Wie lassen sich Selbstständige und Scheinselbstständige in der Praxis voneinander abgrenzen?

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Keine Rechtssicherheit

Willkür der Gerichte, Einzelfallprüfungen und generell Unübersichtlichkeit sind prägend, wenn es darum geht, Selbstständige und Scheinselbstständige, also Arbeitnehmer voneinander abzugrenzen. De Gesetzgeber hat es in der Vergangenheit nicht geschafft, durch eindeutige Kriterien zur Abgrenzung Rechtssicherheit zu schaffen und auch von dem aktuellen Gesetzgebungsverfahren ist keine Verbesserung der Lage zu erwarten. Schließlich gehen Arbeitsgerichte, Finanzgerichte und Sozialgerichte auch noch von verschiedenen Arbeitnehmerbegriffen aus.

Prüfung erfolgt bezogen auf den Einzelfall:

Ursprünglich gab es einen gesetzlich fixierten Katalog mit Kriterien zu Abgrenzung, dieser wurde allerdings wieder abgeschafft. Daher prüfen Gerichte den Status bezogen auf den Einzelfall, wobei zahlreiche verschieden Kriterien und Indizien berücksichtigt werden. Entscheidend ist oftmals, wer welche von diesen Kriterien bzw. Indizien wann beweisen kann. Schließlich kommt es dann darauf an, wie das jeweilige Gericht diese Kriterien bewertet.

Vertrag als Ausgangspunkt

Bereits der Vertrag liefert oft schon Anhaltspunkte dafür, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Finden sich im Vertrag mit dem eigentlich freien Mitarbeiter Regelungen zu Abwesenheit und Anwesenheit, Urlaub, Weisungsrechten und dergleichen, dann handelt es sich es sich in der Regel um einen Arbeitsvertrag, unabhängig von der gewählten Überschrift. Denn Selbstständige haben keinen Urlaub, keine Pausen und erhalten kein Weihnachtsgeld, außerdem verteilen sie auch nicht die Visitenkarten des Auftraggebers.

Umsetzung des Vertrages in der Praxis muss immer wieder überprüft werden

Auch wenn der Vertrag ordnungsgemäß aufgesetzt ist, ist die Annahme von Scheinselbstständigkeit nicht ausgeschlossen, wenn er dann nicht seinem Inhalt entsprechend in der Praxis ausgeführt wird. In der Praxis weichen die Beteiligten häufig von den vertraglichen Regelungen ab, weil es für sie so praktischer ist. Dann muss allerdings der bisher Selbstständige auch als Arbeitnehmer weiter beschäftigt werden. Will man das nicht, muss man die praktische Handhabung den vertraglichen Verhältnissen anpassen. Das ist regelmäßig nicht einfach und erfordert einen erhöhten Kontrollaufwand.

Umgehungsversuche generell gefährlich

Letztendlich kann man vor Umgehungsversuchen nur warnen. Es gibt zwar einen gewissen Gestaltungsspielraum, der im Hinblick auf die schwer übersehbare Rechtslage auch fantasievoll genutzt werden kann. Wer sich vor unliebsamen Überraschungen schützen will, muss aber zwei Dinge im Auge haben: zunächst muss die Vertragsgestaltung sauber sein, es muss sich also um einen Vertrag mit einem freien Mitarbeiter handeln, der keine Anhaltspunkte für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses hat. Urlaub, Weihnachtsgeld, Pausen usw. sind in solchen Verträgen tabu. Das Vertragsverhältnis muss außerdem tatsächlich entsprechend durchgeführt werden. In der Praxis schleichen sich im Laufe der Zeit häufig Veränderungen ein, die das Ganze dann in Richtung Scheinselbstständigkeit (Arbeitsverhältnis) kippen lassen.

Umgehung teuer und strafbar

Auch Vertragsverhältnisse, die jahrelang gut gelaufen sind und verschiedenen Prüfungen standgehalten haben, sind nicht sicher. Das geht schon allein deshalb, weil sich der Inhalt von Vertragsverhältnissen laufend ändern kann.

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