Forderung nachehelicher Unterhalt: GRUND: Findet keinen Job aufgrund Kopftuch

17. Juni 2018 Thema abonnieren
 Von 
d.b123
Status:
Frischling
(2 Beiträge, 0x hilfreich)
Forderung nachehelicher Unterhalt: GRUND: Findet keinen Job aufgrund Kopftuch

Hallo liebe Foren-Mitglieder,

bitte um juristischen Rat von Experten!
Ist in dem unten beschriebenen Fall der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt berechtigt?
Wenn ja/nein, aus welchen Gründen?
Gibt es hierzu Präzedenzfälle?

Ausgangssituation:
Ein Freund lebt in Trennung und seine Noch-Ehefrau möchte nacheheliche Unterhaltsansprüche geltend machen.
Eheschließung: Juni 2014
Trennung: Mai 2017
Ehedauer: voraussichtl. 4 Jahre + paar Monate bis Scheidung entgültig vollzogen sein wird
Scheidungstermin: steht noch nicht fest (sollte in zwei/drei Monaten soweit sein).
Beschäftigungsverhältnisse während der 4-Jährigen Ehe: Mann>>> Vollzeitbeschäftigt; Frau>>> Hausfrau
Kinder: Keine
Bereinigtes Nettoeinkommen Mann: ca. 3500 Netto
Trennungsunterhalt, den die Frau aktuell noch erhält: ca 850 €
Hier handelt es sich seit Mai 2018 um einen verminderten Trennungsunterhalt, da die 1-Jährige Trennungsfrist bereits im Mai 2018 abgelaufen ist.
Hier wurde ein fiktives Einkommen der Frau in Anlehnung an das Einkommen aus ihrer letzten Tätigkeit vor der Ehe unterstellt und vom bereinigten Nettoeinkommen des Mannes abgezogen. Die Differenz mit den 3/7 multipliziert.

Gründe für die Ansprüche der Frau lt. ihrer Anwältin:
"...findet sie nach wie vor keine Arbeitsstelle".

Angeblicher Hintergrund ihrer bislang erfolglosen Erwerbssuche:
Die "Tatsache, dass sie aus religiösen Gründen ein Kopftuch trägt."
(Zitat der Anwältin der Frau: "Viele Arbeitgeber, gerade im Einzelhandel, befürworten dies nicht und sehen von einer Anstellung ab.")

Forderung der Anwältin der Frau:
Für die Dauer von einem Jahr nach Ehescheidung soll der Ehemann den Unterhaltsbetrag zahlen, den er bislang als Trennungsunterhalt zahlen musste. Also die 850 € monatlich für weitere 12 Monate nach Scheidung.
(Randnotiz der Anwältin der Frau: "Obwohl meine Mandantin einen Unterhaltsanspruch wegen Erwerbslosigkeit und Auftsockungsunterhalt hat, und an den ehelichen Lebensverhätnlissen auch nach Ehescheidung weiter partizipiert, bietet meine Mandantin..." dies an.)
Dieses Angebot gilt bis spätestens zum 28.06.2018.
Andernfalls wird eine gerichtliche Auseinandersetzung angestrengt.

Meine bisherigen Erkenntnisse und Gedanken:

Zur "angemessenen" Erwerbstätigkeit:
§ 1574 III BGB verpflichtet den geschiedenen Ehepartner eine „angemessene" Erwerbstätigkeit auszuüben. Das Gesetz verpflichtet den Ehegatten ausdrücklich, sich entsprechend auszubilden, fortzubilden oder umschulen zu lassen, um zu einer angemessenen Tätigkeit zu gelangen. Frühere, tatsächlich ausgeübte Tätigkeiten sind regelmäßig auch nach der Scheidung zumutbar. Soweit möglich sollte man sich an einer früheren Arbeitsstelle orientieren.
>>>>>>>>> Die Frau hat ihre Stelle kurz nach Eheschließung im August 2014 gekündigt. Eine gleichartige Tätigkeit wäre ihr heute zuzumuten. Sie wurde zwar nicht mit Kopftuch eingestellt aber, sie hat sich während ihrer Beschäftigung dort für ihr Kopftuch entschieden und der Arbeitgeber hat dies auch ohne Probleme erlaubt. Das Unternehmen, in dem sie beschäftigt war, zählt zu den Firmen, die keine internen Regeln haben, die es verbieten, Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen zu tragen. Diese Zeichen haben beim Auswahlverfahren von Bewerbern keine Relevanz.
In gleichartigen Unternehmen derselben Branche sieht es nach meinen Recherchen genauso aus.
Wie seht ihr das?

Zum Unterhalt aus Billigkeitsgründen:
Gem. § 1576 BGB : Sofern keine besonderen Unterhaltstatbestände greifen, kann die Frau dennoch Unterhalt aus Billigkeitsgründen beanspruchen, wenn von ihr aus sonstigen schwerwiegenden Gründen keine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann und es grob unbillig wäre, ihm Unterhalt vorzuenthalten.
>>>>>>>>>>>>> Findet ihr, dass das in diesem Fall zutrifft? Kann die angeblich erschwerte Erwerbssuche aufgrund ihres Kopftuchs ein sonstiger schwerwiegender Grund sein, dass keine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann?

Zur Erwerbslosigkeit:
Gem. § 1573 BGB ist, wer keine Kinder zu betreuen hat und weder krank noch gebrechlich noch zu alt ist, im Grundsatz verpflichtet, sich „angemessene" Arbeit zu suchen und selbst zu versorgen. Für den Fall, dass er unverschuldet am Arbeitsmarkt scheitert, kann er Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit verlangen.
Wie soll die Frau das nachweisen, dass sie unverschuldet am Arbeitsmarkt scheitert? Keine Absage der Welt wird diesen angeblichen Grund beinhalten.
Die Ehegattin muss ja darlegen und beweisen, warum ihr der Unterhalt zustehen soll. Das Gericht würde ja anschließend prüfen, welche Unterhaltstatbestände die Bedürftigkeit begründen.
WIe erwähnt trug die Frau auch ein Kopftuch während ihrer Beschäftigung in einem Unternehmen, in dem sie bis August 2014 angestellt war. Eingestellt wurde sie seiner Zeit zwar ohne Kopftuch. ABER: Das Unternehmen in dem sie beschäftigt war zählte zu den Firmen, die keine internen Regeln haben, die es verbieten, Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen zu tragen. Diese Zeichen haben beim Auswahlverfahren von Bewerbern keine Relevanz.
In gleichartigen Unternehmen derselben Branche sieht es nach meinen Recherchen genauso aus.
Grundsätzlich darf in Deutschland jeder Mensch die eigene Religion frei ausleben - auch am Arbeitsplatz. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet darüber hinaus Diskriminierungen aufgrund der Religion oder Weltanschauung im Arbeitsleben. Das bedeutet, dass Arbeitgeber weder bei der Bewerbung noch im Arbeitsalltag einzelne Personen wegen ihres Glaubens benachteiligen und die Ausübung ihrer Religion behindern dürfen. Der Unionsgerichtshof weist darauf hin, dass u. a. ein mit der Religion im Zusammenhang stehendes Merkmal nur unter sehr begrenzten Bedingungen eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen kann.

Zu den Reformen des nachehelichen Unterhalts:
Unterhaltsreform 2008:
Anspruch auf nachehelichen Unterhalt besteht generell nur noch so lange bis die Frau sich beruflich neu orientiert hat und es ihr zuzumuten war, für sich selbst zu sorgen.
>>>>> Aus oben genannten Gründen, tendiere ich dazu, zu behaupten, dass die Zumutbarkeit klar gegeben ist. Wie ist eure Position dazu?
Unterhaltsreform 2013:
Die Ehedauer wird mit der Reform stärker berücksichtigt.
>>>>> Spielt die "relativ kurze" Ehedauer von 4 Jahren hier eine Rolle?






-- Editiert von d.b123 am 17.06.2018 16:52

-- Editiert von d.b123 am 17.06.2018 17:01

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5 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38437 Beiträge, 14002x hilfreich)

Ich sehe einen ganz anderen Ansatzpunkt: die religiösen Gründe. Der Islam verpflichtet keine gläubige Muslima, ein Kopftuch zu tragen. Attatürk hatte in der heutigen Türkei sogar verboten, dass an Universitäten Kopftücher oder der Fez getragen wurden. Ich kann ja auch nicht nackert durch die Gegend rennen aus religiösen Gründen, und schreien, man stelle mich so nicht ein und deshalb müsse mein Ex zahlen.

Meine dringende Empfehlung: das Nachgeplappere widerlegen. Ganz einfach mal sauber darlegen, was aus religiösen Gründen sein muss. Und dazu gehört kein Kopftuch.

Wetten dass die Anwältin der Frau das alles nicht weiss?

wirdwerden

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#2
 Von 
d.b123
Status:
Frischling
(2 Beiträge, 0x hilfreich)

Ihr Ansatzpunkt bzw. ihre Empfehlung ist in diesem Zusammenhang nicht wirklich zielführend.
Es geht Weniger darum, der Gegenseite ihre Position zu Notwendigkeit religiöser Symbolen "aufzudrücken".
Vielmehr um die konkreten Fragen, die in dem Beitrag aufgeworfen werden.
>>>> Kann die angeblich erschwerte Erwerbssuche aufgrund ihres Kopftuchs ein "sonstiger schwerwiegender Grund" sein, dass keine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann? Wenn ja/nein, gibt es Präzedenzfälle?
Sofern sie fundiertes, juristisches Kenntnisse zur konkreten Beantwortung meiner Fragen besitzen, bin ich Ihnen für ihre Antworten dankbar.

Schönes Fussball-Wochenende noch ;)

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
muemmel
Status:
Unbeschreiblich
(32873 Beiträge, 17265x hilfreich)

Attatürk hatte in der heutigen Türkei sogar verboten, dass an Universitäten Kopftücher oder der Fez getragen wurden. Das war auch kein islamischer Theologe, sondern ein Politiker, der eine Sakularisierung der Türkei erreichen wollte. Insofern ist das keine zielführende Argumentation - was zum Islam gehört, hat wahrlich nicht Atatürk bestimmt...

Signatur:

Bei nur einer Ratte im Zimmer handelt es sich nicht um einen Reisemangel ( Amtsgericht Köln).

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#4
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38437 Beiträge, 14002x hilfreich)

Eben kein sonstiger schwerwiegender Grund, weil es auch in dem Glauben ohne Kopftuch geht.

Und, ob er Politiker war oder nicht, kann doch dahingestellt bleiben. Jedenfalls funktionierte die Religion auch ohne Kopftuch. Es ist kein zwingendes Gebot, darauf wollte ich hinaus.

wirdwerden

-- Editiert von wirdwerden am 17.06.2018 17:24

0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
fb367463-2
Status:
Schlichter
(7422 Beiträge, 3091x hilfreich)

"Erschwert" ist nicht gleich "unzumutbar". Sie dürfte vermutlich bei entsprechenden Anstrengungen statistisch gesehen früher oder später denn doch einen Arbeitgeber finden, der das Kopftuch toleriert. Ich wüsste also nicht, in wie weit sich damit eine Unzumutbarkeit der Arbeitsaufnahme begründen ließe. Es ist ihr durchaus zuzumuten, sich weiterhin zu bewerben - und zwar sehr intensiv. Eine "(nur)erschwerte Erwerbssuche" (warum auch immer) ist kein "sonstiger schwerwiegender Grund" in meinen Augen.

Zitat (von d.b123):
Sofern sie fundiertes, juristisches Kenntnisse zur konkreten Beantwortung meiner Fragen besitzen, bin ich Ihnen für ihre Antworten dankbar.
Dies ist - nur zur Info - ein Meinungsforum, in dem sich Laien über rechtliche Fragestellungen austauschen. Fundierte juristische Kenntnisse zur konkreten Beantwortung werden Sie hier kaum finden - außerdem ist Rechtsberatung nur Anwälten vorbehalten. Aber Meinungen sind ja auch schon recht wertvoll ;)

Signatur:

"Valar Morghulis"

1x Hilfreiche Antwort

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