Whistleblowing: Anzeigen eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber

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Anzeigen gegen den Arbeitgeber erst nach Klärungsversuch - sonst droht eine fristlose Kündigung

Zeigt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber an, ohne zuvor in einem internen Gespräch eine Klärung versucht zu haben, so rechtfertigt dies regelmäßig eine außerordentliche Kündigung. Das gilt auf jeden Fall dann, wenn der Arbeitnehmer mit der Anzeige auf eine zuvor ausgesprochene ordentliche Kündigung reagiert hat. Das LAG Köln hatte am 5.7.2012 über einen Fall von so genannten "Whistleblowing" zu entscheiden.

Der Sachverhalt: Hauswirtschafterin macht Anzeige beim Jugendamt

Die Klägerin war bei dem beklagten Ehepaar als Hauswirtschafterin beschäftigt und hatte sich insbesondere um deren Kleinkinder, die zehn Monate und zwei Jahre alt waren, zu kümmern. Die Beklagten kündigten das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin schon in der Probezeit fristgemäß. Daraufhin zeigte die Klägerin die Beklagten beim Jugendamt an und behauptete, das jüngere Kind sei verwahrlost. Ein kinderärztliches Attest bestätigte diesen Vorwurf allerdings nicht und bescheinigte, dass das Kind einen altersgemäß unauffälligen Untersuchungsbefund habe.

Die Beklagten reagierten auf die Anzeige mit einer fristlosen Kündigung der Klägerin. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg.

Die Gründe: Versuch der internen Klärung ist nicht erfolgt

Die Beklagten haben das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin wirksam fristlos gekündigt.

Zwar unterfallen Anzeigen eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 21.7.2011 (Rs. 28274/08) dem Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 10 EMRK. Arbeitnehmer haben aber grundsätzlich auch den Ruf des Arbeitgebers zu schützen. Zwischen diesen Rechten und Pflichten ist in "Whistleblower"-Fällen eine Abwägung vorzunehmen. Dabei ist insbesondere zu fragen, ob:

  • der Arbeitnehmer die Offenlegung in gutem Glauben vorgenommen hat und,

ob er überzeugt war, dass

  • die Information wahr war,
  • im öffentlichen Interesse lag und
  • keine anderen, diskreteren Mittel existierten, um gegen den angeprangerten Missstand vorzugehen.

Nach diesen Grundsätzen kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf ihr Recht auf freie Meinungsäußerung berufen. Die Anzeige gegenüber dem Jugendamt stellte eine unverhältnismäßige Reaktion auf die zuvor ausgesprochene ordentliche Kündigung dar. Selbst wenn die Vorwürfe richtig sein sollten, hätte die Klägerin unter Beachtung ihrer Loyalitätspflichten zunächst eine interne Klärung mit den Beklagten versuchen müssen. Erst nach dem Scheitern eines solchen Versuches hätte sie das Jugendamt einschalten dürfen.

Entscheidung: LAG Köln 5.7.2012, 6 Sa 71/12

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