Schuldunfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit

18. Januar 2018 Thema abonnieren
 Von 
legendofpeter
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)
Schuldunfähigkeit und verminderte Schuldfähigkeit

Hallo!

Ich hab eine Frage bezüglich Schuldunfähigkeit und verminderter Schuldfähigkeit, die sich im Rahmen meiner Vorbereitung auf das 2. Staatexamen (Medizinstudium) in Bezug auf z.B. Schizophrene entwickelt haben.

1) Nehmen wir an ein akut im Wahn befindlicher Schizophrener gelangt in einer Klinik an ein Messer oder Gabel, verletzt einen anderen Patienten und wird angezeigt. Er wird aufgrund einer festgestellten freigesprochen.

2) Jemand prügelt sich in seinem NICHT vorsätzlichen alkoholischen Rausch in einer Bar, daraufhin wird er angezeigt. Hier greift nun nicht die Schuldunfähigkeit, sondern die verminderte Schuldfähigkeit, d.h. es findet eine Verurteilung statt, die aber gemildert wird.

zu 1) Danach folgt z.B. der Maßregelvollzug. Gilt dieser dann als "Verurteilung"? Welche langfristigen Konsequenzen hat die befundene Schuldunfähigkeit? Nehmen wir an die Schzophrenie geht in Remission (ca. 1/3 aller Fälle) und spricht gut auf Neuroleptika an, wird dann der Status "schuldunfähig" aufgehoben oder gilt er immer nur für in einer Situation begangene Straftaten und muss sozusagen für jede weitere Straftat wieder befunden werden? Wie verhält es sich dann z.B. mit Bewerbungen, gilt der ehemalige Patient dann als nicht vorbestraft?

Stimmen meine getätigten Aussagen? Mich interessiert sozusagen die praktische Konsequenz für den Patienten, weniger aus rechtlicher Sicht (Paragraphen etc. sind für mich eher nachrangig relevant) sondern mehr die Implikationen für das einzelne Schicksal des Patienten.

Vielen Dank!

Lg
Peter

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7 Antworten
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#1
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9518x hilfreich)

zu 1.

Zitat:
Gilt dieser dann als "Verurteilung"?


Nein, er wurde ja freigesprochen.

Zitat:

wird dann der Status "schuldunfähig" aufgehoben oder gilt er immer nur für in einer Situation begangene Straftaten und muss sozusagen für jede weitere Straftat wieder befunden werden?


Es geht bei der Beurteilung immer um den Zeitpunkt der Tat, also ob er während der Tat schuldunfähig war, deswegen ist so oder so bei jeder neuen Tat eine neue Feststellung vorzunehmen.

Zitat:
Welche langfristigen Konsequenzen hat die befundene Schuldunfähigkeit?


Naja, zunächst mal die längerfristige Unterbringung in einer forensischen Klinik/forensischen Abteilung einer Psychiatrie nach § 63 StGB . Weiterhin einen Eintrag im Bundeszentralregister bis zum 90. Lebensjahr, sowie im behördlichen Führungszeugnis für mind. 5 Jahre (ist er länger als 5 Jahre untergebracht entfällt der Eintrag frühestens mit Erledigung der Maßregel)

Zitat:
Wie verhält es sich dann z.B. mit Bewerbungen, gilt der ehemalige Patient dann als nicht vorbestraft?


Das "einfache" Führungszeugnis enthielte keinen Eintrag. Für das behördliche und das BZR siehe 1 Absatz höher.

Zitat:
Stimmen meine getätigten Aussagen?


Welche?

Bei 1. fehlt ohnehin irgendwie ein Wort...

Zitat:
Er wird aufgrund einer festgestellten ??? freigesprochen.


Wenn bei ??? Schuldunfähigkeit stehen soll, stimmt es, ja.

Ob bei 2. verminderte Schuldfähigkeit zuerkannt wird, kommt auf den Einzelfall an. Primär auch auf den Grad der Alkoholisierung, also die BAK.

Weitere Fragen/Aussagen zu 2. kann ich nicht entdecken :)



-- Editiert von !!Streetworker!! am 18.01.2018 12:47

1x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
Araval
Status:
Schüler
(180 Beiträge, 44x hilfreich)

Hallo,

würde dann bei 2) § 323 a StGB (Vollrausch) greifen? Oder würde der nur drangehängt werden nach dem Motto wir haben dran gedacht aber die KV steht als Delikt vorne?

Araval


0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9518x hilfreich)

Drangehängt werden kann er nicht. Entweder wird wegen dem Delikt verurteilt oder wegen Vollrausch (oder freigesprochen) Beides geht nicht. Bei nur verminderter Schuldfähigkeit kommt eine Verurteilung wegen Vollrausch aber nicht in Frage. Dazu muss zumindest nicht ausschliessbar Schuldunfähigkeit vorliegen


-- Editiert von !!Streetworker!! am 18.01.2018 16:00

0x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
legendofpeter
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)

Sehr sehr vielen Dank für die detaillierte Auskunft!!!!! Ich entschuldige mich für das verschluckte Wort, ich meinte damit genau die Schuldunfähigkeit.
Verstehe! Es wäre also wenn nur das polizeiliche Führungszeugnis sauber. Das hat mir doch einen sehr guten Überblick gegeben, potentielle Fragen zur Schuldunfähigkeit im Examen können also jetzt gerne kommen.

LG
Peter

0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
wastl
Status:
Richter
(8350 Beiträge, 1493x hilfreich)

Nur kurz ergänzend zum Vollrausch:
Das ist keine Irgendwie-doch-noch-bestrafte-Schuldunfähigkeit.
Tathandlung beim Vollrausch ist, sich in den Rausch zu versetzen, in dem dann die Straftat(en) erfolgen. Der subjektive Tatbestand - Vorsatz oder Fahrlässigkeit - bezieht sich also nicht auf die im Rausch begangene Tat, sondern auf das Berauschen.

Zitat:
zu 1) Danach folgt z.B. der Maßregelvollzug. Gilt dieser dann als "Verurteilung"?

Das Gericht entscheidet durch Urteil. Es spricht frei, weil die Voraussetzungen des § 20 StGB vorliegen. Zugleich ordnet es aber, eben durch Urteil, die Unterbringung gem. § 63 StGB an.

Zitat:
2) Jemand prügelt sich in seinem NICHT vorsätzlichen alkoholischen Rausch in einer Bar, daraufhin wird er angezeigt. Hier greift nun nicht die Schuldunfähigkeit, sondern die verminderte Schuldfähigkeit, d.h. es findet eine Verurteilung statt, die aber gemildert wird.

Die Minderung ist nicht zwingend. Gem. § 21 StGB kann die Strafe gemildert werden.

0x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
Araval
Status:
Schüler
(180 Beiträge, 44x hilfreich)

Vielen Dank @ Wastl :)
Das ist einer dieser Tatbestände die eher selten vorkommen. Ich kann mich nicht erinnern, deswegen jemals eine Anzeige geschrieben zu haben. :pc:

Happy Weekend!

Araval

0x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
!!Streetworker!!
Status:
Unbeschreiblich
(30226 Beiträge, 9518x hilfreich)

Zitat (von Araval):
Ich kann mich nicht erinnern, deswegen jemals eine Anzeige geschrieben zu haben.


In welcher Eigenschaft? Polizist?

Das ist ja völlig normal, dass da die Anzeige wegen des eigentl. Delikts erstattet wird. Die Möglichkeit des Vollrausches käme ja frühestens im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens ins Spiel.

0x Hilfreiche Antwort

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