung (§28p, SGB IV) sein könnten, nicht unbedingt schlüssig. Wer im Umgang mit Auftragnehmern diese als (freie) Mitarbeiter umgangssprachlich ansieht, wird in der Regel auch wenig Kenntnisse haben, wie umfangreich der "Erfindungsreichtum" in Prüfungsverfahren der DRV ist, wenn es gilt alltägliche und teils rechtlich notwendige Sachverhalte innnerhalb von gewerblichen Auftragserledigungen so darzustellen, das es zu einer abschlägigen Entscheidung und damit zur Versicherungspflicht des jeweiligen (bis dato selbständigen) Auftragnehmers in den Bereichen der Sozialversicherung kommt. Das Nachsehen hat in der Regel der Auftraggeber... und dieses aus der Erfahrung heraus zu mindestens 90% wegen fehlender Informationen im Vorfeld. Auch die oft hochgelobten Prüfungsverfahren, kurz nach Aufnahme einer Geschäftsverbindung, zur Klärung des Status einer solchen (§7a, SGB IV), laufen zunehmend in den letzten Jahren negativ und kostenintensiv für die Beteiligten (insbesondere natürlich die Auftraggeber) aus, so das es noch mehr derartige Beiträge wie die Ihren geben sollte. Nur halt... Mitarbeiter sollten in der Erläuterung nicht vorkommen...
    
von ATH am 14.10.2016 06:35:36# 2
Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist! Die Zusammenstellung oben empfinde ich als so schwammig wie die gesamte derzeitige Rechtslage zu dem Thema. Dabei gab es in der Vergangenheit sogar mal eindeutige Kriterien, die jedoch Schritt für Schritt und natürlich zugunsten der Sozialversicherungsträgern von den Sozialversicherungsträgern aufgeweicht worden sind.

Natürlich...dafür kann der RA Bredereck als Autor des vorstehenden Artikels wenig. Er möchte nur informieren und seine Dienste im Fall der Fälle anbieten. Das ist löblich und auch verständlich. Nur an dem eigentlichen Problem ändert das auch nichts. Ich denke wir kommen zunehmend an den Punkt, an dem wir solches "staatliches" Handeln grundsätzlich hinterfragen müssen. Grundsätzlich sollte gelten, wer fordert hat zu beweisen. Hier fordern die Sozialversicherungsträger. Also sollte es in deren Interesse liegen klare Regeln für ihr Handeln zu finden. Ist man dazu nicht in er Lage, sollte das gelten, was die Vertragspartner vereinbaren. Und wenn die sich in einem Auftragsverhältnis - und eben nicht als Arbeitgeber und Arbeitnehmer - sehen, dann sollte primär auch das erst einmal als Bestand angenommen werden. Alles andere ist staatliche Bevormundung... es steht dem Gesetzgeber darüber hinaus ja frei ansonsten eindeutige und klare gesetzliche Regelungen zu schaffen. Nur dann müssen die entsprechenden politischen Kräfte diese auch argumentieren und am Ende die Verantwortung dafür übernehmen. Derzeit ist das alles nur eine einzige Leute-Verdummung... und daran ändert auch die Beste juristische Unterstützung wenig.
    
von Karsten, der Fuhrmann am 14.10.2016 09:43:42# 3
@ATH... Die "entsprechenden politischen Kräfte"... gut gesagt... diese verstecken sich, mimen Unwissenheit oder verweisen auf Nicht-Zuständigkeit.

Die Erfahrung aus über hundert Einzelsachverhalten (Prüfungen), seit mehr als sieben Jahren "in Klärung" im Status-Verfahren oder anhängig bei diversen Sozial- und Landessozialgerichten zeigt deutlich, da weiß weder links was rechts tut, noch besteht Einigkeit im Vorgehen.

Wenn im Status-Verfahren nach §7a SGB IV wegen fehlender korrekter Ermittlung der DRV-Bund hinsichtlich der Rechtsform des zu bescheidenden Auftragnehmers eine "UG (haftungsbeschränkt)" als abhängig beschieden werden soll (Status: Anhörung), sich die Bearbeiter nicht einmal die Mühe machen den Sachvortrag der Antragstellerin zu lesen... verliert man den Glauben an alles.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die "Auslegungsmöglichkeit" der regionalen Versicherungsträger (Betriebsprüfdienste), denn diese können nach eigenem Gusto tatsächlich gleiche Tätigkeiten von Auftragnehmern unterschiedlich bescheiden (§28p, SGB IV, Betriebsprüfung) ...halt weil man in der einen "Region" (Mitteldeutschland) so entscheidet und in einer anderen "Region" (Hessen) eben so...

Die "Leute-Verdummung" fängt bereits bei der Überlassung einer gewerblichen Anmeldungs-Möglichkeit (GWA) an, denn trotz wohl vielfacher Kenntnis, dass das ein oder andere Gewerbe "grundsätzlich" als abhängige Beschäftigung zu bewerten ist, lässt man eine Anmeldung des Gewerbebetriebs zu um dann nachträglich im Wege einer "Betriebsprüfung" ordentlich "draufschlagen" (Säumniszuschläge) zu können.

Ja, es gab mal "fast" eindeutige Kriterien... doch damit war wohl offensichtlich das "Soll" der einzubringenden nachträglichen Beitragseinzüge nicht zu schaffen. Letztlich wurden diese sicher auch aufgeweicht, damit man die teils horrenden Gehälter der zahlreichen Mitarbeiter bezahlten kann...

Natürlich: ...alles im Sinne der Gemeinschaft der Versicherten!
    
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