Wie Sie Probleme der Scheinselbstständigkeit in der Praxis vermeiden

Mehr zum Thema: Arbeitsrecht, Scheinselbstständigkeit, Selbstständige, Auftraggeber, Abgrenzung
0 von 5 Sterne
Bewerten mit: 5 Sterne 4 Sterne 3 Sterne 2 Sterne 1 Stern
0

Hohes Risiko von Scheinselbstständigkeit: Aus einer Studie von Ernst & Young geht hervor, dass in Deutschland 28 Prozent der extern Beschäftigten in die Hochrisikogruppe der Scheinselbstständigkeit/verdeckten Arbeitnehmerüberlassung fallen. Die Zahl dürfte in solchen Bereichen, in denen die Anfälligkeit für Scheinselbstständigkeit naturgemäß besonders hoch ist (z. B. Transport und Logistik, Bauwirtschaft und IT-Bereich), noch deutlich höher einzuschätzen sein.

Wie lässt sich Scheinselbstständigkeit vermeiden?

Ein Unternehmen sollten regelmäßig gründliche Prüfungen im Hinblick auf das Vorliegen von Scheinselbstständigkeit vornehmen. Überprüft werden sollten sämtliche freien Mitarbeiter sowie sonstige externe Mitarbeiter, zum Beispiel solche beauftragter Firmen.

Überprüfung der Verträge: Bei der Prüfung sollten zunächst die betreffenden Verträge untersucht werden. Oftmals sieht die Situation wie folgt aus: im Unternehmen wurden Verträge zusammen mit einem Spezialisten, etwa einem Fachanwalt für Arbeitsrecht und/oder Sozialrecht oder aber auch mit einem Steuerberater aufgesetzt. Später ändert das Unternehmen dann in der Praxis die Vertragsmuster und fügt dabei Elemente ein, die einer echten Selbstständigkeit widersprechen. Die Prüfung auf Scheinselbstständigkeit sollte also sowohl die Verträge, als auch deren konsequenten Verwendung betreffen. Es empfehlen sich Schulungen für die verantwortlichen Mitarbeiter.

Prüfung der tatsächlichen Umsetzung der Verträge: Hie liegt in der Praxis zumeist das größte Problem. Die Vorgaben der Verträge werden tatsächlich nicht umgesetzt. Aus praktischer Notwendigkeit ergeben sich Abweichungen. Ob Scheinselbstständigkeit vorliegt, beurteilt sich aber gerade nach der Art und Weise, wie die Beschäftigung praktisch gehandhabt wird. Ein Beispiel: der Vertrag sieht für den selbstständigen Auftragnehmer völlige Freiheit in der Ausübung seiner Tätigkeit vor. Es liegt trotzdem Scheinselbstständigkeit vor, wenn er dann in der Praxis einem strengen Reglement und einer damit verbundenen Eingliederung in das Unternehmen des Auftraggebers unterworfen wird.

Selbstständige und Arbeitnehmer mit gleicher Tätigkeit besonders schädlich: Die Gefahr, dass man zur Scheinselbstständigkeit kommt, ist besonders dann gegeben, wenn in einem Unternehmen Arbeitnehmer und freie Mitarbeiter mit den gleichen Tätigkeiten beschäftigt werden. Oder noch schlimmer, wenn die freien Mitarbeiter dann Arbeitnehmern Weisungen erteilen. In diesem Fall wird man kaum noch eine Selbstständigkeit begründen können.

Schutzvorkehrungen treffen: In der Praxis empfiehlt sich Schutzvorrichtungen zu installieren. So kann man an die verantwortlichen Mitarbeiter Checklisten aushändigen, die von diesen regelmäßig ausgefüllt, abgezeichnet und zentral zur Risikobewertung vorgelegt werden müssen. Daneben empfiehlt sich die Installation eines Hinweisgebersystems. In diesem Zusammenhang sollte es Mitarbeitern des Unternehmens möglich gemacht werden, anonym Hinweise auf Risiken auch im Zusammenhang mit Scheinselbstständigkeit zu geben.

Vorsatz bei Scheinselbstständigkeit besonders problematisch: Die häufig gegebenen Tipps zur Einrichtung derartiger Schutzsysteme haben allerdings einen Haken: aufgedeckte Verstöße müssen zwingend zu Reaktionen führen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich das Ganze zum Bumerang entwickelt, weil sich der jeweils Verantwortliche später nicht mehr mit der Unkenntnis herausreden kann. Die Annahme von Vorsatz führt allerdings zu einer erheblichen Verschärfung der sozialrechtlichen und strafrechtlichen Folgen von Scheinselbstständigkeit.

Das könnte Sie auch interessieren
Arbeitsrecht Abgrenzung von Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit bei Pflegekräften
Arbeitsrecht Probleme der Scheinselbstständigkeit in der Praxis weiterhin unterschätzt
Arbeitsrecht Schließungen bei der Deutschen Bank – was sollten betroffene Mitarbeiter beachten?
Arbeitsrecht Verwertung von Videoüberwachung bei Kündigung wegen Straftat