Ablauf Strafprozess

30. Januar 2016 Thema abonnieren
 Von 
tnoymontaner
Status:
Frischling
(36 Beiträge, 10x hilfreich)
Ablauf Strafprozess

Hallo, ich habe einige konkrete Fragen zum Ablauf des Strafprozesses, bei denen mir eine Google-Suche bislang leider nicht weiterhelfen konnte.

Ich bin Zeuge und Geschädigter in einem Verfahren. Ich habe die Tat zur Anzeige gebracht und den Strafantrag gestellt. Demnächst findet die Hauptverhandlung statt, bei der ich als Zeuge geladen bin. Ich habe bereits herausgefunden, dass ein Zeuge nach seiner Aussage den Saal ersteinmal verlassen muss. Hierzu möchte ich wissen, ob ich bei der Urteilsverkündung anwesend sein kann. Wie lange dauert es in der Regel nach allen Zeugenaussagen, bis das Urteil verkündet wird? Gibt es im Amtsgericht einen Wartebereich, oder wie überbrückt man die Zeit? Außerdem ist mir zu Ohren gekommen, dass ein Prozess über mehrere Sitzungen dauern kann. Wie erfährt man als Zeuge, ob das Urteil am selben Tag verkündet wird, oder nicht?

-- Editier von tnoymontaner am 30.01.2016 21:26

-- Editier von tnoymontaner am 30.01.2016 21:27

-- Editier von tnoymontaner am 30.01.2016 21:29

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13 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38437 Beiträge, 14002x hilfreich)

Da hast Du was missverstanden. Der Zeuge wird am Anfang aufgerufen, es wird sozusagen geguckt, ob alle da sind. Danach muss der Zeuge den Saal verlassen. Wir dann wieder reingerufen, wenn seine Aussage "dran" ist. Und danach darf er natürlich drinnen bleiben. Vorher wird er ja nur rausgeschickt, damit er seine Aussage nicht der des Angeklagten und anderer Zeugen anpasst.Daraus folgt, dass er auch bei der Urteilsverkündung drinnen sein kann. Ausnahme sind die Verfahren, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

wirdwerden

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#2
 Von 
tnoymontaner
Status:
Frischling
(36 Beiträge, 10x hilfreich)

Zitat (von wirdwerden):
Da hast Du was missverstanden. Der Zeuge wird am Anfang aufgerufen, es wird sozusagen geguckt, ob alle da sind. Danach muss der Zeuge den Saal verlassen. Wir dann wieder reingerufen, wenn seine Aussage "dran" ist. Und danach darf er natürlich drinnen bleiben. Vorher wird er ja nur rausgeschickt, damit er seine Aussage nicht der des Angeklagten und anderer Zeugen anpasst.Daraus folgt, dass er auch bei der Urteilsverkündung drinnen sein kann. Ausnahme sind die Verfahren, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.
wirdwerden


Das macht natürlich Sinn. Danke dir. Eine Nachfrage habe ich noch: Wie ist das mit der Sitzordnung? Wird dem Zeugen nach seiner Aussage vom Vorsitzenden gesagt, wo er Platz nehmen darf, wenn er bleiben möchte?

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#3
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38437 Beiträge, 14002x hilfreich)

Na ja, ich geb mal ne kleine Nachhilfe in Sitzordnung. Vorne, meist etwas erhöht, sitzt das Gericht. Vom Amtsgericht ausgehend sitzen da entweder der Berufsrichter allein oder aber der Berufsrichter gemeinsam mit zwei Laienrichtern (Schöffen). An der einen Längsseite (der mit dem Fenster) sitzt der Staatsanwalt, eventuell die Jugendgerichtshilfe und der Gutachter. Der Staatsanwalt sitzt also mit dem Rücken zum Fenster. Dem Staatsanwalt gegenüber sitzen dann an der anderen Längsseite des Raumes der Angeklagte und sein Verteidiger, evtl. ein Übersetzer. Warum der Staatsanwalt auf der Fensterseite? Ganz einfach, er soll nicht in die Sonne blinzeln müssen, und deshalb möglicherweise die Mimik des Angeklagten nicht beobachten können. Ist so eine Uraltregel, an die sich wohl immer noch gehalten wird.

Dem Gericht gegenüber im Gerichtssaal ist dann ein kleiner Tisch aufgebaut, dahinter ein oder mehrere Stühle. Das ist der Zeugenplatz. Dahinter ist dann eine Stuhlreihe aufgebaut, auf der "erledigte" Zeugen, Gutachter oder sonstige Betreiligte Platz nehmen können. Dahinter in dann eine stuhlhohe Barriere aufgebaut, mit Klapptür drinnen. Und dahinter dann noch mehrere Stuhlreihen für Interessierte. Denn, Gerichtsverhandlungen sind normalerweise ja öffentlich. Die Barriere ist da, damit Unbeteiligte nicht plötzlich den vorderen Bereich stürmen können, um Einfluß auf die Gerichtsverhandlung zu nehmen, oder, noch schlimmer, um einen Gefangenen zu befreien. Deshalb haben diese Gerichtsssäle auch immer zwei Türen zum Flur, eine vordere für die Prozessbetreiligten, eine hintere für die Zuschauer.

In sehr kleinen Gerichtssälen, wo dann aber nur wirklich Mini-Verfahren verhandelt werden, kann das ganze natürlich auch ohne Barriere und zusammengerückt stattfinden. An der Tür zum offiziellen Teil des Gerichtssaals befindet sich draussen dann auch die sog. Rolle. Aus der ergibt sich, was wann verhandelt wird. Die andere Tür in den Gerichtssaal ohne Rolle führt in den Zuschauerteil. Also, an der Haupttür warten. Falls Du zu spät kommst (was wir nicht hoffen wollen) einfach reingehen und dem Gericht zu erkennen geben, wer Du bist und dass Du jetzt da bist.

So, ich hoffe, ich hab alles beantwortet? Nicht mehr unsicher?

wirdwerden

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#4
 Von 
drkabo
Status:
Weiser
(16510 Beiträge, 9299x hilfreich)

noch etwas konkreter:

Zitat:
Wird dem Zeugen nach seiner Aussage vom Vorsitzenden gesagt, wo er Platz nehmen darf, wenn er bleiben möchte?

Nein. Der Richter sagt einem im Regelfall nicht, wo man nach der Aussage sitzen soll. Nach der Zeugenaussage setzt man sich einfach in den Zuschauerraum (also zu den anderen Zuschauen, die nicht Zeuge waren). Eine extra Stuhlreihe für "erledigte Zeugen" gibt es wirklich nur bei größeren Gerichten, und auch da nur in den größeren Sälen.

Ansonsten:
Nach der eigenen Aussage fragt der Richter meist noch, ob man Auslagen hatte oder sonst noch eine Unterschrift auf der Ladung benötigt. Wenn man nämlich seine Fahrtkosten und/oder Verdienstausfall während der Gerichtsverhandlung erstattet haben möchte, dann muss der Richter auf der Ladung unterschrieben, dass man tatsächlich bei der Verhandlung anwesend war (mit Uhrzeiten). Deshalb bringt man auch das Original der Ladung zur Verhandlung mit und geht nach der Aussage auf dem Weg vom Zeugenplatz zum Zuschauerraum am Richtertisch vorbei und holt sich die Unterschrift ab.

Signatur:

Für alle meine Beiträge gilt §675(2) BGB.

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#5
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38437 Beiträge, 14002x hilfreich)

Wobei man diese Formulare auch später ausfüllen kann und das ganze postalisch erledigen kann.

wirdwerden

1x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
drkabo
Status:
Weiser
(16510 Beiträge, 9299x hilfreich)

Zitat:
Wobei man diese Formulare auch später ausfüllen kann und das ganze postalisch erledigen kann.

Die Formulare kann man später ausfüllen.
Die Unterschrift vom Richter auf der Ladung, dass man tatsächlich da war, muss man sich aber (zumindest in meinem Bundesland) während der Verhandlung holen. Hier haben die Ladungen auf der zweiten Seite extra ein Unterschiftsfeld dafür vorgedruckt.

Signatur:

Für alle meine Beiträge gilt §675(2) BGB.

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#7
 Von 
HAU26HAU
Status:
Frischling
(1 Beiträge, 1x hilfreich)

1a) Vor dem Zeugensitz steht ein Tisch, der keine Funktion hat. Er ist ein Symbol, dass die Wahrheit "auf den Tisch kommt".
1b) Schöffen sind in der Praxis lediglich ein Symbol für die Volksbeteiligung an der Strafjustiz.
2) "Zuschauer" sind auch Zuhörer und damit die wichtige "Öffentlichkeit", z.B. Medienvertreter als Berufsöffentlichkeit.
3)"Gefangene" werden nur im Krieg gemacht, der Angeklagte kann "(U-)Häftling" sein.
4) "Rolle" = Aushang am Verhandlungssaal. Woher stammt der Begriff "Rolle"?

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#8
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38437 Beiträge, 14002x hilfreich)

Was ist denn das nun wieder?

Der Zeugentisch macht schon Sinn. Etwa für Unterlagen. Die ja oft auch Zeugen mitbringen. Auch, um seine Arme abstützen zu können und eine Sitzhaltung zu haben, die keine Qualhaltung ist. Das ist nämlich oft bei Sitzgelegenheiten der Fall, bei denen man sich nicht vorne abstützen kann.

Die Schöffen sind kein Symbol, sondern stimmberechtigt, gleichberechtigt dem Berufsrichter. Es kommt durchaus vor, dass der Berufsrichter wichtige Anregungen bekommt, und diese dann letztlich in die Entscheidung einfliessen.

Wer immer Zuhörer ist, das ist ganz verschieden. Jedenfalls kann jeder, wirklich jeder zuhören. Wenn es nicht getan wird, dann ist das eine andere Sache.

Der Begriff "Rolle" stammt aus alten Zeiten, hat sich aber so eingebürgert. Früher war der Anschlag vor dem Gerichtssaal eine lange Rolle (vergleichbar der Thora, nur um 90% gedreht). In die wurden die Termine eingetragen, angefangen um 8.00 Uhr (bitte lege mich nicht auf diesen Anfangstermin fest, war nur ein Beispiel). Diese Rolle wurde dann weiter nach unten ausgerollt, weitere Termine für den Tag wurden eingetragen, Verschiebungen, andere Gerichtssäle. Dadurch konnte man das ganze übersichtlich auf einem Dokument gestalten, immer was streichen, was hinzufügen. Aber, es war eben eine Rolle. Aufgerollt war ganz viel Papier, was dann bei Bedarf nach unten aufgerollt wurde.

wirdwerden

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#9
 Von 
TheSilence
Status:
Lehrling
(1650 Beiträge, 1044x hilfreich)

Deswegen gibt es auch noch Begriffe wie "Handelsrolle".

0x Hilfreiche Antwort

#10
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38437 Beiträge, 14002x hilfreich)

Mir erzählte mal ein uralter Richter, er ist schon seit über 30 Jahren tot, dass der Gerichtsdiener (so hiess der Wachtmeister da wohl früher) nach jedem Termin die Rolle oben einrollte, so dass der erledigte Termin nicht mehr nachzulesen war, dadurch rutschte dann unten von der Rolle automatisch die nächste Notiz/Ankündigung ein Stück nach oben. Man wusste also immer genau, was gerade dran war. Gar nicht so blöd, das System, oder?

wirdwerden

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#11
 Von 
MisterRight123
Status:
Beginner
(93 Beiträge, 15x hilfreich)

(Komplett editiert - machen Sie einen EIGENEN Thread auf)

-- Editiert von Moderator am 02.02.2016 00:47

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#12
 Von 
tnoymontaner
Status:
Frischling
(36 Beiträge, 10x hilfreich)

Ich wurde zur angegebenen Uhrzeit vom Richter vor dem Saal empfangen. Dieser teilte mir zu meiner Verwunderung nur mit, dass er mich nicht vernehmen wird und fragte mich, ob ich eine Unterschrift wegen eines Verdienstausfalles benötige. Worauf lässt das schließen, wenn ich als einziger Geschädigter nichteinmal vernommen werde?

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#13
 Von 
drkabo
Status:
Weiser
(16510 Beiträge, 9299x hilfreich)

Zitat:
Worauf lässt das schließen, wenn ich als einziger Geschädigter nichteinmal vernommen werde?

Verschiedene Möglichkeiten:
- der Angeklagte hat in vollem Umfang gestanden, so dass deine Aussage nicht mehr wichtig war
- der Verhandlungstermin ist kurzfristig geplatzt, was wiederum verschiedene Gründe haben kann:
- Staatsanwalt krank
- Angeklagter nicht zur Verhandlung erschienen
- Es ist herausgekommen, dass es noch mehr Geschädigte gibt, die man erst noch ausfindig machen möchte
- Angeklagter hat zwischenzeitlich anderer Straftaten begangen
usw.

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