Wird die strafbefreiende Selbstanzeige für die Steuerhinterziehung abgeschafft?

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Die strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO bietet eine Möglichkeit verborgene Steuerquellen zu offenbaren, ohne sich hierfür strafrechtlich wegen Steuerhinterziehung verantworten zu müssen. Sie bildet ein Privileg für den reuigen Steuersünder mit dem Ziel, diesem die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit zu ermöglichen und nicht zuletzt auch, um zusätzliche Steuereinnahmen zu generieren.

Nie war die Selbstanzeige so beliebt wie heute

Christian Fuchs
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Die Selbstanzeige war selten so beliebt wie in diesen Zeiten. Allein im Zuge des Ankaufs der schweizerischen Steuersünder-CD wurden seit Jahresbeginn ca. 20.000 Selbstanzeigen eingereicht. Dies entspricht einer Steuernachzahlung von über einer Milliarde Euro. Hierbei standen nur schätzungsweise 15 % der Selbstanzeige in direktem Zusammenhang mit den Ermittlungen rund um die Schweiz. 85 % Prozent aller Selbstanzeigen betrafen andere Sachverhalte.

Ein gutes Geschäft für den notorisch unterfinanzierten Staat, sollte man meinen. Nichtsdestotrotz ist die Selbstanzeige in der öffentlichen Wahrnehmung in die Kritik geraten. Es wird zum Teil als unfair empfunden, dass Steuersünder straflos davon kommen. Zum Teil ist davon die Rede, dass sich die Reichen von der Strafsanktion freikaufen könnten.

Tendenzen der Begrenzung in Politik…

Aufgrund dieser Stimmung im Volke geht es der Selbstanzeige nun auch vermehrt an den Kragen. Hierbei arbeiten Politik und Rechtsprechung offenbar Hand in Hand. Die SPD Fraktion verlangt in einem Gesetzesentwurf beispielsweise die vollständige Abschaffung der Selbstanzeige zum 01.01.2011 (BT-Drs. 17/1411). Ganz so weit will die schwarzgelbe Regierung nicht gehen. Aber auch die Regierungsfraktion hat einen Antrag eingereicht, demzufolge verschiedene Begrenzungsmöglichkeiten des § 371 AO geprüft werden sollen (BT-Drs. 17/1755). Im Wesentlichen geht es bei dem Antrag darum, dass

1. die Teilselbstanzeige abgeschafft werden

2. Tatentdeckung früher angenommen werden (ggf. schon ab Anfangsverdacht)

3. die Selbstanzeige bei Betriebsprüfungen eher gesperrt sein (ggf. schon ab Zugang der BP-Anordnung)

4. ein Zuschlag bei den Hinterziehungszinsen eingeführt werden

soll.

…und Rechtsprechung

Was in der Politik noch hehre Ziele sind, ist in der Rechtsprechung zum Teil schon Wirklichkeit. In einer Aufsehen erregenden Entscheidung hat der BGH im Mai dieses Jahres die Möglichkeit der Selbstanzeige stark eingeschränkt (BGH v. 20.05.2010, Az. : 1 StR 577/09). Das höchste deutsche Strafgericht hat zunächst ebenfalls die Teilselbstanzeige für nicht mehr zulässig erklärt. In einem zweiten Schritt hat es dann ähnlich wie die CDU/FDP-Fraktion in ihrem Antrag die Sperrgründe des § 371 Abs. 2 AO ausgeweitet. Tatentdeckung sei schon gegeben, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Tat vorlägen. Das ist wesentlich weiter als die bisherige Definition und wird dazu führen, dass mehr Selbstanzeigen als bislang wegen der Sperre der Tatentdeckung unzulässig sein dürften. Auch die Frage für welche Steuerjahre der Prüfer erschienen ist, wird auf Vor- und Nachtatjahre erweitert, wenn nur ein „sachlicher Zusammenhang“ besteht.

Praktische Konsequenzen

Klar ist, dass die Luft für Steuersünder dünner wird. Es gibt in Politik und Rechtsprechung einen Konsens, dass die Selbstanzeigemöglichkeit begrenzt werden muss, wenn man dieses Institut dem Wähler noch vermitteln will. Eine generelle Abschaffung der Selbstanzeige wird zwar zum Teil gefordert, von den meisten aber wohl abgelehnt. Dass sich die SPD mit ihrem Gesetzesentwurf durchsetzen wird, ist durchaus fraglich.

Insbesondere die Abschaffung der Teilselbstanzeige wirft eine Vielzahl von Fragen auf. Wenn diese nicht mehr anerkannt werden soll, ist ungewiss, wie das in der Wirklichkeit aussehen soll.

Nehmen wir an, ein Steuerpflichtiger hat verborgene Steuerquellen in Land A und B. Er zeigt sich nun selbst wegen der Schwarzeinkünfte in Land A an. Von Land B weiß außer dem Steuerpflichtigen niemand. Hier muss die Strafverfolgungsbehörde davon ausgehen, dass es sich um eine vollständige Selbstanzeige handelt. Es wird Straffreiheit gewährt werden. Was passiert aber nun, wenn die Strafverfolgungsbehörde nachträglich von den Einkünften in Land B erfährt? Soll nun die Strafbarkeit wieder aufleben? Wie lässt sich das mit der Rechtskraft vereinbaren?

Liegt eine Teilselbstanzeige vor, wenn für ein bestimmtes Steuerjahr A sämtliche Schwarzeinkünfte nacherklärt werden, aber nicht für das Jahr davor? Ist die Selbstanzeige mit anderen Worten jeweils auf ein Jahr zu beurteilen oder für einen Zeitraum? Wenn letzteres der Fall ist, wie lang ist der Zeitraum zu bemessen? Sind auch verjährte Zeiträume zu berücksichtigen?

Interessant dürfte auch sein, was mit den schon eingereichten Teilselbstanzeigen passiert. Die Änderung der Rechtsprechung führt nicht dazu, dass wie bei einem Gesetz ein Rückwirkungsverbot eingreift mit der Folge, dass Alttaten nicht erfasst werden können. Muss man nicht dennoch hier einen gewissen Vertrauensschutz akzeptieren?

Diese Fragen werden in Zukunft von hoher praktischer Relevanz sein. Es ist jedenfalls ein steiniger Weg, den Politik und Rechtsprechung mit ihren Begrenzungsansätzen beschreiten. Der Steuerpflichtige tut gut daran, diese Problemfelder vor den Finanzämtern und –gerichten klar herauszustellen. Die Diskussion um die Selbstanzeige geht in ihre nächste Runde. Dass es die letzte sein wird, darf mit guten Gründen bezweifelt werden.

Dr. Christian Fuchs

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