Was ist der Kinderfreibetrag und wie funktioniert der eigentlich?

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Kinderfreibetrag, Kindergeld, Steuern – Ein Interview mit Rechtsanwalt Wehle rund um die steuerliche Vergünstigung von Eltern

Essen, Kleidung, Spielzeug oder auch eine Ausbildung: Eltern müssen für bestimmte Dinge mehr Geld ausgeben, als Paare ohne Kinder. Der Staat unterstützt sie dabei und erlaubt Müttern und Vätern einen so genannten Kinderfreibetrag. Was genau aber hat es damit auf sich?

123recht.de: Was ist der Kinderfreibetrag und wie hoch ist er?

Andreas Wehle
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Rechtsanwalt Wehle: Der Kinderfreibetrag ist eine steuerliche Vergünstigung für Erziehende. Auch wenn sie unser Kleinod sind und unserem Leben erst einen Sinn geben, "essen sie uns zuweilen auch mal die Haare vom Kopf". Neben diesem Aspekt, und als Motivation für Unentschlossene, sich vielleicht doch den Kinderwunsch zu erfüllen, gewährt die Bundesrepublik Deutschland den Erziehenden ab dem ersten Geburtsmonat einen Freibetrag auf das zu versteuernde Einkommen.

Die maßgebliche gesetzliche Vorschrift dazu ist der § 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Danach hat jeder Elternteil einen Freibetrag in Höhe von 2.184 Euro zur Sicherung des sächlichen Existenzminimums und weitere 1.320 Euro für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungskosten inne.Da Kinder üblicherweise über zwei Elternteile verfügen und im günstigsten Fall diese in einer Ehe verbunden sind, kann so ein anzurechnender Kinderfreibetrag pro Kalenderjahr und Kind in Höhe von 7.008 Euro erreicht werden.

Anspruchsinhaber ist nur der Steuerpflichtige

123recht.de: Wem steht der Kinderfreibetrag zu?

Rechtsanwalt Wehle: Anspruchsinhaber kann grundsätzlich nur der Steuerpflichtige sein, wenn er:
a) mit dem Kind im ersten Grad verwandt ist, oder
b) für Pflegekinder.

Auch für angenommene Kinder kann dem Steuerpflichtigen ein Kinderfreibetrag gewährt werden, selbst dann, wenn das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern fortbesteht.

Hier gibt es jedoch eine Vielzahl von Bevorrechtigungen und Möglichkeiten, die im Einzelfall zu prüfen sind.

123recht.de: Wie und wo wirkt sich der Freibetrag aus?

Rechtsanwalt Wehle: Der gewährte Freibetrag wirkt sich wie andere Freibeträge auch, genannt sei der Sparerfreibetrag (801 Euro seit 2009) oder aber der Werbungskostenpauschbetrag für Arbeitnehmer (1000 Euro), direkt auf das zu versteuernde Einkommen aus. Hierdurch wird die Steuerbemessungsgrundlage unmittelbar gemindert.

Dies einmal an einem Beispiel erläutert:
Der verwitwete alleinerziehende Vater (V) einer 12 jährigen Tochter verdient in seiner Anstellung monatlich 2.500 Euro brutto. Sein zu versteuerndes Einkommen beträgt somit 30.000 Euro (Sonderzahlungen einmal außen vor gelassen).

Das Einkommen ist bei der Festsetzung zur Lohnsteuer um die o.g. Werbungspauschale (1.000 Euro) und den Kinderfreibetrag, in diesem Falle nach § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG in Höhe von 7.008 Euro zu vermindern, so dass bei unserem V, unter außer Acht Lassens weitere steuerlicher Aspekte, ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 21.992 Euro übrig bliebe. V muss also nur für ein Einkommen in Höhe von 21.992 Euro, anstatt für 30.000 Euro, Steuern zahlen.

Das hat sogar zwei positive Effekte, da mit der Herabsetzung der Steuerbemessungsgrundlage in der Regel auch der Steuersatz fällt. Nun werden die von V bereits beglichenen Steuervorauszahlungen seiner tatsächlichen Steuerschuld entgegen gehalten. Ergibt sich dabei ein Überhang zugunsten der Steuervorauszahlung, erhält V eine Steuererstattung. In der Regel werden diese Steuermerkmale wie Kinder und Arbeitnehmerpauschbetrag schon über das sog. ELSTAM seitens des Arbeitgebers berücksichtigt. Dadurch sollte es hier zu keinen übermäßigen Belastungen des Arbeitnehmers in den laufenden Monaten kommen.

Bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit verhält sich das Verfahren ein wenig anders. Hier ist die Anlage Kind in der Einkommenssteuererklärung entsprechend auszufüllen, mit der die zu berücksichtigenden Kinderfreibeträge angezeigt werden. Die Berücksichtigung erfolgt dann mit dem Erlass der jeweiligen Einkommenssteuerbescheid.

Kosten müssen nicht nachgewiesen werden

123recht.de: Muss ich Kosten, die durch das Kind entstanden sind, nachweisen?

Rechtsanwalt Wehle: Nein, Kosten der Kindererziehung, -versorgung oder ähnliches müssen nicht nachgewiesen werden. Einzige Anspruchsgrundlage ist das Vorhandensein eines leiblichen Kindes, Pflegekindes oder betreuten Kindes, das dem eigenen Haushalt zuzuordnen ist.

123recht.de: Wie hängen Kindergeld und Kinderfreibetrag zusammen?

Rechtsanwalt Wehle: Entweder oder... lautet hier die Devise. Aber eine echte Wahlfreiheit hat man hier nicht. Das Finanzamt prüft in eigener Sache, ob es für den Steuerpflichtigen günstiger ist, Kindergeld zu erhalten oder aber den Freibetrag, der sich wie beschrieben auf die Steuerlast auswirkt.

123recht.de: Was gilt für mich? Kindergeld oder Kinderfreibetrag?

Rechtsanwalt Wehle: Das kommt darauf an. Tja worauf denn, fragen Sie sich sicherlich. Schlussendlich auf die Höhe Ihres/Ihrer Einkommen. Je höher Ihr Einkommen ist, umso positiver ist ein entsprechender anzurechnender Freibetrag. Die Prüfung dazu nimmt das Finanzamt von Amts wegen vor. Selbstverständlich kann die Festsetzung rechtlich überprüft werden, wenden Sie sich dazu an einen erfahrenen Anwalt.

Die günstiger Prüfung ergibt, ob Kinderfreibetrag oder Kindergeld zur Steuererleichterung führen

123recht.de: Wie rechnet das Finanzamt?

Rechtsanwalt Wehle: Im Rahmen der Einkommensteuererklärung ermittelt das Finanzamt in einer sog. günstiger Prüfung, wie hoch die Steuerlast jeweils mit und ohne Kinderfreibetrag ist. Die Differenz wird mit dem Kindergeld verglichen, auf das ein Anspruch besteht. Je höher der individuelle Steuersatz ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kinderfreibetrag günstiger ist als das Kindergeld. Die Differenz wird dann im Rahmen der Einkommensteuerrückerstattung an den Steuerpflichtigen gezahlt.

123recht.de: Wie lange kann der Kinderfreibetrag geltend gemacht werden?

Rechtsanwalt Wehle: Solange Sie ein Kind im Sinne des § 32 EStG in Ihrem Haushalt betreuen bzw. dieses Ihrem Haushalt zuzuordnen ist. Grundsätzlich ist das bei jedem Kind bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres der Fall. Kinder im Sinne von § 32 EStG werden beispielsweise nach Vollendung des 18. Lebensjahres berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird.

Hier gibt es noch zahlreiche weitere Möglichkeiten, unter denen für das Kind noch Kindergeld bezogen bzw. der Kinderfreibetrag geltend gemacht werden kann.

123recht.de: Vielen Dank Herr Wehle!

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