Sonderurlaub für die Geburt des eigenen Babys?

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Für Väter: Voraussetzung und Dauer von Sonderurlaub zur Geburt

Die Spannung steigt - Die Geburt eines Babys steht ins Haus. Man muss nun täglich mit dem Einsetzen der Wehen und der Entbindung des Babys rechnen. Für die meisten Väter ist es selbstverständlich, bei der Geburt dabei zu sein. Aber ist das auch immer so umsetzbar und mit dem Job vereinbar? 123recht.de im Interview mit Rechtsanwalt Harald Klinke.

123recht.de: Herr Klinke, hat der Vater ein Recht auf Sonderurlaub für die Geburt?

Harald Klinke
Partner
seit 2011
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Migrationsrecht
Hausdorffstraße 9
53129 Bonn
Tel: +49(0)228.949040
Web: http://www.kanzlei-klinke.de
E-Mail:
Vertragsrecht, Zivilrecht

Rechtsanwalt Klinke: Diese Frage lässt sich leider nicht pauschal mit einem „Ja" beantworten. Ob ein Vater ein „Recht auf Sonderurlaub" bei Geburt seines Kindes hat, hängt nämlich unter anderem davon ab, ob das Arbeitsverhältnis von einem Tarifvertrag erfasst wird, der Fälle von Sonderurlaub ausdrücklich regelt, es im Betrieb entsprechende Vereinbarungen gibt und nicht zuletzt davon, was in dem Arbeitsvertrag selbst steht. Ein Anspruch kann sich auch aus einer betrieblichen Übung (eine bestimmte Leistung wird einem Arbeitnehmer vorbehaltlos dreimal hintereinander gewährt) oder aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben: Werden nach allgemeinen Richtlinien im Betrieb bestimmten Arbeitnehmergruppen Vergünstigungen gewährt, darf der Arbeitgeber nicht willkürlich einzelne Arbeitnehmer davon ausschließen. Ob ein „Recht auf Sonderurlaub" besteht, kann also von Fall zu Fall verschieden sein.

123recht.de: Ist Sonderurlaub irgendwo geregelt?

Rechtsanwalt Klinke: Für Arbeitsverhältnisse gelten allgemein die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Dort findet sich der Begriff „Sonderurlaub" nicht. Aber § 616 BGB bestimmt, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Vergütung behält, wenn er „für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann bzw. ihm dies nicht zumutbar ist, wozu auch die Geburt eines Kindes gehört. Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge regeln oft Anlässe für Sonderurlaub und insbesondere auch die konkrete Dauer für den jeweiligen Anlass. Für Beamte und Richter treffen Freistellungs- und Urlaubsverordnungen entsprechende Regelungen.

Regelungen im Arbeitsvertrag - weniger ist manchmal mehr

§ 616 BGB kann allerdings - ganz oder teilweise - ausgeschlossen werden. Dies geschieht in Arbeitsverträgen unter dem Punkt „Arbeitsverhinderung / Entgeltfortzahlung" bisweilen durch die Formulierung: „Im Übrigen wird nur geleistete Arbeit vergütet. § 616 BGB wird ausgeschlossen". Ein solcher Ausschluss ist zulässig. Enthalten Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen abschließend ganz konkrete Fälle für die Gewährung von Sonderurlaub, dann reicht das aus, um für nicht aufgeführte Anlässe einen vereinbarten Ausschluss des § 616 BGB anzunehmen. Steht im Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung nichts zum Sonderurlaub - also auch nichts von einem Ausschluss des § 616 BGB -, dann kann sich der Vater bei Geburt seines Kindes auf § 616 BGB berufen und hat Anspruch auf Sonderurlaub.

Damit es später keinen Ärger gibt, sollte der Vater also zuerst in seinen Arbeitsvertrag und in die auf den Arbeitsvertrag anwendbaren Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen schauen bzw. die Personalabteilung, den Betriebsrat oder einen versierten Rechtsanwalt fragen.

Aber auch, wenn der Arbeitsvertrag einen Ausschluss enthält, lohnt sich ein Gespräch mit dem Chef: Oft bekommt der Arbeitnehmer nämlich trotzdem – wenn auch nicht unbedingt gegen Fortzahlung seiner Vergütung – für die Geburt seines Kindes frei.

123recht.de: Was sind die grundsätzlichen Bedingungen für die Gewährung von Sonderurlaub für die Geburt und was muss ich tun, um ihn zu bekommen?

Rechtsanwalt Klinke: Grundsätzlich sind die Bedingungen zu erfüllen, die eine Verordnung, ein Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder der Arbeitsvertrag für die Gewährung von Sonderurlaub vorsehen. Sind dort keine Bestimmungen enthalten, gilt für Arbeitnehmer § 616 BGB, der im Wesentlichen drei Voraussetzungen nennt:

- Verhinderung aus persönlichen Gründen

- für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit

- die Verhinderung darf der Arbeitnehmer nicht schuldhaft selbst herbeigeführt haben.

Die Geburt des eigenen Kindes erfüllt all diese Voraussetzungen. Anders als z.B. im Falle der Lohnfortzahlung wegen einer Erkrankung enthält § 616 BGB keine Pflicht des Arbeitnehmers, seinen Arbeitgeber von der Verhinderung zu unterrichten oder Sonderurlaub zu beantragen. Aus der allgemeinen Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber wird aber abgeleitet, dass er seinen Chef so früh wie möglich über die Verhinderung informieren muss. Sonst kann er sich schadensersatzpflichtig machen und abgemahnt oder im schlimmsten (Wiederholungs-) Fall sogar gekündigt werden.

123recht.de: Wie lange hat man ein Recht auf Sonderurlaub, wenn ein Baby geboren wird?

Rechtsanwalt Klinke: Es gibt Tarifverträge, die dem Ehemann für die Niederkunft seiner Frau Sonderurlaub von 3 Arbeitstagen gewähren. Dies stellt aber die Ausnahme dar. Wenn keine ausdrücklichen Vereinbarungen zur Dauer des Sonderurlaubs getroffen wurden, wird man in Anlehnung an § 29 TVöD von 1 bis 2 Tagen Sonderurlaub für die Geburt des eigenen Kindes ausgehen dürfen.

Grundsätzlich gilt: je länger das Arbeitsverhältnis, desto großzügiger der Sonderurlaub

123recht.de: Kann der Sonderurlaub vom Arbeitgeber verwehrt werden?

Rechtsanwalt Klinke: Auch hier hängt es im Wesentlichen davon ab, auf welcher Grundlage der Sonderurlaub in Betracht kommt. § 616 BGB sieht kein Ermessen des Arbeitgebers vor. Nach dieser Norm kann der Arbeitgeber den Sonderurlaub an sich nicht verwehren. Da die Vorschrift allerdings nicht zwingend ist, sondern vertraglich ausgeschlossen werden kann, sind auch Regelungen im Arbeitsvertrag, in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen zulässig, wonach bei der Frage einer Gewährung von Sonderurlaub berechtigte Interessen des Arbeitgebers zu berücksichtigen sind und dienstliche oder betriebliche Belange dem Sonderurlaub nicht entgegenstehen dürfen. In jedem Fall sollte ein Arbeitnehmer im Falle einer Weigerung des Arbeitgebers nicht eigenmächtig den beabsichtigten Sonderurlaub nehmen, sondern nach rechtlicher Beratung seine Interessen ggf. mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen. Hierzu gibt es besondere Eilverfahren.

Geburtstermin so früh wie möglich mitteilen

123recht.de: Was mache ich, wenn das Baby nicht am errechneten Termin kommt?

Rechtsanwalt Klinke: Der werdende Vater sollte dem Arbeitgeber so früh wie möglich den errechneten Geburtstermin mitteilen. Kommt das Kind früher oder später zur Welt, sollte der Arbeitnehmer dies ebenfalls so früh wie möglich mitteilen.

Sofern ein Anspruch auf Sonderurlaub wegen der Geburt des Kindes nicht ausgeschlossen oder durch besondere Vereinbarungen eingeschränkt ist, ist es dann unerheblich, wenn das Baby nicht am errechneten Tag kommt. Nach § 616 BGB besteht der Anspruch auf bezahlte Freistellung, wenn der Arbeitnehmer verhindert ist. Dies ist an dem Tag der Fall, an dem das Kind geboren wird.

123recht.de: Bekomme ich an einem Montag Sonderurlaub, wenn das Baby Sonntag kam?

Rechtsanwalt Klinke: Ob ein Anspruch auf Sonderurlaub nur an dem Tag der Geburt selbst besteht oder aber auch an einem anderen Tag, ist umstritten. Maßgeblich dürfte der Zweck des Sonderurlaubs sein. Geht es darum, bei der Geburt anwesend zu sein, kommt Sonderurlaub auch nur an diesem Tag in Frage. Besteht an diesem Tag keine Verpflichtung zu arbeiten, kann der Arbeitnehmer auch nicht verhindert sein. Es entsteht dann kein Anspruch auf Sonderurlaub, auch nicht an einem anderem Tag.

Steht allerdings ein anderer Zweck im Vordergrund, kommt auch die Möglichkeit in Betracht, den Sonderurlaub an einem anderen Tag zu nehmen. Ist der Anspruch in einem Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt, kann die entsprechende Formulierung bedeutsam sein. In vielen Regelungen wird Sonderurlaub „bei Niederkunft der Ehefrau /Lebenspartnerin" gewährt, nicht für die Geburt des eigenen Kindes oder gar „am Tag der Geburt". Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 28.04.2011 zu Az. 6 Sa 91/11) hat z.B. entschieden, dass Sonderurlaub „bei Niederkunft der Ehefrau" nicht am Tag der Geburt selbst genommen werden muss, sondern „anlassbezogen auch zu einem späteren Zeitpunkt beansprucht werden" kann.

In einem solchen Fall ist allerdings exakt auf den Wortlaut der Vereinbarung zu achten. Ist in der Regelung nur die Ehefrau genannt, nicht aber die Lebensgefährtin, kann auch nur ein verheirateter Vater Sonderurlaub beanspruchen, nicht aber der Vater eines nichtehelichen Kindes. Dies stellt nach der Rechtsprechung keine unzulässige Ungleichbehandlung dar.

Erholungsurlaub schließt Sonderurlaub aus

123recht.de: Wenn ich im Erholungsurlaub bin, bekomme ich trotzdem Sonderurlaub für den Tag der Geburt?

Rechtsanwalt Klinke: Nein. Ist der Erholungsurlaub nicht nur beantragt, sondern auch bewilligt, besteht für diesen Zeitraum keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung mehr. Damit kann auch keine Verhinderung mehr eintreten, die einen Anspruch auf Sonderurlaub begründen könnte. Etwas anderes gilt nur, wenn der Urlaub zwar beantragt, aber noch nicht bewilligt ist. Dann kann der Vater den Sonderurlaub noch geltend machen und nur für die übrige Zeit Erholungsurlaub beantragen. Auch kann im Arbeitsvertrag oder einer sonst für das Arbeitsverhältnis geltenden Norm bestimmt sein, wie in einem solchen Fall zu verfahren ist. Dies ist aber eher selten der Fall.

123recht.de: Muss ich etwas beachten, wenn ich im flexiblen Arbeitszeitmodell arbeite?

Rechtsanwalt Klinke: Ja. Bietet der Arbeitgeber des Vaters beispielsweise ein Gleitzeitmodell an, kommt Sonderurlaub nur in der „Kernarbeitszeit" in Frage. In der Gleitzeit ist der Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet. Er kann daher auch nicht „verhindert" sein. Entscheidet der Arbeitnehmer aber durch Gleitzeit selbst über Lage und Dauer der täglichen Arbeitszeit, muss er im Falle von „Verhinderungen" zunächst Gleitzeit in Anspruch nehmen und erhält keinen Stundenausgleich von seinem Arbeitgeber. Den bekommt der Vater nur dann, wenn die „Verhinderung" einen Umfang erreicht, der es ihm unmöglich macht, die Arbeitsleistung durch Inanspruchnahme von Gleitzeit nachzuholen.

123recht.de:Vielen Dank Herr Klinke!

Für Fragen oder Anregungen zu diesem Artikel wenden Sie sich bitte an den Verfasser:

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Rechtsanwalt Harald Klinke
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