Dann säge ich Ihren Baum einfach um!

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Bäume, Rückschnitt, Laubbeseitigung, Überwuchs – Die Klassiker unter den Nachbarstreitigkeiten

Grenzabstände, Laub und Fallobst können eine handfeste Diskussion zwischen Nachbarn auslösen. Wo dürfen Bäume, Hecken und Sträucher stehen? Darf eine Pflanze auf ein anderes Grundstück herüberwachsen? Sind abfallendes Laub und Obst zu tolerieren? 123recht.de hat bei Rechtsanwalt Frank Dubbratz nachgefragt, was Sie als Nachbar wissen sollten.

123recht.de: Sehr geehrter Herr Dubbratz, oft kommt es zwischen Nachbarn zum Streit, wenn Bäume, Hecken oder Pflanzen zu dicht an dem anderen Grundstück stehen. Gibt es hierfür verbindliche Regeln oder gesetzliche Vorgaben?

Frank Dubbratz
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Rechtsanwalt
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Fachanwalt für Familienrecht
Schillerstraße 73 -75
46535 Dinslaken
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Rechtsanwalt Dubbratz: Ja, es gibt verbindliche Regelungen. Diese werden durch die einzelnen Bundesländer aufgestellt und sind in den jeweiligen Nachbarrechtsgesetzen geregelt. In Nordrhein-Westfalen sind die gesetzlichen Regelungen in den §§ 40 ff. Nachbarrechtsgesetz (NachbG NRW). Nahezu alle Bundesländer haben dabei ähnliche Regelungen. Für die Beantwortung der folgenden Fragen werde ich mich der Einfachheit halber auf die Regelung in Nordrhein-Westfalen beziehen.

Nach sechs Jahren hat ein Baum Bestandsschutz

123recht.de: Ok, nehmen wir Nordrhein-Westfalen als Beispiel: Ein Baum vom Nachbarn steht tatsächlich zu dicht an der Grenze und nimmt mir Licht. Welche Rechte habe ich dann gegenüber dem Nachbarn?

Rechtsanwalt Dubbratz: Grundsätzlich haben Sie den Anspruch, dass der Nachbar den Baum entfernen muss. Der Nachbar verstößt gegen die Regelung in § 41 NachbG NRW und muss diesen rechtswidrigen Zustand beseitigen. Sie sollten sich allerdings damit nicht zu viel Zeit lassen. Wenn Sie nicht innerhalb von sechs Jahren nach der Anpflanzung Klage auf Beseitigung erhoben haben, kann der Anspruch nicht mehr durchgesetzt werden.

Für diesen Fall oder falls Sie nicht unbedingt wollen, dass der Baum komplett beseitigt wird, können Sie noch einen Rückschnitt verlangen. Hierfür gilt aber, dass der Baum auch nach dem Rückschnitt als Baum zu erkennen sein muss, also nicht in seinem typischen Erscheinungsbild zerstört wird. Eine Baumkrone sollte daher auch nach dem Rückschnitt noch zu erkennen sein.

Erst der Schlichter, dann der Richter

123recht.de: Der Nachbar weigert sich, den Baum zu beseitigen oder zurückzuschneiden. Was jetzt?

Rechtsanwalt Dubbratz: In diesem Fall haben Sie die Möglichkeit, ein außergerichtliches Schlichtungsverfahren einzuleiten. Dies ist zumindest in Nordrhein-Westfalen bei nachbarrechtlichen Auseinandersetzungen dieser Art auch vorgeschrieben. Ohne einen solchen Versuch der gütlichen Einigung können Sie den Beseitigungsanspruch nicht gerichtlich geltend machen. Hierfür sollten Sie sich auf jeden Fall der Hilfe eines fachkundigen Rechtsanwalts bedienen.

123recht.de: Gibt es Ausnahmen, wann ich einen zu dicht an der Grenze stehenden Baum oder eine Pflanze dulden muss?

Rechtsanwalt Dubbratz: Ja, solche Ausnahmen gibt es. Die 1. Ausnahme ist bereits genannt: Wenn Sie die Anpflanzung zu lange hingenommen haben, können Sie keine Beseitigung mehr verlangen.

Zudem sieht das Gesetz weitere Ausnahmen vor. Beispielsweise müssen Sie eine zu dicht an der Grenze stehende Bepflanzung hinnehmen, wenn eine feste Grenzwand vorhanden ist und die dahinterstehende Bepflanzung die Wand nicht überragt. In diesem Fall haben Sie als Nachbar keine Beeinträchtigung.

Überwuchs kann beschnitten werden

123recht.de: Alle Bäume oder Pflanzen des Nachbarn stehen im richtigen Abstand, aber Äste wachsen auf mein Grundstück. Das ist dann halt so, oder nicht?

Rechtsanwalt Dubbratz: Nein. Der Überwuchs oder Überhang kann von Ihnen beseitigt werden. Dafür müssen Sie Ihrem Nachbarn zuvor eine angemessene Frist zur Beseitigung gemäß § 910 BGB gesetzt haben. Hat der Nachbar darauf nicht reagiert, dann können Sie selbst Hand anlegen.

123recht.de: Dürfte ich Früchte von dem Baum des Nachbarn behalten, wenn die auf mein Grundstück fallen? Oder darf ich von herüberwachsenden Ästen Obst pflücken?

Rechtsanwalt Dubbratz: Auch diesen Fall regelt das Bürgerliche Gesetzbuch in § 911. Dort ist geregelt, dass Sie die herabgefallenen Früchte behalten können. Sie gelten als Teil Ihres Grundstücks und gehören damit Ihnen. Dies gilt aber nicht für das Pflücken des Obstes. Solange das Obst am Baum hängt, gehört es dem Nachbarn.

Obst pflücken oder abschütteln ist verboten

123recht.de: Auch, wenn die Äpfel zwei Meter über meinem Grundstück hängen?

Rechtsanwalt Dubbratz: Der Abstand ändert hieran nichts. Egal, ob die Äpfel 10 cm oder 3 m auf Ihr Grundstück ragen: Man darf sie nicht abpflücken. Gleiches gilt auch für Abschütteln, damit die Früchte auf Ihr Grundstück fallen. Dies ist ebenso untersagt.

123recht.de: Was ist im Herbst mit Laub, das von Nachbarbäumen auf ein anderes Grundstück fällt. Muss der Nachbar zum Rechen anrücken?

Rechtsanwalt Dubbratz: Grundsätzlich muss man damit rechnen, dass im Herbst das Laub von den Bäumen fällt. Dies gilt vor allem, wenn man sich gerade ein Grundstück „im Grünen" ausgesucht hat. Sie werden die Einwirkungen nach § 906 BGB dulden müssen. Aus diesem Grund können Sie auch nicht verlangen, dass der Nachbar auf Ihrem Grundstück den Rechen „schwingt". In Ausnahmefällen kann bei Vorliegen einer wesentlichen Beeinträchtigung ein Ausgleich durch eine Geldzahlung verlangt werden. Dass ein Gericht eine solche Entschädigung zugesprochen hat, habe ich in meiner Praxis allerdings noch nicht erlebt.

Der klügere Nachbar gibt nach

123recht.de: Zwischen Nachbarn können sich die Gemüter beim Thema Grenzabständen heftig erhitzen. Haben Sie noch einen Tipp, wie man sich in einer solchen Situation am besten verhält?

Rechtsanwalt Dubbratz: Im Zweifel getreu dem Sprichwort: "Der Klügere gibt nach." Ich rate, nicht auf jedem tatsächlichen Recht zu bestehen, sondern eine vernünftige Einigung mit dem Nachbarn erzielen. Manchmal hilft es, zunächst tief Luft zu holen und in ruhigem, vernünftigen Ton den Nachbarn auf ein Problem hinzuweisen.

123recht.de: Vielen Dank, Herr Dubbratz.

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Leserkommentare
von Reiner123mitglied am 27.03.2014 20:06:19# 1
vor kurzem hat mein Nachbargrundstück den Eigentümer gewechselt. Diesser ist nun der Meinung das die Bäume zu nah am Grundstück stehen und deshalb bereits ohne mein Wissen Äste und Sträucher entfernt hat. Er hat zwischenzeitlich einen grossen Teil des Grundstücks geschottert und mehrere Berge von Bauschutt direkt an meine Bäume getürmt. Ich befürchte das die Bäume dadurch schaden nehmen. Bevor das mit dem Bauschutt bekann, hatte ich des Friedens willen eingeräumt für seine Pferdekoppel den Zaun auf meinem Grunstück zu plazieren,
Welche Rechte könnte ich haben um meine Bäume zu retten und gegen die Naturverschmutzung vorzugehen bzw. wo kann ich dies nachlesen ( Wohnort ist Saarland)
    
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