Geblitzt – ist der Führerschein nun weg?

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Blitzermarathon, Starenkästen, Radarfallen – Geschwindigkeitsüberwachungen sind im Straßenverkehr an der Tagesordnung. Schnell ist es passiert und man wurde geblitzt. Droht ein Fahrverbot?

123recht.de hat bei Rechtsanwalt Frank Preidel aus Hannover nachgefragt, wo geblitzt werden darf, ob und wann ein Fahrverbot droht und wie man sich richtig verhält.

123recht.de: Herr Preidel, wer mit dem Auto unterwegs ist, stößt immer wieder auf Geschwindigkeitskontrollen. Wo darf denn überhaupt geblitzt werden? Muss ein Abstand nach der Geschwindigkeitsbegrenzung eingehalten werden?

Mindestabstand zwischen Verkehrsschild und Messgerät

Rechtsanwalt Preidel: Grundsätzlich darf an Unfallschwerpunkten, gefahrenträchtigen Stellen wie Baustellen, Schulen, Kindergärten und an Altersheimen geblitzt werden. Wenn Messungen bei der Einfahrt in Ortschaften durchgeführt werden, muss ein Abstand von mindestens 200 Metern zum Ortsschild gewahrt werden. Zu allen anderen Verkehrsschildern in Niedersachsen müssen 150 Meter Abstand gewahrt werden.

123recht.de: Was ist, wenn der Abstand von 150 bzw. 200 Meter nicht eingehalten wurde? Ist die komplette Radarmessung dann unwirksam?

Rechtsanwalt Preidel: Nein, grundsätzlich ist die Radarmessung wirksam. Wenn der Mindestabstand zwischen Blitzer und Verkehrszeichen nicht eingehalten wurde, kann dies allerdings je nach Sachlage zum Wegfall des Fahrverbots führen. In Ausnahmefällen kann es sogar zur Einstellung des Bußgeldverfahrens kommen. Im Falle der Einstellung des Bußgeldverfahrens entfallen Bußgeld, Fahrverbot und Punkte im Verkehrszentralregister.

Eine Einstellung des Bußgeldverfahrens kann aber nur erfolgen, wenn es für die Unterschreitung des Mindestabstands zwischen Blitzer und Verkehrsschild keinen sachlichen Grund gibt. Ein sachlicher Grund liegt beispielsweise vor, wenn an Gefahrenstellen wie Kindergärten, Schulen oder Ortseingängen geblitzt wird.

123recht.de: Geblitzt zu werden ist ärgerlich, aber brisanter ist ja, wenn man den Führerschein für eine Zeit abgeben muss. Ab welcher Geschwindigkeitsüberschreitung ist der Führerschein denn weg?

Rechtsanwalt Preidel: Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ist immer zu unterscheiden, ob diese innerhalb oder außerhalb geschlossener Ortschaften begangen werden. Innerorts werden ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 31 bis 40 km/h ein Monat Fahrverbot, 160€ Geldbuße und 3 Punkte angesetzt. Außerorts gibt es ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 41 bis 50 km/h ein Monat Fahrverbot, 160€ Geldbuße und 3 Punkte.

Je höher die Geschwindigkeitsüberschreitung, desto höher die zu erwartende Strafe. Im Ort werden ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von über 70km/h ein Fahrverbot von drei Monaten, eine Geldbuße von 680€ und 4 Punkte verhängt.

Wer außerorts über 70km/h schneller als erlaubt fährt, bekommt ein Fahrverbot von drei Monaten, eine Geldbuße von 600€ und 4 Punkte.

123recht.de: Können regelmäßige oder mehrere Verstöße hintereinander addiert werden und zum Führerscheinverlust führen?

Bei mehreren Verstößen in einem Jahr droht Führerscheinabgabe

Rechtsanwalt Preidel: Ja. Mehrere Geschwindigkeitsübertretungen innerhalb eines Jahres, die jede für sich keine Folgen für den Führerschein hätten, können zur Abgabe des Führerscheins führen. Dies ist der Fall, wenn die letzte Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h weniger als ein Jahr zurück liegt. Begehen Sie nun eine erneute Geschwindigkeitsüberschreitung von 26 km/h oder mehrere Verstöße einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h, so kann daraus der Führerscheinverlust resultieren.

Nach zwei Jahren werden die Punkte in Flensburg, die aus Ordnungswidrigkeiten entstanden sind, aus dem Verkehrszentralregister gelöscht. Grundsätzlich dürfen nicht mehr als 18 Punkte in Flensburg bestehen - dann wird die Fahrerlaubnis entzogen.

123recht.de: Besteht denn irgendwie eine Möglichkeit, um ein Fahrverbot herum zu kommen? Vielleicht durch ein höheres Bußgeld?

Rechtsanwalt Preidel: Es besteht die Möglichkeit, einen Führerscheinentzug zu verhindern. Dies ist allerdings an strenge Voraussetzungen gebunden. Der Betroffene muss zunächst glaubhaft darlegen, dass das verhängte Fahrverbot eine unzumutbare Härte bedeuten würde (sog. Härteklausel). Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn der Führerscheinverlust zu einer Existenzgefährdung führen könnte (z.B. Verlust des Arbeitsplatzes). Sind die strengen Voraussetzungen gegeben, kann dies im Einzelfall dazu führen, dass auf die Entziehung der Fahrerlaubnis verzichtet wird, wenn im Gegenzug ein höheres Bußgeld gezahlt wird.

123recht.de: Kann ich mir aussuchen, wann ich den Führerschein abgebe?

Frist von 4 Monaten zur Abgabe des Führerscheins

Rechtsanwalt Preidel: Der Bußgeldbescheid wird 14 Tage nach Erhalt rechtskräftig. Innerhalb dieser 14 Tage kann Einspruch eingelegt werden. Ist dies nicht der Fall, so erlangt der Bußgeldbescheid seine Rechtskraft. Sofern innerhalb der letzten zwei Jahre kein Verstoß begangen wurde und somit auch nichts im Verkehrszentralregister eingetragen ist, wird eine Frist von 4 Monaten nach Rechtskräftigkeit des Bußgeldbescheids eingeräumt. Innerhalb dieser 4 Monate ist es möglich den Führerschein bei der zuständigen Behörde abzugeben. Ist diese 4 Monatsfrist nicht eingeräumt, so muss der Führerschein unverzüglich abgegeben werden.

123recht.de: Wie läuft so ein Fahrverbot praktisch ab? Wo muss ich hin, um den Führerschein abzugeben, wie bekomme ich ihn wieder?

Rechtsanwalt Preidel: Grundsätzlich muss der Führerschein während des Entzugs in amtlicher Verwahrung sein. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um den Führerschein abzugeben. Die erste Möglichkeit ist, den Führerschein bei der zuständigen Bußgeldstelle abzugeben. Man kann den Führerschein aber auch postalisch, beispielsweise per Einschreiben, an die zuständige Behörde versenden. Zwar besagt das Gesetz, dass der Führerschein auch an andere Behörden abgegeben werden kann, damit die Verbotsfrist zu laufen beginnt, jedoch soll sich daraus keine Verpflichtung der Behörde ergeben, den Führerschein in Verwahrung zu nehmen.

Der Führerschein wird nach Ablauf des Fahrverbots per Post an den Betroffenen zurück gesandt. Dies geschieht meist am letzten Tag der Verbotsfrist. Eine Ausnahme tritt ein, wenn der Betroffene vorher eine Erklärung abgegeben hat, dass dieser seinen Führerschein persönlich abholen werde.

123recht.de: Wie verhalte ich mich am besten, wenn ich geblitzt wurde?

Art der Lasermessung und Dauer einer Gelbphase können für Verteidigung relevant sein

Rechtsanwalt Preidel: Man sollte nicht versuchen, die Angelegenheit alleine zu klären. Möglicherweise kann man sich mit unbedachten Äußerungen schon viele Chancen für ein späteres Verfahren verbauen. Es ist zunächst einmal Zurückhaltung geboten. Sodann sollte man einen Anwalt beauftragen und diesen damit betrauen, Akteneinsicht zu beantragen. So kann sich der Anwalt ein Bild darüber machen, welche Beweise der zuständigen Behörde tatsächlich vorliegen und so eine Strategie entwickeln. Nach einer Überprüfung durch den Anwalt kann sich beispielsweise ergeben, dass die Polizei die Lasermessung nicht richtig durchgeführt hat oder die Gelbphase der Verkehrsampel zu kurz programmiert gewesen ist. Der Gang zum Anwalt lohnt sich in jedem Fall.

123recht.de: Vielen Dank!

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