Grundstücksfläche wurde durch Einzäunung widerrechtlich erweitert

8. Januar 2017 Thema abonnieren
 Von 
skydiver1977
Status:
Frischling
(2 Beiträge, 0x hilfreich)
Grundstücksfläche wurde durch Einzäunung widerrechtlich erweitert

Guten Abend!
Ich habe 2015 eine Doppelhaushälfte in einem kleinen Dorf übernommen - 1 Strasse und Häuser beiderseits. Es handelt sich um das Haus meiner Großeltern aus dem Jahr 1937, was bisher durch meine Eltern bewohnt wurde. Die Grundstückseinzäunung befindet sich ca. 4m von der Dorfstraße entfernt - zwischen Strassenrand und Zaun liegt ein ca. 4m breites unbebautes Flurstück der Gemeinde - die Zufahrt erfolgt über dieses Flurstück - Wegerecht ist im Grundbuch eingetragen. Im Rahmen einer Vermessung im Jahr 2013 (Grund war die Neuverlegung einer Wasserleitung neben der Strasse durch die Gemeinde) wurde nun festgestellt, dass sowohl mein Zaun als auch der meines "Doppelhaushälften-Nachbars" sowie des Doppelhauses neben uns zu weit an der Strasse stehen, d.h. das Flurstück ist eigentlich nicht 4m, sondern ca. 6m breit - die eigentliche Grenze verläuft daher genau durch unsere Vorgärten - die Zäune und auch andere Bauten stehen also "deutlich" auf dem Gemeindegrundstück. Ich habe nun auch einen Markierungsstein beim Nachbarn entdeckt, der diese Tatsache offensichtlich belegt.
Es scheint also, dass irgendwann mal einer angefangen hat, den Zaun vor der eigentlichen Grundstücksgrenze zu errichten und alle anderen haben sich dem angepasst, da alle Zäune der Vorgärten in einer Linie stehen. Wir reden hier allerdings von einer Zeitspanne von mindestens 50 Jahren, in der es niemandem - auch nicht der Gemeinde - aufgefallen ist. Habe ein altes Bild vermutlich aus den 60er Jahren gefunden - dort steht der Zaum schon im falschen Abstand zur Strasse. Die Gemeinde hat uns nun die rechtswidrig genutzte Fläche zum Kauf angeboten, was aber durch eine Neuvermessung, Notarkosten usw. nicht unerheblich zu Buche schlagen wird.
Eine Wiederherstellung der regulären Grundstücksgrenzen scheidet jedoch bei allen aus - größtenteils wurden vollbiologische Kleinkläranlagen unter den Vorgärten (und damit eben auch auf dem Gemeindegrund) bzw. Garagen/Carports errichtet. Die Kosten hierfür wären immens.
Meine Frage: Greift hier ggf. ein Bestandsschutz o.ä. aufgrund der langen Zeitspanne, in welcher dies offensichtlich toleriert wurde bzw. keine Einwände geltend gemacht wurden? Wäre für Hinweise sehr dankbar...

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6 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Lolle
Status:
Bachelor
(3431 Beiträge, 1949x hilfreich)

Für widerrechtliche Benutzung/Besitz eines fremden Grundstücks gibt es keinen "Bestandsschutz".
Derjenige, der im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist, hat gegen denjenigen, der das Grundstück widerrechtlich in Besitz hält, einen Herausgabeanspruch (BGB § 985 ) und dieser Anspruch unterliegt auch nicht der Verjährung (BGB § 902 ).

Zitat (von skydiver1977):
Eine Wiederherstellung der regulären Grundstücksgrenzen scheidet jedoch bei allen aus - größtenteils wurden vollbiologische Kleinkläranlagen unter den Vorgärten (und damit eben auch auf dem Gemeindegrund) bzw. Garagen/Carports errichtet. Die Kosten hierfür wären immens.
Die persönliche Einschätzung zählt hier aber nicht. Es bestehen nach wie vor die grundbuchmäßigen Eigentumsrechte des Grundstückseigentümers und auch wenn ein direkter Anspruch auf Beseitigung der fremden Bauten durch den fremden Nutzer inzwischen verjährt sein dürfte, so darf der Grundstückseigentümer die fremden Sachen auf seinem Grundstück immer noch selbst beseitigen.

Bei einem nur teilweisen Überbau durch Gebäude(teile) gibt es u.U. einen besonderen Schutz > Duldungspflicht gemäß BGB § 912 . Allerdings fällt es bereits unter "grob fahrlässig", wenn man sich vorher nicht fachkundig (d.h. Vermessungsbüro o.Ä.) vergewissert hat, dass man da auch tatsächlich auf dem eigenen Grundstück baut.
"Man kann sich an Grenzsteinen orientieren. Auf einen Zaun darf man sich nicht verlassen."
"Mauern und Zäune, Tore, Abflussvorrichtungen, Carporte sowie eine Abwassergruben fallen nicht darunter, wenn sie ohne Schaden für das (eigentliche) Bauwerk entfernt werden können. Es spielt keine Rolle, ob sich der Überbau oberhalb oder unterhalb der Erdoberfläche befindet."
Die Zitate sind von: http://www.finanztip.de/nachbarstreitigkeiten/

Und mehr dazu z.B. dort:
https://www.rechtslupe.de/zivilrecht/ueberbau-und-verjaehrung-326751
http://www.ballaschk.de/ueberbau.html

Auch wenn es besonders bitter ist, weil vielleicht schon ein vorheriger Eigentümer den Schaden angerichtet hat:
Ohne Entgegenkommen des Grundstückseigentümers läuft hier gar nichts.
Das Kaufangebot ist doch eine prima Lösung und dürfte sicher einiges günstiger sein als die Beseitigung/der Rückbau geschweige denn die Neuerrichtung auf dem eigenen Grundstück.
Eine Nutzungsentschädigung/Überbaurente wurde gar nicht gefordert?

Signatur:

Es hilft nichts,das Recht auf seiner Seite zu haben.Man muss auch m.d. Justiz rechnen - D Hildebrand

2x Hilfreiche Antwort

#2
 Von 
0815Frager
Status:
Master
(4953 Beiträge, 2376x hilfreich)

Zitat (von skydiver1977):
Meine Frage: Greift hier ggf. ein Bestandsschutz o.ä. aufgrund der langen Zeitspanne, in welcher dies offensichtlich toleriert wurde bzw. keine Einwände geltend gemacht wurden?

Es gibt keinen Bestandsschutz, das Grundstück ist ein fremdes Eigentum.
Zitat (von skydiver1977):
Habe ein altes Bild vermutlich aus den 60er Jahren gefunden - dort steht der Zaum schon im falschen Abstand zur Strasse.

Das Bild sollte man einrahmen lassen, denn es hat gar keinen Wert, außer das eben der Grundstückeigentümer noch rückwirkend die Forderung auf Nutzungsentschädigung stellen könnte.
Zitat (von skydiver1977):
Eine Wiederherstellung der regulären Grundstücksgrenzen scheidet jedoch bei allen aus - größtenteils wurden vollbiologische Kleinkläranlagen unter den Vorgärten (und damit eben auch auf dem Gemeindegrund) bzw. Garagen/Carports errichtet. Die Kosten hierfür wären immens.

Deshalb handelt die Gemeinde ja großzügig und bietet die Grundstück zum Kauf an, denn das müsste die Gemeinde gar nicht machen, im Gegenteil sie könnte den Rückbau verlangen. Welche Kosten hier auf den Einzelnen zukommen spielt keine Rolle.
Zitat (von skydiver1977):
Die Gemeinde hat uns nun die rechtswidrig genutzte Fläche zum Kauf angeboten, was aber durch eine Neuvermessung, Notarkosten usw. nicht unerheblich zu Buche schlagen wird.

Das ist ein gutes Angebot, man hat doch nie zu viel Grundstück im Besitz, jeder freut sich wenn er ein paar m² dazu kaufen kann.

3x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
skydiver1977
Status:
Frischling
(2 Beiträge, 0x hilfreich)

Vielen Dank für die ausführlichen und fachlich fundierten Antworten/Ratschläge!
Da bisher auch keine Entschädigung oder Überbaurente gefordert wurde, werde ich kaufen und hoffen, dass die Geschichte dann ohne weitere "Nachwirkungen" aus der Welt ist.

Danke...

0x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
aspergius
Status:
Praktikant
(919 Beiträge, 224x hilfreich)

Ich hab mal gehört...gerüchteweise...

Ihr seht, dass ich mich ganz vorsichtig ausdrücke.
Wenn ein Grundstücksbesitzer jemanden sein Grundstück über Jahrzehnte ohne Mietvertrag überläßt, soll diese Grundstück in den Besitz des Nutzes übergehen.

Gibt es so ein Gesetz oder eine Regelung?
Ich kann mir das kaum vorstellen. Aber ich habe von einem umgekehrten Fall gehört. Da benutze eine Gemeinde über Jahrzehnte unentgeldlich einen kleinen Schuppen. Eines
Tages ging der Gelandestreifen mit Schuppen in den Besitz der Gemeinde über.
Ich hab aber keine Ahnung ob das stimmt.

Signatur:

1x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(119398 Beiträge, 39718x hilfreich)

Zitat (von aspergius):
Wenn ein Grundstücksbesitzer jemanden sein Grundstück über Jahrzehnte ohne Mietvertrag überläßt, soll diese Grundstück in den Besitz des Nutzes übergehen.

Sobald der Nutzer das Grundstück nutzt, ist er der Besitzer.
Ändert halt nur nichts an den Eigentumsverhältnissen.



Zitat (von aspergius):
Gibt es so ein Gesetz oder eine Regelung?

Was ähnliches woraus diese Gerücht vermutlich entstanden ist:
Wenn man 30 Jahre lang unberechtigt als Eigentümer eingetragen war und das Grundstück immer in Besitz hatte, dann wird man Eigenümer kraft Gesetzes (§900 BGB ).



Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

0x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
-Laie-
Status:
Weiser
(16910 Beiträge, 5884x hilfreich)

Zitat (von aspergius):
Gibt es so ein Gesetz oder eine Regelung?
Besitz hat nichts mit Eigentum zu tun. Auch wenn man "illegaler weise" etwas in Besitz genommen hat, so bedeutet das noch lange nicht, dass man der Eigentümer ist.

0x Hilfreiche Antwort

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