Verkehrsberuhigter Bereich - Unfall mit Kindern

17. November 2017 Thema abonnieren
 Von 
Surfkiwi
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)
Verkehrsberuhigter Bereich - Unfall mit Kindern

Hallo,
wir wohnen in einem Neubaugebiet, in dem die Straße als verkehrsberuhigter Bereich baulich angelegt ist. Noch ist die Straße nicht als solcher ausgewiesen, der Antrag zur Installation der entsprechenden Schilder soll aber bei der Gemeinde gestellt werden. Nun gibt es von einigen Anwohnern Widerstand, da sie fürchten, dass Unfälle mit Kindern in einem verkehrsberuhigten Bereich anders geahndet werden als in einer normalen Straße. Laut meinem Verständnis sind Kinder unter 10 Jahren doch deliktunfähig und somit immer schuldunfähig, unabhängig in welcher Straße ein Unfall passiert, oder? Es geht wohl auch um Schmerzensgeldforderungen, die dann wohl anders ausfallen, abhängig davon wo ein Unfall passiert.
Hat hier jemand Erfahrungen? Wir würden diesen Nachbarn gern den Wind aus den Segeln nehmen.
Vielen Dank vorab!

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10 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(120114 Beiträge, 39831x hilfreich)

Zitat (von Surfkiwi):
Nun gibt es von einigen Anwohnern Widerstand, da sie fürchten, dass Unfälle mit Kindern in einem verkehrsberuhigten Bereich anders geahndet werden als in einer normalen Straße.

Ja, im Prinzip haben sie nicht Unrecht.
Denn im einem verkehrsberuhigten Bereich werden durchaus erhöhte Anforderungen an die Sorgfalt eine Fahrzeugführers gestellt.



Zitat (von Surfkiwi):
Laut meinem Verständnis sind Kinder unter 10 Jahren doch deliktunfähig und somit immer schuldunfähig, unabhängig in welcher Straße ein Unfall passiert, oder?

Korrekt, die Deliktunfähigkeit steht in § 828 BGB . Ist aber zivilrecht und hat nichts mit "schuldunfähig" zu tun.



Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

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#2
 Von 
hh
Status:
Unbeschreiblich
(47618 Beiträge, 16830x hilfreich)

Zitat:
Nun gibt es von einigen Anwohnern Widerstand, da sie fürchten, dass Unfälle mit Kindern in einem verkehrsberuhigten Bereich anders geahndet werden als in einer normalen Straße.


In einem verkehrsberuhigten Bereich nur Schrittgeschwindigkeit fahren. Außerdem dürfen Fußgänger die Straße in der gesamten Breite benutzen und Kinderspiele sind auf der gesamten Straße erlaubt. Die Autofahrer müssen sich entsprechend verhalten.

Kinder bis zu 10 Jahren sind im Straßenverkehr zwar deliktunfähig, jedoch heißt das erst einmal nur, dass ein Autofahrer keine Schadenersatzansprüche gegen das Kind stellen kann. Ob das Kind Ansprüche gegen den Autofahrer stellen kann, ist dabei eine andere Frage. Letztlich muss auch in einer Tempo-30-Zone in einem Wohngebiet fast immer der Autofahrer haften, wenn es zu einem Unfall mit einem Kind kommt. Da gilt auch erst einmal der § 7 StVG . Ein Mitverschulden nach § 9 StVG scheidet bei Kindern unter 10 Jahren regelmäßig aus.

Eine Haftung des Autofahrers scheidet nach § 7 Abs. 2 StVG nur dann aus, wenn der Unfall für ihn unvermeidbar war. Da können sich bei der Beurteilung geringe Unterschiede in der Bewertung zwischen Tempo-30-Zone und verkehrsberuhigter Zone ergeben. Bei Unfällen mit Kindern unter 10 Jahren hat der Autofahrer daher (fast) immer ein Problem. Selbst auf einer außerörtlichen Bundesstraße, auf der Tempo 100 gilt, wird vom Autofahrer erwartet, dass er bei einem dicht am Fahrbahnrand spielenden Kind auf eine Geschwindigkeit von 10-20km/h herunterbremst, damit der Unfall für ihn als unabwendbar gilt, wenn das Kind dann unerwartet auf die Straße läuft.

Auf der anderen Seite müssen sich die Eltern kleiner Kinder darüber im Klaren sein, dass ihre Kinder in einer verkehrsberuhigten Zone auf der Straße spielen dürfen, in einer Tempo-30-Zone aber nicht. Wenn es sich nicht um eine verkehrsberuhigte Zone handelt, dann dürfen die Kinder unter anderem nicht
- auf der Fahrbahn laufen
- mit dem Kinderroller auf der Fahrbahn fahren
- mit dem Kinderfahrrad auf der Fahrbahn fahren
- keine anderen Spiele auf der Fahrbahn machen
Sollte die Straße nicht mit einem ausreichend breiten Bürgersteig auf beiden Seiten ausgerüstet sein, dann heißt das im Klartext, dass die Kinder das eigene Grundstück nicht ohne Begleitung der Eltern verlassen sollten. An der Stelle dieser Eltern würde ich daher vehement dafür plädieren, dass die Straße als verkehrsberuhigte Zone ausgewiesen sind. Die Forderung, eine Straße in einem neu errichteten Wohnbaugebiet nicht als verkehrsberuhigte Zone auszuweisen halte ich daher für rücksichtslos gegenüber den Kindern und ihren Eltern.

Das geringfügig erhöhte Haftungsrisiko steht zudem nach meiner Auffassung in keinem vernünftigen Verhältnis zu den Einschränkungen für die Kinder und die erhöhten Anforderungen die Aufsichtspflicht der Eltern.

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#3
 Von 
Surfkiwi
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)

Vielen Dank für diese schnelle und ausführliche Antwort, die ganz meiner Auffassung entspricht. Es gibt keinen Fußweg und keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Zum Glück fahren viele Anwohner sehr vorsichtig, da sie wissen, dass hier Kinder wohnen. Allerdings ist es für andere Autofahrer nicht zu erkennen und in meinen Augen grob fahrlässig, die Straße nicht entsprechend zu beschildern. Leider ist mit dem betroffenen Nachbarn nicht zu reden d.h. all diese Argumente zählen für ihn nicht. Wir werden wohl bei Beantragung einen Nachbarschaftsstreit heraufbeschören. Aber die Sicherheit unserer Kinder zählt mehr als andere.

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#4
 Von 
hh
Status:
Unbeschreiblich
(47618 Beiträge, 16830x hilfreich)

Zitat:
Wir werden wohl bei Beantragung einen Nachbarschaftsstreit heraufbeschören.


Da muss man nichts beantragen.

Es dürfte der Hinweis an die zuständige Kommune reichen, dass wohl offensichtlich das Aufstellen der Schilder vergessen wurde und dass das ggf. haftungsrechtliche Folgen für die Gemeinde haben kann, wenn es zu einem Unfall mit einem Kind kommt.

Wenn die Straße baulich als verkehrsberuhigte Zone erstellt wurde, dann verletzt die Gemeinde nach meiner Auffassung ihre Verkehrssicherungspflicht, wenn sie nicht entsprechend ausgeschildert wird.

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#5
 Von 
lesen-denken-handeln
Status:
Richter
(8512 Beiträge, 4061x hilfreich)

Hallo,

die Argumente die hh angebracht hat sind gut, sehr gut. Allerdings für BEIDE SEITEN!!! Denn die Argumente belegen auch genau das erhöte Risiko denen die Nachbarn ohne Kinder ausgesetzt werden.

Zitat:
- auf der Fahrbahn laufen
- mit dem Kinderroller auf der Fahrbahn fahren
- mit dem Kinderfahrrad auf der Fahrbahn fahren
- keine anderen Spiele auf der Fahrbahn machen
Die Gefahr die damit für korrekt abgestellte Autos der Nachbarn entsteht ist nicht von der Hand zu weisen! Nur mal so als Beispiel, das kleine Kind fährt mit seinem Kinderroller und streift das Fahrzeug des nachbarn welches korrekt abgestellt ist. Ende der Geschichte, Nachbar bleibt auf der Neulackierung seine Fahrzeugs sitzen, da die Eltern des Kindes in der Spielstrasse wohl nicht gegen ihre Aufsichtspflicht verstossen haben. In einer 30er Zone würde das anderst aussehen.

Zitat:
Das geringfügig erhöhte Haftungsrisiko steht zudem nach meiner Auffassung in keinem vernünftigen Verhältnis zu den Einschränkungen für die Kinder und die erhöhten Anforderungen die Aufsichtspflicht der Eltern.
Nicht nur das erhöte Haftungsrisiko, sondern auch das erhöte Risiko für eventuelle Schäden selber aufkommen zu mssen sollte man mitbedenken. Somit verschiebt sich das Ganze wenigst meiner Meinung nach doch unfair zu Lasten der Anderen.

Wie gesagt, beide Argumente sins Spitzen Argumente, aber für beide Seiten gleichermassen...

0x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
hh
Status:
Unbeschreiblich
(47618 Beiträge, 16830x hilfreich)

Zitat:
Nur mal so als Beispiel, das kleine Kind fährt mit seinem Kinderroller und streift das Fahrzeug des nachbarn welches korrekt abgestellt ist.


Die Gefahr ist doch in einer Tempo-30-Zone, bei der baulich zwingend ein Bürgersteig vorzusehen ist, viel größer, weil für das Kind viel weniger Platz da ist um Fahrfehler auszugleichen.

Zitat:
da die Eltern des Kindes in der Spielstrasse wohl nicht gegen ihre Aufsichtspflicht verstossen haben.


Auch das ist falsch. Eltern dürfen ihre Kinder nur dann mit einem Kinderroller unbeaufsichtigt fahren lassen, wenn es das Fahren mit dem Roller ausreichend beherrscht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Kind dann vom Bürgersteig aus gegen ein Fahrzeug stößt oder von der viel breiteren und sichereren verkehrsberuhigten Zone.

Außerdem erweckt das den Eindruck, dass derartige Unfälle in verkehrsberuhigten Zonen häufiger vorkommen als in Tempo-30-Zonen. Eine solche Behauptung ist durch nichts zu belegen. Zu beachten ist außerdem, dass bei einem Unfall mit einem parkenden Auto eine Altersgrenze von 7 Jahren für die Deliktfähigkeit gilt.

Im Übrigen würde ich Eltern sowieso empfehlen, ihre private Haftpflichtversicherung so zu erweitern, dass sie auch für deliktunfähige Kinder haftet. Das erspart in solchen Fällen erheblichen Ärger mit den Nachbarn.

0x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
Surfkiwi
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)

Die Gefahr die damit für korrekt abgestellte Autos der Nachbarn entsteht ist nicht von der Hand zu weisen! Nur mal so als Beispiel, das kleine Kind fährt mit seinem Kinderroller und streift das Fahrzeug des nachbarn welches korrekt abgestellt ist. Ende der Geschichte, Nachbar bleibt auf der Neulackierung seine Fahrzeugs sitzen, da die Eltern des Kindes in der Spielstrasse wohl nicht gegen ihre Aufsichtspflicht verstossen haben. In einer 30er Zone würde das anderst aussehen.

Dazu kann ich persönlich nur sagen, dass ich in einem solchen Fall meine private Haftpflichtversicherung nutzen würde. Und darauf legt es hier ja auch keiner an. Es geht darum, dass Unfälle mit Kindern vermieden werden sollen.

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#8
 Von 
drkabo
Status:
Weiser
(16512 Beiträge, 9303x hilfreich)

Wenn man die Stadt vor die Wahl stellt, entweder teuer baulich getrennte Bürgersteige nachträglich zu erstellen, oder eine Verkehrsberuhigte Zone auszuweisen - wofür wird sie sich wohl entscheiden?
Wobei die Aussicht, sich als Anlieger an den Herstellungskosten für Bürgersteige beteiligen zu müssen, möglicherweise den Gegnern der Verkehrsberhigten Zone den Wind aus den Segeln nimmt.

Signatur:

Für alle meine Beiträge gilt §675(2) BGB.

0x Hilfreiche Antwort

#9
 Von 
Surfkiwi
Status:
Frischling
(5 Beiträge, 0x hilfreich)

Danke für all eure Beiträge!

Wo steht denn das in 30er Zonen Bürgersteige vorhanden sein müssen? Dazu finde ich leider nichts im Netz. Das wäre ja noch einmal ein wichtiges und gutes Argument für die Kennzeichnung als verkehrsberuhigten Bereich. Nachträglich Bürgersteige zu bauen ist wohl in niemandens Interesse.

Danke!

0x Hilfreiche Antwort

#10
 Von 
hh
Status:
Unbeschreiblich
(47618 Beiträge, 16830x hilfreich)

Zitat:
Wo steht denn das in 30er Zonen Bürgersteige vorhanden sein müssen?


Das findet man in der Richtlinie für die Anlage von Stadtstraßen (RASt). Das ist zwar kein Gesetz im eigentlichen Sinne, sondern eher wie eine DIN-Norm zu sehen. Wenn jedoch bei der Planung von Neubaugebieten dagegen verstoßen wird, dann gilt das als Planungsfehler (=Mangel) mit entsprechenden rechtlichen Folgen.

Die Mindestbreite für so einen Gehweg beträgt übrigens 2,50m, gleichzeitig ist eine Fahrbahnbreite von 5m vorgesehen. In Neubaugebieten, die planerisch auf eine verkehrsberuhigte Zone ausgelegt sind, ist häufig gar nicht ausreichend Platz um die erforderlich Straßenbreite von insgesamt 10m zu realisieren.

Über die Beschädigung geparkter Autos muss man sich dann übrigens auch keine Gedanken machen, da das Parken in so einer Straße aufgrund der dann verbleibenden Restdurchfahrtsbreite nicht zulässig wäre.

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