§315c StGB - Rücksichtslosigkeit entkräften

6. April 2009 Thema abonnieren
 Von 
mikeal
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 0x hilfreich)
§315c StGB - Rücksichtslosigkeit entkräften

Hallo,

Ich habe wohl durch falsches Überholen einen Unfall inkl. Schaden am überholten Auto verursacht, den ich nicht wahrgenommen habe, es geht auch nicht um Unfallflucht. An die Situation habe ich keine konkrete Erinnerung. Die Angaben der Zeugin sind als glaubwürdig einzustufen.
Prinzipiell verzichte ich auf riskante Fahrweise und bringe weder mich noch andere aus eigennützigen Motiven in Gefahr. Deswegen kann es sich imo nur um ein Versehen / eine falsche Wahrnehmung der Fahrspuren und ein daraus resultierendes zu frühes Einscheren mit Unfallfolge gehandelt haben.

In der Hauptverhandlung wurde der Strafbefehl bestätigt, die Tatbestände grob verkehrswidrig und rücksichtslos wurden nicht detailliert thematisiert (es ging im Wesentlichen um meine Täterschaft), auch von meinem Anwalt nicht, ich bin erst heute darauf gestoßen, hatte mich zunächst darauf konzentriert, ob ich es überhaupt gewesen sein kann.

Die §315c - relevanten Tatbestände im Strafbefehl:
überholt im Interesse des schnelleren Fortkommens (laut der Wahrnehmung der Zeugin im Außenspiegel bin ich 1km vor dem Unfall dicht aufgefahren, eilig hatte ich es aber nachweislich nicht)
nicht absehbar, dass Überholvorgang ohne Gefährdung anderer beendet werden konnte
aufgrund Gegenverkehrs (15 Meter entfernt!!!) zu dicht vor Zeugin eingeschert (in der Verhandlung stellte sich heraus, dass ich mich zwischen Gegenverkehr und Geschädigter auf meiner Linksabbiegespur befunden haben muss, das wurde von Richter und Staatsanwalt gar nicht mehr berücksichtigt, als klar war, dass ich der Unfallverursacher sein muss)

Mein Laienverstand sagt mir, dass der Tatbestand der Rücksichtslosigkeit mindestens diskussionswürdig ist, aber das heißt ja nichts.

Fragen:
Ist Überholen auf einer Linksabbiegespur ohne Gefährdung von Gegenverkehr zwingend GROB verkehrswidrig?
Was ist geeigneter, die Straftat in eine Ordnungswidrigkeit umzuwandeln?
Mittels Berufung (noch ist Zeit) oder mittels Wiederaufnahmeverfahren ("Auftreten neuer Tatsachen" in der Verhandlung sehe ich als Laie als gegeben an (§359, Abs.5 STPO)?

Besten Dank für potentielle Antworten

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4 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
CvD
Status:
Praktikant
(951 Beiträge, 352x hilfreich)

> Ist Überholen auf einer Linksabbiegespur ohne Gefährdung von Gegenverkehr zwingend GROB verkehrswidrig?

IMO ja. Erst recht, wenn Gegenverkehr vorlag, der hätte ja auch noch seine Abbiegespur benutzen können (wenn es die gab), dann wäre es zu einem Frontalcrash gekommen.

> 15 Meter entfernt

Das ist verdammt nah - 3 Wagenlängen bei Tempo 50+ von dir und Tempo 50+ vom Gegenverkehr? Das ist maximal 1/2 Sekunde!

> ("Auftreten neuer Tatsachen" in der Verhandlung sehe ich als Laie als gegeben an

Welche "neuen Beweise oder Tatsachen" sollen denn aufgetreten sein, die ein Urteil anders ausfallen lassen würden? Eine neue Argumentationsschiene ist dafür nicht ausreichend.

Und bzgl. Berufung solltest du mal deinen Anwalt wegen der Erfolgsaussichten fragen.

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#2
 Von 
mikeal
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 0x hilfreich)

>>IMO ja. Erst recht, wenn Gegenverkehr vorlag, der hätte ja auch noch seine Abbiegespur benutzen können (wenn es die gab), dann wäre es zu einem Frontalcrash gekommen.

Wäre prinzipiell möglich, es folgt auf meine Abbiegespur eine entgegenkommende, diese wurde aber nicht benutzt, sonst hätte es Zeugen gegeben.

Ich kann mir nur vorstellen, dass ich die sich öffnende Abbiegespur, auf der ich überholen wollte, mit einer neu entstandenen zweiten Spur verwechselt habe, da es auf der Landstraße zuvor auch schon Abschnitte mit zwei Spuren in meine Richtung gibt. Und als ich den Irrtum bemerkt hab, hab ich vermutlich den Überholvorgang etwas zu früh abgebrochen.
Für mich persönlich erfüllt das nicht den Tatbestand der Rücksichtslosigkeit, da ich nicht unter Zeitdruck und mir der Eigennutz nicht gegeben scheint, sonst dürfte man ja außer Traktoren und Radlern überhaupt niemanden überholen, ein schnelleres Fortkommen springt ja beim Überholen stets bei heraus.


>>Welche "neuen Beweise oder Tatsachen" sollen denn aufgetreten sein

Im Strafbefehl steht, dass ich konkret aufgrund von Gegenverkehr nach rechts ausgewichen bin, der mir aber gemäß Verhandlung nicht direkt entgegengekommen sein kann. Aber wenn das nicht für eine "neue Tatsache" reicht, dann bleibt ohnehin nur Berufung


>>Und bzgl. Berufung solltest du mal deinen Anwalt wegen der Erfolgsaussichten fragen.

Was will ich denn noch mit nem Anwalt, der folgendes Zitat aus dem Aufsatz eines Amtsrichters in keiner Weise berücksichtigt:
Da aber die Gesinnungslage des Täters nach h.M. der entscheidende Ansatzpunkt bei der Beurteilung der Rücksichtslosigkeit ist, ist im Rahmen der
Verteidigung darauf zu achten, ob aus dem Verkehrsvorgang resultierende
Gesichtspunkte zu finden sind, die das Fehlverhalten des Angeklagten ggf.
erklären können.

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
CvD
Status:
Praktikant
(951 Beiträge, 352x hilfreich)

> es folgt auf meine Abbiegespur eine entgegenkommende, diese wurde aber nicht benutzt

Aber sie hätte benutzt werden können, folglich relativiert das nicht den Vorwurf der Rücksichtslosigkeit.

Du scheinst irgendwie der Meinung zu sein, "rücksichtsloses Fahren" setze zwingend eine tatsächliche Gefährdung voraus. Wenn dem so wäre, könnte ich also auch falsch herum auf der leeren Autobahn fahren, weil ich ja niemanden gefährde, wenn keiner da ist - oder wie?

> dass ich die sich öffnende Abbiegespur, auf der ich überholen wollte, mit einer neu entstandenen zweiten Spur verwechselt habe

Man würde dir vermutlich nicht glauben, daß du eine Abbiegespur nicht als solche erkennst - oder wenn man es dir glaubt, würde man vermutlich eine MPU anordnen, weil du mit einer solchen Erkennungsschwäche sicherlich eine weiterhin konkrete Gefahr für den Straßenverkehr wärst.

> Im Strafbefehl steht, dass ich konkret aufgrund von Gegenverkehr nach rechts ausgewichen bin, der mir aber gemäß Verhandlung nicht direkt entgegengekommen sein kann.

Wenn bereits das "Schneiden" des Überholten für rücksichtsloses Verhalten ausreicht, ist letztlich egal, warum du ihn geschnitten hast - selbst wenn gar kein Gegenverkehr da gewesen wäre.

> Was will ich denn noch mit nem Anwalt

Ohne ihn in Berufung trotz Anwaltszwang wird jedenfalls nicht funktionieren.

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#4
 Von 
mikeal
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 0x hilfreich)

>>Du scheinst irgendwie der Meinung zu sein, "rücksichtsloses Fahren" setze zwingend eine tatsächliche Gefährdung voraus.

Dieser Meinung bin ich selbstverständlich nicht, ich reg mich selber über Fahrer auf, die Kolonnen überholen oder vor Kurven/Kuppen.
Aber eine tatsächliche Gefährdung bei Verkehrswidrigkeit muss nicht zwingend rücksichtslos sein

>>Man würde dir vermutlich nicht glauben, daß du eine Abbiegespur nicht als solche erkennst

also rein theoretisch lass ich lieber meine "Erkennungsschwäche" testen, als mir eine nicht vorhandene gemeingefährliche Gesinnung (darum gehts ja bei §315c) und ein Desinteresse am Wohl anderer nachsagen zu lassen
ob der Führerschein 8 Monate oder nur 1 Monat weg ist, darum gehts mir gar nicht, ich brauch ihn momentan gar nicht


>>Wenn bereits das "Schneiden" des Überholten für rücksichtsloses Verhalten ausreicht

vermutlich ist das genau das Problem, dass es so unterschiedlich Auslegungen gibt. ich hab halt diesen Aufsatz entdeckt, und der ist nicht von nem Verkehrsanwalt, sondern von nem Amtsrichter
http://www.strassenverkehrsrecht-online.de/SVR/hefte/Aufsatz_05_01.pdf

Ganz wichtig ist wohl die Einzelfall-Abwägung, und die fand nicht statt


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