Haftung und Schadensersatz bei Sturm- oder Orkanschäden durch Xavier

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An wen muss ich mich wenden, wenn ich durch einen Sturm oder Orkan einen Schaden erlitten habe. Welche Versicherung deckt welchen Schaden ab? Hab ich möglicherweise einen Anspruch gegen einen Dritten?

Der Sturm „Xavier" ist nicht ohne Folgen über Teile Nord- und Ostdeutschlands hinweg gezogen. Teilweise hat er eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Umgeknickte Bäume, herumfliegende Dachziegel, zerstörte Autos, abgedeckte Dächer, demolierte Hausfassaden und vieles mehr. Es wird in diesem Herbst nicht bei diesem einen Sturm bzw. Orkan bleiben. Klimawandel hin oder her: Meteorologen sind sich einig und sagen voraus, dass die Anzahl und das Ausmaß der Stürme in unseren Breitengraden zunehmen wird. Betroffene fragen sich nun, wer wird den entstanden Schaden ersetzen?

Dieser Artikel soll einen kurzen Überblick über die möglichen Ansprüche bei Schäden geben.

Sascha  Kugler
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1. Schäden durch losgerissene Dachziegel - Haftung aus § 836 BGB

Wurde Ihr Fahrzeug z.B. von einem herumfliegenden Dachziegel getroffen, haben Sie gegen den Gebäudeeigentümer einen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch, wenn die Ablösung des Dachziegels oder des Putzes aufgrund fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung erfolgte. Ein Gebäude ist dann fehlerhaft errichtet, wenn es nicht alle Anforderungen dafür erfüllt, dass Leben und Gesundheit anderer nicht gefährdet werden. Nicht erforderlich ist allerdings, dass der Fehler auf das Verschulden irgendeiner Person zurückzuführen ist oder dass der Fehler die alleinige Ursache für die Ablösung von Gebäudeteilen war. Es können auch andere Ursachen z.B. vorangegangene Witterungseinflüsse hinzukommen, ohne dass die Haftung entfällt.

Als Grundstücksinhaber hat man bestimmte Verkehrssicherungspflichten wahrzunehmen. Diese beinhalten insbesondere eine Unterhaltungspflicht, d.h. die regelmäßige Überprüfung des baulichen und technischen Zustands. Ein Schadensersatzanspruch tritt ein, wenn die Verletzung dieser Verkehrssicherungspflicht für die Ablösung von Gebäudeteilen ursächlich geworden ist. Die Beweislast für die fehlerhafte Errichtung oder mangelhafte Unterhaltung trifft den Geschädigten.

Kommt es aufgrund gewöhnlicher Witterungseinflüsse zur Ablösung eines Gebäudeteils, spricht der daraus resultierende Anscheinsbeweis für die Mangelhaftigkeit des Gebäudes bzw. für die Verletzung der Unterhaltungspflicht. Denn gewöhnlichen Witterungseinflüssen ist ein Gebäude dauerhaft ausgesetzt. In diesem Fall muss der Grundstücksbesitzer vortragen und beweisen, dass außergewöhnliche Umstände vorgelegen haben. Außergewöhnlich Umstände werden z.B. ab Windstärke 8 angenommen.

Der Geschädigte hat nur dann einen Anspruch auf Schadensersatz, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass der Schaden bei Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht typischerweise hätte verhindert werden können. Dies ist jedoch bei außergewöhnlichen Naturereignissen wie dem Orkan „Kyrill" mit Böen weit über Windstärke 8 nicht möglich, weil davon auszugehen ist, dass auch bei Beachtung aller Vorsichtmaßnahmen eine Schädigung eingetreten wäre. Damit trifft den Grundstücksinhaber bei Stürmen solchen Ausmaßes - bei Schäden durch losgerissene Dachziegel - in den meisten Fällen keine Ersatzpflicht.

2. Schäden durch umgestürzte Bäume - Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB

Auch dem Inhaber eines Grundstückes obliegt hinsichtlich der auf seinem Grundstück befindlichen Bäume eine Verkehrssicherungspflicht. Ein Grenzbaum oder ein grenznah stehender Baum stellt stets eine mögliche Gefahrenquelle für ein Nachbargrundstück dar. Diese Gefahr ist um so größer, je näher ein Baum an der Grundstücksgrenze steht, je größer und älter er ist und je stärker er durch Krankheit oder Umwelteinflüsse vorgeschädigt ist. Folglich trifft einen Grundstücksinhaber stets die Pflicht, den grenznah stehenden Baum regelmäßig zu beobachten und zu kontrollieren, um eine ausreichende Gefahrenvorsorge gewährleisten zu können. (OLG Schleswig, MDR 1995, 148). Somit scheidet eine Schadensersatzanspruch gegen den Grundstückseigentümer aus, wenn dieser seinen Verkehrssicherungspflichten nachgekommen ist und es sich um einen Baum handelt, der den gewöhnlich auftretenden Naturgewalten bisher stets standgehalten und lediglich infolge eines ungewöhnlich heftigen Sturmes einen Schaden verursacht hat. Dann kann sich der Grundstückseigentümer damit exkulpieren (entlasten), dass er seiner Verkehrssicherungspflicht entsprochen hat und somit kein Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB ist, mit der Folge, dass ihn auch kein Verschulden nach § 823 Abs. 1 BGB trifft.

Gelingt jedoch der Nachweis, dass der Grundstückseigentümer seine Verkehrssicherungspflichten verletzt hat, ergibt sich ein Anspruch auf Schadensersatz § 823 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 BGB.

3. Haftung aus § 1004 BGB

Sollte z.B. ein umgestürzter Baum vom Nachbargrundstück Ihre Einfahrt zu Ihrem Grundstück blockieren, haben Sie aus § 1004 BGB einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung, d.h. dieser Anspruch besteht unabhängig von der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht und ergibt sich allein aus der tatsächlich vorliegenden Beeinträchtigung.

4. Haftung des Staates:

Wird Ihr Fahrzeug von einem Baum getroffen, der an einer öffentlichen Straße gestanden hat, so könnte ein Amtshaftungsanspruch gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG in Betracht kommen. Der Zustand von Straßenbäumen sowie der Zustand von Straßen, die der Öffentlichkeit gewidmet sind, obliegt der Obhut des Staates und somit deren Beamten und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes. Gerade bei Straßenbäumen bestehen gesteigerte Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht. Wird diese verletzt und resultiert daraus ein Schaden, ergibt sich ein Schadensersatzanspruch gegen den Staat aus Amtshaftung.

5. Ansprüche gegen Versicherungen

Bitte beachten Sie zunächst, dass Sie, egal um welche Versicherung es sich handelt, Ihrem Versicherer einen Schaden unmittelbar, d.h. innerhalb weniger Tage nach dem Schadensereignis melden sollten. Bei einem Verstoß gegen die Meldeobliegenheit geht der Versicherungsschutz möglicherweise verloren.

a) Gebäudeversicherung

Auch wenn es seit 1994 keine Pflichtversicherung mehr für Hausbesitzer gibt, haben die meisten Hausbesitzer eine Gebäudeversicherung abgeschlossen. Diese schützt vor Schäden durch Elementarereignisse wie Sturm, Hagel, Hochwasser, Überschwemmungen usw. Juristisch wird ein Sturm als eine atmosphärisch bedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 definiert. Der Orkan Kyrill lag in Böen weit über Windstärke 8, er erreichte teilweise sogar Windstärke 12, sodass die Haftungsvoraussetzungen in diesem Fall zweifelsfrei vorliegen.

Die Gebäudeversicherung deckt jedoch lediglich Schäden am Haus und von damit fest verbundenen Teilen (etwa Antennen) ab. Um die versicherten Risiken im Rahmen zu halten, kann die Gebäudeversicherung individuell vertraglich ihre Haftung beschränken oder ausschließen, insbesondere für Schäden, die an Gebäuden oder Gebäudeteilen entstehen, die wegen ihrer Beschaffenheit oder Lage besonders gefährdet sind. Zur abschließenden Klärung bedarf es dazu eines Blickes in die Versicherungsvertragsbedingungen. Darüber hinaus werden in den Versicherungsvertragsbedingungen meist Haftungsausschlusstatbestände vereinbart, mit der Folge, dass Schäden, die durch ein erhöhtes vom Versicherten zu vertretendes Risiko entstehen, nicht reguliert werden. Folglich wird eine Haftung der Gebäudeversicherung immer dann ausscheiden, wenn das beschädigte Gebäude zum Zeitpunkt der Errichtung oder Änderung ganz oder in einzelnen Teilen technischen Vorschriften des Baurechts oder allgemein anerkannten Regeln der Technik widerspricht; oder ganz oder in einzelnen Teilen schadhaft oder baufällig ist oder nicht die nötige Festigkeit besitzt oder auf schlechtem Baugrund oder auf einem lawinengefährdetem Hang errichtet wurde.

Die allgemein anerkannten Regeln der Technik werden in den jeweiligen Landesbauordnungen aufgeführt. Darunter fallen insbesondere die von den Baubehörden durch öffentliche Bekanntmachung angeführten technischen Baubestimmungen, die allgemeinen technischen Vorschriften der VOB sowie die technischen Bestimmungen einzelner Verbände.

Die Beweispflicht für das Vorliegen eines Elementarereignisses und der schadensverursachende Kausalität obliegt dem Geschädigten. Dafür maßgeblich ist der Grundsatz der adäquaten Schadensverursachung. Eine Ursache ist dann adäquat und unmittelbar im Sinne der versicherungsrechtlichen Bestimmungen, wenn sie die zeitlich letzte Ursache ist, die zu dem Schaden geführt hat. In Zweifelsfällen prüft die Gebäudeversicherung selbst die Voraussetzungen ihrer Haftung z.B. durch Erstellung eines außergerichtlichen Sachverständigengutachtens nach.

b) Hausratsversicherung

Wurde durch den Sturm z.B. Ihr Dach so sehr beschädigt, dass in Folge dessen Regenwasser in Ihr Haus oder Ihre Wohnung eingedrungen ist, mit der Folge, dass Ihre Einrichtung oder Elektrogeräte beschädigt wurden, haben Sie möglicherweise einen Anspruch auf Schadensregulierung gegen Ihre Hausratsversicherung. Die Hausratsversicherung ersetzt jedoch nur die Schäden an der Wohnungseinrichtung, die durch den Sturm verursacht wurden, d.h. Schäden durch Regen sind nur dann versichert, wenn sie in Folge eines Sturmschadens entstanden sind, somit wenn der Sturm z.B. zuvor in ein Fenster oder das Dach ein Leck geschlagen hat.

c) Glasversicherung

Haben Sie eine Glasversicherung abgeschlossen, so werden Schäden z.B. an durch den Sturm eingedrückten Scheiben von dieser ersetzt. Sollten Sie keine Glasversicherung haben, sollten Sie sich an Ihre Gebäudeversicherung wenden.

d) Kaskoversicherung

Um auf Nummer sicher gehen zu können, sollte stets das Prinzip "Eigenversicherung geht vor Fremdversicherung" gelten. Dies gilt insbesondere für Schäden am eigenen Fahrzeug. Für die Schadensregulierung am eigenen Fahrzeug ist die eigene Teilkaskoversicherung zuständig, bzw. falls vorhanden die Vollkaskoversicherung, welche die Teilkasko einschließt. Die Teilkasko ersetzt sämtliche Schäden an Ihrem Fahrzeug, die durch einen Sturm oder Orkan verursacht wurden, z.B. durch herab fallende Äste, Dachziegel, etc. Sollten Sie jedoch einen Anspruch gegenüber einem Dritten haben (s.o.), sind Sie verpflichtet dies Ihrem Versicherer mitzuteilen. Mit der Schadensregulierung durch den Teilkasko Versicherer geht dann Ihr eigener Anspruch gegen den Dritten auf Ihren Versicherer über. Werden Sie beim Fahren mit Ihrem Fahrzeug durch eine Sturmböe an eine Leitplanke gedrückt, erstattet die Kaskoversicherung den Schaden, sofern kein Lenkfehler vorliegt. Wobei die Beweislast, dass kein Lenkfehler vorliegt, dem Fahrer obliegt. Beachten Sie bitte auch, dass die Kaskoversicherung nur für Schäden aufkommt, die die vereinbarte Selbstbeteiligung übersteigen. Schäden bis zur Höhe des Selbstbehalts muss der Geschädigte also selbst tragen.

e) Kranken- und Unfallversicherung

Werden Sie durch herabstürzende Ziegel oder Äste verletzt, haben Sie auf Kosten der eigenen Krankenversicherung einen Anspruch auf ärztliche Versorgung. Für dauerhafte Körperschäden ist, sofern zuvor abgeschlossen, die private Unfallversicherung zuständig. Gelingt Ihnen der Nachweis, dass der Schaden aufgrund einer vernachlässigten Verkehrssicherungspflicht eines Dritten entstanden ist, gilt das bereits oben Gesagte und Sie haben einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Dritten.

Fazit

Sollten Sei aufgrund eines Sturmes oder Orkans einen größeren Schaden erlitten haben und sind sich unsicher, ob ein Dritter oder ein Versicherer für den Schaden aufzukommen hat, sollten Sie einen auf Sturmschäden spezialisierten Rechtsanwalt kontaktieren und Ihre Ansprüche prüfen lassen.

Sascha Kugler
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