Vorteile zu Lebzeiten des Erblassers

28. Dezember 2014 Thema abonnieren
 Von 
guest-12315.08.2019 19:20:48
Status:
Frischling
(39 Beiträge, 10x hilfreich)
Vorteile zu Lebzeiten des Erblassers

Hallo,

ein Vater stirbt und hinterlässt sein Haus seinen 3 Söhnen. Da es kein Testament gibt, muss also von der gesetzlichen Erbfolge ausgehen, also jeder erhält ein Drittel.

Nun gibt es aber Unstimmigkeiten bei der Aufteilung des Erbes.

Ein Sohn hatte die letzten 20 Jahre mietfrei im Haus des Vaters gelebt (keine eigene Wohnung, also normal mit im Haushalt mit eigenem Schlafzimmer), wurde auch von diesem mit versorgt (was die Lebenshaltung, Strom, Wasser, Essen und Trinken angeht). Der Sohn hat lediglich ein Kostgeld von ca. 100 Eur gezahlt .

Die anderen beiden Söhne hatten eigene Wohnungen und mussten die ganze Zeit ihren Lebensunterhalt selbst finanzieren. Dies war immer wieder Anlass von Streitigkeiten.

Nun will der Sohn, der sich durch die Gutmütigkeit des Vaters über die Jahre (Einkommen hatte er ja die ganze Zeit ganz normal) viel Geld sparen konnte, das Haus allein weiternutzen und die anderen beiden Brüder ausbezahlen - jeweils 1/3 an jeden Bruder.

Die beiden anderen Söhne finden dies jedoch ungerecht und sind der Meinung, dass der Bruder bereits zu Lebzeiten des Vaters sein "Erbe" abgelebt habe und sie quasi mehr Geld als je ein Drittel bekommen müssten. Der Bruder habe sich ja im Laufe der Zeit das Geld für die Auszahlung des Erbes sparen können, wogegen die anderen die Kosten des Lebens bestreiten mussten.

Haben die beiden Brüder recht? Kann es sein, dass die Vorteile zu Lebzeiten des Vaters auf das Erbe angerechnet werden? Wie wird so was berechnet?
Was würde passieren, wenn das Haus doch verkauft würde und es um die Aufteilung des Verkaufspreis geht - wird dann dies etwaige Anrechnung ebenfalls greifen?

Die beiden Brüder haben hier eine Rechnung aufgemacht, der im Elternhaus wohnhafte Bruder habe hier die letzten 20 Jahre eine monatliche Ersparnis von ca. 600 Eur gehabt und dies müsste der Bruder erst einmal in einer Summe (ca. 140 000 Eur) wieder in den "Nachlasstopf" werfen, um die Gleichbehandlung wieder herzustellen. Dann könne der Nachlass zu gleichen Teilen geteilt werden.

Haben Sie wirklich damit recht?
Bin für Antworten sehr dankbar.

stubentiger

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7 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
cruncc1
Status:
Schlichter
(7995 Beiträge, 4497x hilfreich)

quote:
Haben Sie wirklich damit recht?

M.E. nein.

Hätte der Erblasser eine entsprechende Anrechnung gewollt, hätte er dies in einem Testament zum Ausdruck bringen müssen.

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1x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
drkabo
Status:
Weiser
(16460 Beiträge, 9280x hilfreich)


Die Pflichtteilsergänzung bei Schenkungen nach §2325 BGB gibt es (wie der Name schon sagt) nur bei Pflichtteilsberechtigtigten.
Da hier die gesetzliche Erbfolge eintritt, ist für die Einrechnung der Schenkung (mietfreies Wohnen) erstmal kein Raum.

Jetzt könnte es natürlich sein, dass der Pflichtteilsanspruch von 1/6 (mit Einrechnung der Schenkung) mehr ist als als das gesetzliche Erbe von 1/3 (ohne Einrechnung der Schenkung).

Beim Wert der Schenkung wird aber nicht 20 Jahre zurückgerechnet, sondern nur 10, wobei nur das letzte Jahr voll, das davor zu 90%, das vorletzter zu 80%, das drittletzte zu 70% usw. zählt (§2325, Abs. 3 BGB ).
Nimmt man den Wert der Schenkung mitt 600€/Monat = 7200€ pro Jahr an, so sind erbrechtlich nicht 140.000€ relevant, sondern nur 39.600€ (=7200€ +0,9*7200€ + 0,8*7200€ + ...).

Die beiden Brüder haben also die Wahl, ob sie 1/3 vom Haus (= gesetzlicher Erbteil) haben wollten, oder ob sie den Pflichtteil beanspruchen (1/6 vom Wert des Hauses plus 1/6 von 39.600€) wollen.

Wenn das Haus nicht gerade eine heruntergekommene Bruchbude ist, dürften sie mit dem gesetzlichen Erbteil (1/3 vom Haus ohne Einrechnung der Schenkung) besser fahren.

Damit ergeben sich folgende Antworten:

quote:<hr size=1 noshade>Haben die beiden Brüder recht? Kann es sein, dass die Vorteile zu Lebzeiten des Vaters auf das Erbe angerechnet werden? <hr size=1 noshade>

"Vorteile zu Lebzeiten" werden nur angerechnet, wenn die beiden Brüder auf das gesetzliche Erbe (1/3) verzichten und den Pflichtteil (1/6) beanspruchen.
quote:<hr size=1 noshade>Wie wird so was berechnet? <hr size=1 noshade>

Die "Vorteile zu Lebzeiten" werden im ersten jahr voll, im zweiten zu 90%, im dritten zu 80% usw. angerechnet. Ab dem elften Jahr also gar nicht mehr.

quote:<hr size=1 noshade>Was würde passieren, wenn das Haus doch verkauft würde und es um die Aufteilung des Verkaufspreis geht - wird dann dies etwaige Anrechnung ebenfalls greifen? <hr size=1 noshade>

Kommt wieder darauf an, ob die beiden Brüder das gesetliche Erbe (1/3 vom Haus) oder den Pflichtteil (1/6 vom Wert des Hauses plus 1/6 vom Wert der "Vorteile zu Lebzeiten") haben wollen.

quote:<hr size=1 noshade>Die beiden Brüder haben hier eine Rechnung aufgemacht, der im Elternhaus wohnhafte Bruder habe hier die letzten 20 Jahre eine monatliche Ersparnis von ca. 600 Eur gehabt und dies müsste der Bruder erst einmal in einer Summe (ca. 140 000 Eur) wieder in den "Nachlasstopf" werfen, um die Gleichbehandlung wieder herzustellen. Dann könne der Nachlass zu gleichen Teilen geteilt werden.
Haben Sie wirklich damit recht? <hr size=1 noshade>

Nein.
Der Wert der "Vorteile zu Lebzeiten" beträgt nur 39.600€..








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Für alle meine Beiträge gilt §675(2) BGB ."

2x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
guest-12315.08.2019 19:20:48
Status:
Frischling
(39 Beiträge, 10x hilfreich)

Hallo,

danke für die Antworten, die für mich sehr hilfreich waren.

Allen noch einen guten Rutsch ins neue Jahr

stubentiger

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1x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
cruncc1
Status:
Schlichter
(7995 Beiträge, 4497x hilfreich)

Das sehe ich nicht so.

Schenkungen sind nur dann auszugleichen, wenn dies vom Erblasser bei der Schenkung bestimmt wurde.

quote:<hr size=1 noshade>Die Pflichtteilsergänzung bei Schenkungen nach §2325 BGB gibt es (wie der Name schon sagt) nur bei Pflichtteilsberechtigtigten. <hr size=1 noshade>

Auch Erben können einen Anspruch auf Ergänzung haben, wenn ihnen weniger als der Pflichtteil zugewendet wurde.

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1x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
drkabo
Status:
Weiser
(16460 Beiträge, 9280x hilfreich)


quote:<hr size=1 noshade>Auch Erben können einen Anspruch auf Ergänzung haben, wenn ihnen weniger als der Pflichtteil zugewendet wurde. <hr size=1 noshade>

Stimmt. Wenn der Pflichtteil mehr sein sollte, das das was sie auf normalem Wege erben (hier: 1/3 vom Haus), dann können die Erben auf das Erbe verzichten und stattdessen den Pflichtteil verlangen.
Der Pflichtteil wäre hier 1/6 vom Wert des Hauses plus 1/6 vom Wert der "Vorteile zu Lebzeiten".
Genau das wollte ich mit meinem obigen Beitrag rüberbringen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass das "normale Erbe" (1/3 vom Haus) weniger sein sollte als der Pflichtteil (1/6 vom Wert des Hauses plus 1/6 vom Wert der "Vorteile zu Lebzeiten") geht aber gen Null.


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Für alle meine Beiträge gilt §675(2) BGB ."

1x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
cruncc1
Status:
Schlichter
(7995 Beiträge, 4497x hilfreich)

quote:
plus 1/6 vom Wert der "Vorteile zu Lebzeiten

Auf welcher Rechtsgrundlage basiert Deine Meinung?

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2x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
drkabo
Status:
Weiser
(16460 Beiträge, 9280x hilfreich)

http://dejure.org/gesetze/BGB/2325.html

http://www.erbrecht-mangold.de/rechtsanwalt-erbrecht-koeln/pflichtteil-erbe/pflichtteilsergaenzungsanspruch/

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Für alle meine Beiträge gilt §675(2) BGB ."

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