Betriebsbedingte Kündigung - Kündigungsschutzklage

19. Dezember 2012 Thema abonnieren
 Von 
Oje_1
Status:
Frischling
(12 Beiträge, 5x hilfreich)
Betriebsbedingte Kündigung - Kündigungsschutzklage

Hallo,

ich brauche dringend Rat, ob es sich in meinem Fall lohnt, gegen die Kündigung gerichtlich vorzugehen.

Mein Ziel ist vor Gericht zu erwirken, dass die Kündigung als nicht rechtens/sozialunverträglich zurückgenommen wird.

Hier sind die wichtigsten Angaben zu meinem Kündigungsfall:
Der Betrieb ist ein Autohaus (GmbH) mit angeschlossener Werkstatt mit über 10 Vollzeitbeschäftigten. Betriebsrat gibt es nicht. Ich bin als Bürokaufmann mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 42 Stunden beschäftigt. Nach knapp 2,5 Jahren der Betriebszugehörigkeit wurde ich zum Monatsende ordentlich gekündigt. Als Hauptkündigungsgrund werden betriebsbedingte Umstände genannt, sprich schwierige Auftragslage, wirtschaftliche Situation etc.
Da sich jedoch der Arbeitsaufwand seit meiner Einstellung im Jahre 2010 bis heute nicht verringert hat und die Arbeitnehmer oft Überstunden leisten müssen, sehe ich die Kündigung aus betrieblichen Gründen als nicht gegeben an. Auch dürfen bei uns z.B. zwei Mitarbeiter nicht gleichzeitig frei oder Urlaub nehmen, da dies zum Arbeitsanfall führt. Wenn jemand krankheitsbedingt fehlt, müssen die anderen Mehrarbeit leisten.

Eine Abneigung zu meiner Person habe ich übrigens zu spüren bekommen, nachdem ich meinen gesetzlichen Anspruch auf einen zweimonatigen Erziehungsurlaub geltend gemacht habe. Einige Zeit später nach meiner Elternzeit hat ein Gespräch zwischen dem Geschäftsinhaber und mir stattgefunden. In dem Gespräch hat er mir unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er es nicht in Ordnung findet, wenn jemand in seinem Betrieb für längere Zeit von der Arbeit freigestellt werden muss. Da während ich fehlte, jemand anderer meine Arbeit erledigen musste. In diesem Fall war es seine Frau, die nach seinen Worten täglich bis spät Abend sowie samstags und sonntags arbeiten musste. [Alle diese Infos habe ich in meiner Klage mit aufgeführt]. Dazu muss ich noch hinzufügen, dass ich meine vertraglichen Pflichten stets einwandfrei erfüllt habe, was der Beklagte auch in meinem Arbeitszeugnis im Jahr 2011 bescheinigte. Auch meine krankheitsbedingten Fehlzeiten bewegen sich auf einem unterdurchschnittlichen Niveau (unter 5 Tage pro Jahr). Abmahnungen habe ich keine.

Ich habe eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingereicht und bereits an einem Güteverfahren teilgenommen. Der Beklagte hat sich durch seinen Anwalt vertreten lassen. Ich konnte mir diesen Luxus leider nicht leisten.
Bei diesem Termin habe ich meine Klage nochmals nachvollziehbar begründet. Betriebsbedingte Gründe kann ich als Mitarbeiter keine erkennen (sieh oben).
Die Kündigung ist aber auch sozialunverträglich, da ich ein kleines Kind (5 Monate alt) habe und meine Frau momentan nur das Elterngeld bekommt, so dass die Familie auf meinen Lohn angewiesen ist.

Der Anwalt des Beklagten sprach über die schwierige wirtschaftliche Lage, im Sinne von "Sie wissen doch, es ist Krisenzeit, da muss man nichts extra erläutern". Die Richterin nickte dabei zustimmend mit dem Kopf. Auf meine kritischen Nachfragen, dass der Betrieb auch nachvollziehbar aufzeigen muss, dass es sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet, wurde mir gesagt, dass das Gericht gar keinen Zugriff auf die finanziellen Firmendaten oder ähnliches hat. Die schwierige wirtschaftliche Lage des konkreten Betriebes wird anhand von irgendwelchen Wirtschaftsberichten über die Branche im Allgemeinen begründet! ([color=red]Stimmt das??[/color] ) Diese Berichte wird, so viel ich verstanden habe, die Seite des Beklagten vorlegen. Da war ich sprachlos. Ich wusste gar nicht, dass es für eine betriebsbedingte Kündigung ausreicht, wenn in irgendwelchen Berichten steht, dass es der Branche momentan nicht so gut geht. Das Gericht selbst nimmt dabei eine passive Rolle und überprüft gar nicht die tatsächliche Auftragslage des betroffenen Betriebes.

Bei dem Termin (Güteverfahren) hat mir die Richterin gesagt, dass meine Chancen den Prozess zu gewinnen schlecht stehen. Auch im Hinblick auf die Sozialunverträglichkeit der Kündigung habe sie keine Bedenken, da die anderen Büromitarbeiter im Alter von über 50 sind bzw auch Kinder haben und dort länger als ich arbeiten. Es wurde mir eine Abfindung in Höhe von etwa 1,3 Brutto-Monatslöhnen angeboten.

Nun frage ich mich, ob es sich angesichts der unerfreulichen Einschätzung der Richterin für mich überhaupt lohnt, den Klageweg weiterzugehen, oder ist es sinnvoller, die Abfindung zu akzeptieren? Nochmals, es geht mir darum, dass die Kündigung zurückgenommen wird. Wie schätzen Sie meine Chancen ein?

Vielen Dank!
Nick


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-- Editiert Oje_1 am 19.12.2012 00:21

-- Editiert Oje_1 am 19.12.2012 00:21

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6 Antworten
Sortierung:
#1
 Von 
mepeisen
Status:
Unsterblich
(24959 Beiträge, 16164x hilfreich)

quote:
Es wurde mir eine Abfindung in Höhe von etwa 1,3 Brutto-Monatslöhnen angeboten.

Das entspricht im Übrigen der gängigen praxis (halber Monatslohn pro Arbeitsjahr).

Wenn das Tischtuch einmal zerschnitten ist, ist es zerschnitten. Da kommt man nicht drumherum.

Wenn die Richterin das so deutlich gesagt hat, stellen sich mir zwei Fragen:

A) Kann man irgendetwas nachweisen, dass die Arbeit kaum zu schaffen ist, dass alle unter Vollast arbeiten? Beispielsweise mit dem zeitnachweis, ausbezahlter Überstunden u.ä.

B) Gibt es diese Wirtschaftsberichte überhaupt. Natürlich ist die Richterin nicht blöd und jeder weiss, dass die Branche überhitzt wurde durch diese Abwrackprämie. Der Absatz ist vielfältig eingesunken, seit es die nicht mehr gibt. Es gibt durchaus in der Branche das Problem und sei mal sicher, dass irgendetwas auch vorgelegt werden kann.
Die Frage ist, kann man das wirksam entkräften und vor allem, kann man starke Gegenbeweise vorbringen, dass es ausgerechnet dem Autohaus gut geht (ein genialer Beweis wäre beispielsweise, dass bereits eine neue Stelle ausgeschrieben ist, aber so blöd wird der Arbeitgeber bestimmt nicht sein).

Den Weg weitergehen, das kann ziemlich in die Hose gehen. Ohne Anwalt erst Recht. Ob aber auch ein Anwalt das rumreissen kann, ist fragwürdig. Zudem: In erster Instanz muss man die Anwaltskosten selbst bezahlen, auch wenn man gewinnt.

Die Richterin urteilt anhand dessen, was ihr vorgelegt wird. Wenn sie sagt, die Chancen stehen schlecht, ist das nicht darauf bezogen, wie es ausgeht, sondern darauf, was die Parteien bisher vorgebracht worden. Entweder du kannst kräftig nachlegen, den immensen Boom des Autohauses nachweisen oder du verlierst, so einfach würde ich es sehen.
Die Wirtschaftsberichte der Branche ziehen als Argument nur, wenn das Autohaus davon betroffen ist. Wenn es Stellen abbauen will, aber soviel Arbeit wie nie da ist, passt die Argumentation von den Absatzproblemen der Branche nicht...

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"Meine Beiträge stellen keine Rechtsberatung dar. Sicherheit gibts nur beim Anwalt."

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#2
 Von 
Jennerwein
Status:
Praktikant
(510 Beiträge, 159x hilfreich)


nimmst du den vorgeschlagenen Vergleich an, entstehen dir keine weiteren Kosten mehr

frag dich selbst : welche Chancen hättest du noch in diesem kleinen Autohaus, selbst wenn du die Klage gewinnen würdest, was alles andere als sicher wäre,
zukünftig noch längerfristig unter annehmbarem Betriebsklima dort weiterzuarbeiten ?

ich stimme mepeisen zu
in diesem Fall vernünftigerweise einen Schlußstrich zu ziehen



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"Tra il dire e il fare c’è di mezzo il mare.
(Zwischen Reden und Tun liegt das Meer) ital.Sprichwort"

1x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
Oje_1
Status:
Frischling
(12 Beiträge, 5x hilfreich)

Vielen Dank für schnelle Antworten!

quote:
A) Kann man irgendetwas nachweisen, dass die Arbeit kaum zu schaffen ist, dass alle unter Vollast arbeiten? Beispielsweise mit dem zeitnachweis, ausbezahlter Überstunden u.ä.


Diese Daten gibt es natürlich in der Buchhaltung. Um diese auswerten zu können, muss ich aber zuerst irgendwie Zugriff darauf haben...

quote:
Die Richterin urteilt anhand dessen, was ihr vorgelegt wird. Wenn sie sagt, die Chancen stehen schlecht, ist das nicht darauf bezogen, wie es ausgeht, sondern darauf, was die Parteien bisher vorgebracht worden. Entweder du kannst kräftig nachlegen, den immensen Boom des Autohauses nachweisen oder du verlierst, so einfach würde ich es sehen.Die Wirtschaftsberichte der Branche ziehen als Argument nur, wenn das Autohaus davon betroffen ist. Wenn es Stellen abbauen will, aber soviel Arbeit wie nie da ist, passt die Argumentation von den Absatzproblemen der Branche nicht...


Bei einer betriebsbedingten Kündigung hat man somit als Arbeitnehmer praktisch keine Möglichkeit, sich wirkungsvoll zur Wehr zu setzen, da man keinen Zugriff auf die Zahlen hat, die über die aktuelle Auftragslage der Firma aussagen können. Und selbst wenn, wäre es auch problematisch damit in die Öffentlichkeit zu gehen, wegen Verschwiegenheitspflicht. Ich bin logischerweise davon ausgegangen, dass es der Arbeitgeber ist, der beim Gericht seine schlechte wirtschaftliche Lage anhand von konkreten Zahlen nachweisen muss, wenn es schon Mitarbeiter entlassen will. Das war ein Schock für mich zu erfahren, dass der Kündigungschutz nur eine leere Worthülse ist, die in der Praxis kaum durchzusetzen ist...
Für den Arbeitgeber reicht es das Gericht einfach nur auf irgendwelche Wirtschaftsberichte zu verweisen, und ich als einfacher Büromitarbeiter muss komplizierte wirtschaftliche Zusammenhänge der Branche und der betreffenden Firma auswerten, Umfang der Überstunden meiner Kollegen ermitteln und und und, um irgendwie das Gegenteil zu beweisen... Da ist was komplett falsch im System.

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-- Editiert Oje_1 am 19.12.2012 03:19

1x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
Jennerwein
Status:
Praktikant
(510 Beiträge, 159x hilfreich)


wir sind ja erst bei der Güteverhandlung,
der Richter ist in erster Linie an einem Vergleich interessiert
weshalb auch die Einschätzung, die er in der Güteverhandlung abgibt, nicht zwingend darauf hinausläuft, wie letztendlich ein Urteil aussieht, falls er eines sprechen muß

§ 54 ArbGG
Güteverfahren

(1) Die mündliche Verhandlung beginnt mit einer Verhandlung vor dem Vorsitzenden zum Zwecke der gütlichen Einigung der Parteien (Güteverhandlung). Der Vorsitzende hat zu diesem Zwecke das gesamte Streitverhältnis mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern.

§ 57 ArbGG
(2) Die gütliche Erledigung des Rechtsstreits soll während des ganzen Verfahrens angestrebt werden.

er hat natürlich auch die entsprechende Erfahrung, um zu erkennen, daß es in vielen Fällen letztendlich immer auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinausläuft,
selbst wenn im vorliegenden Fall "betriebsbedingt" nicht erfolgreich wäre,
der AG aber anschließend sucht, findet, abmahnt und evtl. "verhaltensbedingt" nachtritt

so daß ein Vergleich auf betriebsbedingte Kündigung mit Abfindung (schadet nicht dem Lebenslauf, zieht keine Sperre des ALG nach sich)
unter Umständen die beste Wahl wäre,
die man im Hinblick auf die Gesamtumstände beim vorliegenden Fall treffen könnte




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#5
 Von 
mepeisen
Status:
Unsterblich
(24959 Beiträge, 16164x hilfreich)

Auf jedem Fall solltest du noch heute anfangen, eine neue Stelle zu suchen. Das nur so nebenbei. Egal wie rum du dich entscheidest.

Ansonsten, da wiederhole ich mich, kommt es drauf an, wie gut deine Beweise sind, so du welche hast. Vielleicht kann man ja erwähnen, dass man den Vergleich nur antritt, wenn der Arbeitgeber in den nächsten 10 Monaten (meinetwegen auch das nächste halbe Jahr) auch keine Neueinstellung vornimmt :)

k.A. ob man damit durchkommt aber die Argumentation des Anwalts wäre spannend, warum er diese Verpflichtung nicht eingehen wird. Und so man doch damit durchkommt, hat man eine Handhabe, sollte die Stelle direkt neu besetzt werden, noch einmal nachzufordern.

Die Argumentationsgrundlage hierfür ist einfach: Eine "betriebsbedingte Kündigung" ist nicht dazu gedacht, Leute eins zu eins zu ersetzen. Da es dem Unternehmen schlecht geht, stimmst du der Kündigung und dem Vergleich zu, wenn sich das auch in einem allgemeinen Stellenabbau ausdrückt zur Gesundung des Unternehmens. Sollte die Stelle in der nächsten zeit neu besetzen hätte man dich ja weiterbeschäftigen können.

Kontakt zu den Kollegen und zum AA halten um zu erfahren, ob die Stelle neu besetzt wurde.



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-- Editiert mepeisen am 19.12.2012 09:07

-- Editiert mepeisen am 19.12.2012 09:09

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#6
 Von 
wirdwerden
Status:
Unbeschreiblich
(38321 Beiträge, 13977x hilfreich)

Ich glaube, hier wird etwas verkannt. Bei einer betriebsbedingten Kündigung geht es nicht um die Arbeitsbelastung für den Arbeitnehmer oder aber den wirtschaftlichen Stand des Betriebes. Es geht schlicht und ergreifend darum, dass ein Stelle weggefallen ist. Und es ist ausschließlich Angelegenheit des Arbeitgebers, ob er eine Stelle wegfallen läßt oder eben nicht.

Eine ganz andere Frage ist,ob eine Sozialauswahl erfolgen musste und ob diese korrekt war.

wirdwerden

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