Innere Meinung eines Kunden relevant für Haftung einer Direktbank?

8. Juni 2018 Thema abonnieren
 Von 
pal419507-35
Status:
Frischling
(36 Beiträge, 0x hilfreich)
Innere Meinung eines Kunden relevant für Haftung einer Direktbank?

Hallo zusammen,

in einem fiktiven Urteil verneint das Gericht die Verletzung einer haftungsbegründenden Warnpflicht einer Online-Direktbank gegenüber einem klagenden Kunde mit folgender Begründung:

"Der Kläger meint für sich eine eigene Risikoklasse [für Wertpapiere] geschaffen zu haben. Diese Einstufung sieht die Beklagte nicht vor. Eine Warnpflicht trifft sie schon vor diesem Hintergrund nicht. Es ist für sie nicht offensichtlich, dass der Kläger von ihren Risikoklassen abweicht und sich eine eigene Kategorie kreiert."

Diese Begründung ist für mich aus zwei Gründen vollkommen abstrus:

- Keine Kunde der Welt wird davon ausgehen, sich bei einer Online-Direktbank eine eigene Risikoklasse zu schaffen, das ist schon technisch gar nicht möglich. Kein gesunder Mensch wird daher von so etwas ausgehen.

- Selbst wenn dem so wäre: Der Kunde füllt die Formulare der Bank (online in einer Webmaske) aus uns sendet diese ab. Die Bank stuft den Kunden anhand nur dieser Angaben in eine Risikoklasse ein. Wo ist in diesem Vorgehen die innere Meinung des Kunden kausal für diese Einstufung und die Erkennbarkeit einer möglichen Falsch-Einstufung durch die Online-Direktbank?

Kann mir jemand erklären, wie ein Gericht zu diesem Rückschluss kommen kann?

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8 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
Harry van Sell
Status:
Unbeschreiblich
(120335 Beiträge, 39876x hilfreich)

Zitat (von pal419507-35):
Kann mir jemand erklären, wie ein Gericht zu diesem Rückschluss kommen kann?

Ganz einfach:
A) Durch ungeschickte Äußerungen des Kunden gegenüber der Bank und / oder dem Gericht.
B) Verkennung der Realität durch das Gericht - warum auch immer.


Signatur:

Meine persönliche Meinung/Interpretation!
Im übrigen verweise ich auf § 675 Abs. 2 BGB

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#2
 Von 
pal419507-35
Status:
Frischling
(36 Beiträge, 0x hilfreich)

Zitat:
B) Verkennung der Realität durch das Gericht - warum auch immer.


Und inwiefern ist das noch durch die ZPO gedeckt? Muss ein Gericht bei seiner Bewertung des Sachverhaltes nicht auch ein gewisses Mindestmaß an "Menschenverstand" zeigen, welches von einem normal gebildeten Menschen schlichtweg vorausgesetzt werden kann?

Verbietet die ZPO keine für jedermann offensichtlich unmöglichen Sachverhalte und Kausalitäten in der Urteilsbegründung?

0x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
eh1960
Status:
Senior-Partner
(6277 Beiträge, 1501x hilfreich)

Zitat (von pal419507-35):

Diese Begründung ist für mich aus zwei Gründen vollkommen abstrus:

- Keine Kunde der Welt wird davon ausgehen, sich bei einer Online-Direktbank eine eigene Risikoklasse zu schaffen, das ist schon technisch gar nicht möglich. Kein gesunder Mensch wird daher von so etwas ausgehen.

Das ist eine, pardon, unsinnige Unterstellung. A) ist es unrealistisch, und b) ist offenbar im entschiedenen Fall tatsächlich jemand davon ausgegangen.
Zitat:

- Selbst wenn dem so wäre: Der Kunde füllt die Formulare der Bank (online in einer Webmaske) aus uns sendet diese ab. Die Bank stuft den Kunden anhand nur dieser Angaben in eine Risikoklasse ein. Wo ist in diesem Vorgehen die innere Meinung des Kunden kausal für diese Einstufung und die Erkennbarkeit einer möglichen Falsch-Einstufung durch die Online-Direktbank?

In der Meinung des Kunden. Deshalb hat er ja wohl auch geklagt.
Zitat:

Kann mir jemand erklären, wie ein Gericht zu diesem Rückschluss kommen kann?

Durch eine Beweisaufnahme und Beurteilung der erhobenen Tatsachen.

Signatur:

Eine "UG" gibt es nicht. Es gibt nur die "UG haftungsbeschränkt".

0x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
eh1960
Status:
Senior-Partner
(6277 Beiträge, 1501x hilfreich)

doppelt durch serverfehler

-- Editiert von eh1960 am 09.06.2018 01:40

Signatur:

Eine "UG" gibt es nicht. Es gibt nur die "UG haftungsbeschränkt".

0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
mepeisen
Status:
Unsterblich
(24959 Beiträge, 16169x hilfreich)

Entscheidend ist die Meinung des Kunden exakt dann, wenn sie von der Bank geschürt wurde. Anders herum: Der Kunde muss nachweisen, dass seine "eigene geschaffene Risikoklasse" genauso deswegen von ihm geschaffen wurde, weil die Bank mit Aussagen und Wertungen bei einem verständigen und ggf. erfahrenen Kunden exakt das provoziert hat.

Wenn ich "importierte Tomaten" kaufe, kann ich nicht behaupten, ich hätte aber für mich die Meinung geschaffen, das seien Bio-Tomaten aus der Region.

Signatur:

Mitglied im AK Inkassowatch. Anfragen per PM. Meine Beiträge stellen keine Rechtsberatung dar. Siche

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#6
 Von 
pal419507-35
Status:
Frischling
(36 Beiträge, 0x hilfreich)

Zitat:
b) ist offenbar im entschiedenen Fall tatsächlich jemand davon ausgegangen.


Zitat:
Der Kunde muss nachweisen, dass seine "eigene geschaffene Risikoklasse" genauso deswegen von ihm geschaffen wurde


Ich muss wohl einen weiteren relevanten Sachverhalt nachtragen, denn die Behauptung einer neu geschaffenen Risikoklasse stammt von der Bank!

Zitat:
Entscheidend ist die Meinung des Kunden exakt dann, wenn sie von der Bank geschürt wurde.


Genau das trägt die Bank ja selbst vor.

1) Der Kunde hat vorgetragen: Es gibt 6 Risikoklassen und weil ich gar nicht alle Dokumente für die Risikoklasse 6 eingereicht hatte, war ich immer noch in der Risikoklasse 5. Das Beweisen auch Schriftstücke diverserer Mitarbeiter der Bank, bei denen ich nachgefragt habe.

2) Die Bank hat vorgetragen: Es gab irgendwann eine Änderung bei uns (ohne Nachweis hierfür zu bringen): Risikoklasse 6 wurde aufgeteilt, das haben wir nur unseren Mitarbeitern nicht mitgeteilt, daher haben sich diese alle (insgesamt 6 Personen) geirrt. Der Kunde hat einen Teil der Dokumente für die Risikoklasse 6 eingereicht, also haben wir ihn auch teilweise dafür freigeschaltet (Klasse 6 a). Nur für Klasse 6 b war er nicht freigeschaltet. Weil unser eigenes Formular an dieser Stelle auch anders interpretiert werden kann, musste der Kunde davon ausgehen, dass er für 6 a freigeschaltet war.

3) Der Kunde trägt vor: Es gibt hier eine Vielzahl von Dokumenten (bis hin zu Vertragsbedingungen), die belegen, dass keine Klassen 6 a und 6 b existieren, sondern ausschließlich eine Klasse 6. Ich kannte diese Dokumente (ich habe sie wie folgt gefunden, da sie frei zugänglich sind) und bin entsprechend auch davon ausgegangen, dass es eben genau diese 6 Klassen gibt. Es steht doch sogar in den Vertragsbedingungen!

4) Die Bank trägt vor: Der Kunde kannte offensichtlich diese Dokumente nicht.


Die Bank hat eine bloße Behauptung aufgestellt (ohne jeglichen Nachweis), dass es bei ihr eine Aufteilung in 6 a und 6 b gab. Der Kunde hat erfolgreich das Gegenteil bewiesen und das Gericht bestätigt im Urteil: eine Unterteilung der Klasse 6 sieht die Bank nicht vor.

Meine 2 Fragen dazu:

Die Unterstellung der Bank, der Kunde sei von dieser Unterteilung ausgegangen, hat der Kunde seit Prozessbeginn vehement mit Nachweisen bestritten. Da diese Behauptung, der Kunde sei von etwas falschem, nicht existenten ausgegangen, von der Bank stammt (da diese für die Bank günstig wäre), muss diese nicht auch entsprechend den Nachweis dafür führen? (Die Bank behauptet ja nicht nur, dass der Kunde etwas nicht wusste (Beweislast beim Kunden), sondern sie behauptet, dass er von etwas ganz bestimmtem ausgegangen ist). Der einzige Indizienbeweis der Bank ist, dass ihr eigenes Formular an dieser Stelle missverständlich formuliert ist und sie daher selbst einen Irrtum provoziert hätte.

Und selbst wenn die Bank diesen Nachweis erbracht hätte: damit wäre nur nachgewiesen worden, dass der Kunde eine falsche Vorstellung von der Unterteilung der Risikoklassen hat. Dass er aktiv in diesen Prozess eingreifen und eine neue Risikoklasse durch seine Angaben "kreieren" kann, entstammt ausschließlich der Meinung des Gerichts und das auch überraschend erst im Urteil. Darf das Gericht eine derartige, vollkommen realitätsferne und unmöglich umsetzbare Auslegung das Sachverhaltes urteilserheblich dazudichten und das auch noch ohne Beweisaufnahme?

-- Editiert von pal419507-35 am 09.06.2018 08:45

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#7
 Von 
mepeisen
Status:
Unsterblich
(24959 Beiträge, 16169x hilfreich)

Zitat:
Da diese Behauptung, der Kunde sei von etwas falschem, nicht existenten ausgegangen, von der Bank stammt (da diese für die Bank günstig wäre), muss diese nicht auch entsprechend den Nachweis dafür führen?

Nüchtern betrachtet: Ja

Zitat:
Es gibt 6 Risikoklassen und weil ich gar nicht alle Dokumente für die Risikoklasse 6 eingereicht hatte, war ich immer noch in der Risikoklasse 5

Verstehe ich das richtig, dass man aber einen Teil der Dokumente eingereicht hat? Wieso hat man das, obwohl die doch für Risikoklasse 5 offenbar nicht notwendig waren? Wurde dem gericht dazu eine Erklärung geliefert?

Denn rein sachlich würde ich mal sagen, dass der Kunde genau wusste, was er tat. Die Schlussfolgerung des Gerichts klingt nicht völlig absurd, wenn man sich die Frage stellt, was der Kunde mit den zusätzlichen Dokumenten bezwecken wollte.

Signatur:

Mitglied im AK Inkassowatch. Anfragen per PM. Meine Beiträge stellen keine Rechtsberatung dar. Siche

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#8
 Von 
pal419507-35
Status:
Frischling
(36 Beiträge, 0x hilfreich)

Zitat:
Verstehe ich das richtig, dass man aber einen Teil der Dokumente eingereicht hat? Wieso hat man das, obwohl die doch für Risikoklasse 5 offenbar nicht notwendig waren? Wurde dem gericht dazu eine Erklärung geliefert?


Richtig, der Kunde hatte vorher einmal versucht, KO-Zertifikate zu erwerben, welche er nicht handeln konnte, weil er in der Klasse 5 war und die Papiere in der Klasse 6. Also hat er ein Formular ausgefüllt, dass er die Klasse 6 handeln möchte.

Auf diesem Formular steht, dass für die Freischaltung der Klasse 6 eine zusätzliche Risikoaufklärung verschickt wird, welche der Kunde schriftlich bestätigen muss. Die Risikoaufklärung bezieht sich auf die "Risiken von Optionsscheinen und Finanztermingeschäften."
Der Kunde hat diese Risikoaufklärung gelesen und gemerkt, dass die dort genannten Risiken für ihn zu hoch sind; also hat er sie nicht ausgefüllt und auch nicht abgeschickt. Er ist davon ausgegangen, dass er seitens der Bank somit nicht für die Klasse 6 freigeschaltet ist (das KO-Zertifkat konnte er auch weiterhin nicht handeln), da es der normale Prozess ist, dass der Kunde die Risikoaufklärung erst nach dem Ausfüllen des ersten Formulars erhält und sofern er diese nicht unterschreibt auch keine Freischaltung erfolgt (dies bestätigen auch alle 6 Mitarbeiter der Bank genau so). Entsprechend hat er auch die Idee aufgegeben, KO-Zertifikate handeln zu wollen, weil er die in der Risikoaufklärung genannten Risiken der Klasse 6 nicht eingehen wollte.

Die Bank meint nun, dass diese Risikoaufklärung sich nur auf einen Teil der Klasse 6 (also den Teil 6b) bezieht, welche Optionsscheine und Finanztermingeschäfte umfasst. Für den Teil 6a hat man den Kunden daher durch sein Formular freigeschaltet. Davon musste auch der Kunde ausgehen, weil sich die Risikoaufklärung nur auf Optionsscheine und Finanztermingeschäfte bezieht, welche nur einen Teil der Produktklasse 6 ausmachen.

Hingegen steht auf diversen anderen Formularen und in den Vertragsbedingungen der Bank, dass die Freischaltung sich auf die gesamte Produktklasse 6 bezieht. Angeblich kannte der Kunde laut der Bank diese Formulare aber nicht.

Anmerkung: Es geht hier nicht darum, ob die Bank den Kunden auch ohne die Risikoaufklärung für die Klasse 6b hätte freischalten können. Die "Freischaltung" ist ein eigener Punkt, welcher jedoch nicht urteilserheblich für die genannte Warnpflicht ist, was man auch dem Urteil entnehmen kann. Selbst wenn es richtig gewesen wäre, dass der Kunde durch seine Angaben 6a + 6b bzw. die ganze Klasse 6 freigeschaltet bekommen hat, hätte die Bank ihn vor den ersten Geschäften in der Klasse 6 warnen müssen, weil er noch unerfahren war (was der Bank auch bekannt war, denn sie hat selbst behauptet, dass dem Kunden aufgrund seiner Unerfahrenheit ein derartiger Warnhinweis für ein Produkt der Klasse 6a angezeigt wurde).

Zusammengefasst:

Die Bank behauptet also, dass sie selbst auf einem von mehreren Formularen eine möglicherweise missverständliche Überschrift gewählt hat, welche beim Kunden den Eindruck erwecken könnte, dass die Risikoaufklärung nur für eine Untermenge der Klasse 6 gilt, obwohl es tatsächlich (so urteilt auch das Gericht) gar keine Unterteilung der Klasse 6 gibt. Sofern die Bank mit ihrer eigenen missverständlichen Information den Kunden erfolgreich getäuscht hat, entbindet ihre selbst verursachte Täuschung des Kunden sie dann von ihrer objektiven Warnpflicht, weil für sie nicht offensichtlich ist, ob der Kunde ihrer Täuschung unterlegen ist?

Zur Erinnerung: Das Gericht urteilt, dass die falsche Meinung des Kunden für die Bank nicht offensichtlich war. Dabei ist das einzige Indiz dafür, dass der Kunde eine falsche Meinung hatte, dass die Bank selbst vorträgt, dass ihr eigenen Unterlagen von einem Kunden in dieser Hinsicht missverständlich ausgelegt werden können.

-- Editiert von pal419507-35 am 09.06.2018 11:34

-- Editiert von pal419507-35 am 09.06.2018 11:37

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