Elternunterhalt - Fahrtkosten als "sittliche Pflicht"? Wer kann helfen?

2. März 2018 Thema abonnieren
 Von 
Protanop
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 1x hilfreich)
Elternunterhalt - Fahrtkosten als "sittliche Pflicht"? Wer kann helfen?

Hallo zusammen,

gemeinsam mit meinen beiden Geschwistern bin ich gegenüber unserer Mutter (Pflegefall im Altenheim, Pflegegrad 4) unterhaltspflichtig.

Bei der Berechnung durch das Landratsamt wurden sowohl 5% Altersvorsorge als auch 5% berufsbedingte Aufwendungen vom bereinigten Nettoeinkommen berücksichtigt, nicht jedoch die angestetzten Besuchsfahrten zur Mutter im Pflegeheim von 2,5mal pro Monat mit einer einfachen Distanz von 132km, ergo 198,00 EUR.

Die Begründung beim Landratsamt für die Ansetzung der Fahrtkosten wurde meinerseits mit dem BGH Urteil vom 17. Oktober 2012, Az. XII ZR 17/11 angeführt: hiernach handele es sich bei den Kosten, die für die Besuche der unterhaltsberechtigten Mutter regelmäßig anfallen, um Aufwendungen, die die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindern. Die Besuche dienen dabei der Aufrechterhaltung der familiären Beziehung, die durch Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt sind.

Die Ansetzung der Fahrtkosten wurdet durch das Landratsamt mit folgender Begrüdnung abgelehnt: Besuchsfahrten stellen eine sittliche Pflicht dar, die in der Regel im Selbstbehalt enthalten sind. Da 2-3 mal im Monat zumutbar sind, werden die für Sie hierdurch entstehenden Kosten nicht anerkannt.

Kann ggf. jemand Auskunft geben, inwiefern diese Ablehnung des Landratsamtes rechtens ist, bzw. ob meinerseits hiergegen Widerspruch eingelegt werden kann? Auf welche rechtliche Grundlage/Rechtsprechung könnte ich mich bei der Begründung konkret beziehen?

Wäre über hilfreiche Tipps sehr dankbar.

MfG
M. B.

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5 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Marcus2009
Status:
Lehrling
(1723 Beiträge, 1092x hilfreich)

In dem von dir zitierten BGH Urteil vom 17.10.2012 AZ XII ZR 17/11 wird ausgeführt:

"Die Besuche dienen der Aufrechterhaltung der familiären Beziehungen, die durch Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt sind. Sie entsprechen zudem dem Bedürfnis, der Mutter auch im Heim und trotz der Entfernung zum Wohnort der Beklagten Fürsorge zuteilwerden zu lassen, sich von ihrem Wohlergehen zu überzeugen sowie eventuelle Wünsche der Mutter zu erfragen. Der Zweck der Aufwendungen beruht deshalb auf einer unterhaltsrechtlich anzuerkennenden sittlichen Verpflichtung gegenüber der Mutter."

Demnach sollte es eigentlich unstrittig sein, dass die Besuchskosten absetzbar sind.

Trotzdem macht nun das Landratsamt geltend:

"Besuchsfahrten stellen eine sittliche Pflicht dar, die in der Regel im Selbstbehalt enthalten sind."

Das ist ganz schön trickreich. Die sittliche Pflicht wird also nicht in Frage gestellt. Aber es wird geltend gemacht, dass diese Aufwendungen im Selbstbehalt bereits enthalten sind. Die suchen halt einen Dreh, wie sie die Besuchskosten abschmettern können. Die Formulierung "in der Regel" macht deutlich, dass sie davon vielleicht selbst nicht so ganz überzeugt sind.

Mir scheint, dass das Landratsamt mit seiner Argumentation gegen den Geist der BGH Entscheidung verstößt. Denn da wird m.E. ausdrücklich festgestellt, dass die Besuchsfahrten die Leistungspflicht herabsetzen.

Da sollte man m.E. auf jeden Fall Einspruch einlegen. Und wenn dem nicht abgeholfen wird, dann muss man halt notfalls klagen ...


-- Editiert von Marcus2009 am 02.03.2018 16:01

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#2
 Von 
Protanop
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 1x hilfreich)

Vielen Dank für Deine Hilfestellung Marcus2009 !

Ich sehe diesen Fall ganz genauso, die BGH Urteilssprechung lässt hier eigentlich "aus klarem Verstand heraus" keine doppeldeutige Interpretation zur Auslegung der Fahrtkostenanrechnung zu, dennoch verweigert das Amt die Anerkennung.

Wichtig zu wissen ist in diesem Fall ggf. noch, das bei positiver Anerkennung der Fahrtkosten i.H.v. 198 € durch das Landratsamt, automatisch eine Nichtheranziehung zum Unterhalt (Freistellung) erfolgen würde, denn das bereinigte Einkommen liegt vor Abzug der Fahrtkosten mit 94€ über dem Selbstbehalt.

Neben dem von dir bereits erwähnten schwammigen Wortlaut in der Begründung des Landratsamtes "in der Regel" wird außerdem bei der Häufigkeit der Besuchsfahrten, in der Menge 2,5x pro Monat, von "zumutbar" gesprochen. Hierzu fehlt mir jedoch ebenfalls eine Rechtsgrundlage die selbige Häufigkeit als tatsächlich zumutbare (Kosten-)Belastung im Rahmen des Selbstbehaltes vorsieht.

Mir erscheint es naheliegend, dass das Landratsamt hier das Argument der "sittlichen Verpflichtung" als letztes Mittel zum Zweck verwendet, um doch noch an eine Unterhaltsfestsetzung zu kommen.

Ich freue mich jederzeit über weitere Einschätzungen.

MfG
M.B.

1x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
Protanop
Status:
Frischling
(3 Beiträge, 1x hilfreich)

Wäre wirklich über weitere Einschätzungen dankbar.

MfG
M.B.

0x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
altona01
Status:
Weiser
(17802 Beiträge, 8070x hilfreich)

Lange geht die Auseinandersetzung sowieso nicht mehr. :cool:
Das Ende Ihrer möglichen Unterhaltspflicht ist in Sicht, die Grenze für den Eigenbedarf wird auf 100000 Euro angehoben.

Signatur:

Nur wer sich bewegt, hört seine Ketten rasseln.

0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
Zuckerberg
Status:
Lehrling
(1909 Beiträge, 1138x hilfreich)

Die von Ihnen gewünschte "Rechtsgrundlage" werden Sie jeenfalls so nicht finden, wie Sie sich das vermutlich wünschen. Die maßgebliche Rechtsnorm ist § 1603 Absatz 1 BGB . Wie Sie darin lesen können, gibt es da eigentlich nicht viel zu lesen. Dass es sich bei den Besuchsfahrten um eine "Verpflichtung" in diesem Sinne handeln soll, scheint nicht streitig zu sein (mir persönlich scheint es aber auch nicht von Bedeutung zu sein). Das Zauberwort lautet "angemessen". Was darunter zu verstehen ist, haben die Oberlandesgerichte und der BGH in einer umfangreichen Rechtsprechung näher konkretisiert (und ebenso die Höhe, mit der die "Verplfichtungen" berücksichtigt werden). Der erste Anhaltspunkt besteht in einem Blick in die sogenannten "Unterhaltsrichtlinien" des zuständigen Oberlandesgerichts.

Dass verschiedene "sittliche Verpflichtungen" in dem Selbstbehalt enthalten sein sollen, würde ich ohne weiteres bejahen wollen. Dazu zählen beispielsweise alle möglichen (Geburtstags-)Geschenke. Diese sind nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen. Es handelt sich eher um allgemeine Lebensführungskosten (dazu zählen nunmal auch solche "Sozialkosten"). Vereinfacht gesagt können Sie nicht jeden lächerlichen Witzbetrag vor dem Familiengericht geltend machen. Dafür gibt es die (großzügigen?) Selbstbehalte, in denen solche Kosten tatsächlich eingerechnet sind. Zum Vergleich: Der wohl noch deutlich schutzwürdigere Umgang von Eltern mit ihren mindrjährigen Kindern ist (in der Regel!) mit diesem Selbstbehalt zu begleichen. Sonst würde der Umgangsvater am Ende noch jedes Kruzstrecken-Busticket vorlegen, das er kaufen musste, um an jedem zweiten Wochenende die Kinder ein paar Straßenblocks weiter abzuholen und zurückzubringen. Das ändert sich aber ganz schnell (von einer Regel gibt es eine Ausnahme!), wenn die Kinder am anderen Ende des Landes oder sogar der Welt leben. Die Reisekosten in drei- oder sogar vierstelliger Höhe müssen ganz bestimmt nicht mehr aus dem Selbstbehalt (der bei minderjährigen Kindern auch noch deutlich geringer bemessen ist) finanziert werden.

Hier kann man sich darüber streiten, ob die von Ihnen veranschlagten Kosten nun so gravierend sind, dass sie eine Abweichung von der Regel notwendig machen. Auf einen ersten Blick scheint man sich in dem Fall, der dem BGH-Urteil zugrunde lag, aber um ähnliche Beträge gestritten zu haben. Tatsächlich wird in dm von Ihnen zitierten Textausschnitt auch überhaupt nicht auf die Kosten eingegangen. Stattdssen geht man dort der Frage nach, ob soche Kosten dem Grunde (bzw. der Häufigkeit) nach anzuerkennen sind (ohne diese Frage wirklich zu beantworten). Meines Erachtens ist offensichtlich, dass man nicht (allein) auf die Zahl der Fahrten abstellen kann, sondern dass diese finanzielle belastung durch diese ganz entscheidend ist. Diese bemisst sich aber nach den Umständen im Einzelfall (insbesondere der Entfernung).

Dass solche Kosten aber überhaupt aus dem Selbstbehalt zu bestreiten wären, scheint der BGH gar nicht wirklich so zu sehen. In Randnummer 38 ( unter B II 4. b ) vergleicht der BGH die Beklagte mit Betroffenen, die tatsächlich diese Fahrten aus dem Selbstbehalt bestreiten müssen (wohl weil sie gar nicht genug Einkommen haben, das außerhalb des Selbstbehalts liegen könnte). Man könnte meinen, dass dieser Vergleich nur möglich ist, wenn die Beklagte selber nicht die Kosten aus dem Selbstebahlt bestritten hat (ohne dass der BGH daran Antoß gefunden hätte).

Wenn Sie unbedingt eine "Rechtsgrundlage" haben wollen, dann können Sie es ja mal mit § 94 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB XII probieren. Laut dem OLG Düsseldorf (dessen Urteil der BGH im Ergebnis bestätigt hat), soll diese hier weiterhelfen. Ob das so ist, hat der BGH zumindest in dem von Ihnen zitierten Urteil) ja ausdrücklich offen gelassen. Vielleicht wollen Sie ja mal recherchieren, ob es dazu weitere/neuere Rechtsprechung gibt.

Hat das Landratsamt Ihnen einen Bescheid (Verwaltungsakt) zukommen lassen oder kündigen die eher den Gang vor das Familiengericht an?

3x Hilfreiche Antwort

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