Wer haftet für Schäden, die bei einer Durchsuchung von Wohnmieträumen entstehen?

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Wohnungsdurchsuchung: Alles eine Sache der Kausalität…

Die kürzlich ergangene Entscheidung

BGH, Urt. v. 14.12..2016 – VIII ZR 49/16:

ist ein schönes Beispiel für die Verknüpfung von Strafrecht und Zivilrecht. Natürlich ist diese im Zivilrecht ergangen. Die Basis dieser Entscheidung liegt aber im strafrechtlichen Verfahrensrecht.

Ausgangsfrage:

Ist der Mieter, der in seinem Wohnraum (illegale) Betäubungsmittel anbaut oder zumindest anderweitig aufbewahrt, dem Vermieter zum Ersatz von Schäden verpflichtet, die im Rahmen eines gegen den Mieter geführten Ermittlungsverfahrens bei der polizeilichen Durchsuchung der Wohnung entstanden sind?

Vorab in aller Kürze zum Sachverhalt:

Der Beklagte ist Mieter einer im Eigentum der Klägerin stehenden Wohnung. Jene Räumlichkeit wurde im Juni 2013 durchsucht. Rechtsgrundlage bildete hier ein richterlicher Beschluss, der sich auf den Verdacht des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge berief; Tatzeitraum Jan.- Okt. 2012, stützte.

Dieser Vorwurf erhärtete sich aber nicht, ergo folgte der Freispruch.

Da jedoch im Rahmen der Durchsuchung 26 Gramm Marihuana in das allsehende Auge der Ermittlungsbeamten fielen, kam es dann doch zu einer Verurteilung des Beklagten - Freiheitsstrafe von drei Monaten.

Bei der Durchsuchung wurde nun die Wohnungseingangstür beschädigt. Die Vermieterin verlangte Ersatz der Reparaturkosten. Das hatte auf dem Klageweg erstmal keinen Erfolg. Allerdings hatte das LG Nürnberg-Fürth Revision zugelassen. Diese wurde seitens des Bundeslandes Bayern als Träger der Polizei eingelegt. Wer sich fragt, warum sich das Bundesland jetzt da rein hängt: Dieses war im Rahmen der Streithilfe der Klägerin ganz uneigennützig und allein im Auftrag der Gerechtigkeit zu Hilfe geeilt.

Zwischen Pflichtverletzung des Mieters und Schaden des Vermieters muss kausaler Zusammenhang bestehen

Leider leider… auch das war nicht von Erfolg gekrönt, auch der Bundesgerichtshof wies die Klage - aufgrund mangelnden Kausalzusammenhangs - ab:

„Der Beklagte hat durch die Aufbewahrung der unter Verstoß gegen das BtMG erworbenen Betäubungsmittel in der Wohnung zwar gegen seine vertraglichen Obhutspflichten als Mieter verstoßen (§§ 535, 241 Abs. 2 BGB). Er ist der Klägerin jedoch nicht zum Ersatz der im Rahmen der Durchsuchung entstandenen Schäden an der Wohnungstür verpflichtet (§ 280 Abs. 1 BGB), da diese Straftat nicht Anlass und Ursache der Ermittlungsmaßnahme war, sondern vielmehr von den Beamten des Streithelfers erstmals bei deren Vollzug festgestellt wurde. Damit ist die Pflichtverletzung des Beklagten bereits nicht äquivalent kausal für den bei der Klägerin eingetretenen Schaden geworden.

1. Der Beklagte hat mit der Aufbewahrung von Betäubungsmitteln in den von ihm angemieteten Wohnräumen die Grenzen vertragsgemäßen Gebrauchs überschritten und seine mietvertragliche Obhutspflicht verletzt, hierdurch jedoch den bei der Klägerin eingetretenen Schaden nicht verursacht.

a) Ebenso wie den Vermieter verpflichtet das Mietverhältnis (§ 535 BGB) seinem Inhalt nach auch den Mieter zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen seines Vertragspartners (§ 241 Abs. 2 BGB). Aufgrund dieser Obhutspflicht hat ein Mieter die Mietsache schonend und pfleglich zu behandeln sowie alles zu unterlassen, was zu einer – von dem ihm zustehenden vertragsgemäßen Gebrauch (§ 538 BGB) nicht umfassten – Verschlechterung oder einem Schaden an dieser führen kann. Gegen diese besondere Schutzpflicht, die nicht zuletzt Konsequenz des auf den Mieter übertragenen Besitzes an der Mietsache ist, kann ein Mieter jedoch nicht nur im unmittelbaren Umgang mit dieser verstoßen, sondern auch durch einen Gebrauch, welcher schädigende Einwirkungen Dritter hervorzurufen geeignet ist.

Mit der Aufbewahrung von 26,32 g Marihuana in der von ihm angemieteten Wohnung hat der Beklagte diese Obhutspflicht verletzt. Denn entgegen der – von der Revision mit Recht angegriffenen – Auffassung des Berufungsgerichts muss nach der allgemeinen Lebenserfahrung ein Mieter, der in seiner Wohnung Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz begeht oder seine Wohnung zur Aufbewahrung von Tatmitteln aus derartigen Straftaten nutzt oder hierfür zur Verfügung stellt, ohne weiteres damit rechnen, dass es im Zuge aufgrund dessen durchgeführter strafprozessualer Maßnahmen zu Schäden an der Wohnung kommt. Mit einem derartigen Verhalten überschreitet der Mieter den ihm aufgrund seiner Mietzahlung zustehenden vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache.

b) Trotz dieser von ihm zu vertretenden Pflichtverletzung ist der Beklagte der Klägerin nicht nach § 280 Abs. 1 BGB zum Ersatz des ihr aufgrund der Beschädigung der Eingangstür entstandenen Schadens verpflichtet, weil die Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Tatbestand (der Obhutspflichtverletzung) und dem in Frage stehenden Schaden an der Wohnungseingangstür nicht gegeben ist. Es fehlt insoweit bereits an der äquivalenten Kausalität, so dass es auf die vom Berufungsgericht erörterten weitergehenden Fragen zum Zurechnungszusammenhang nicht ankommt…

Zwischen der Pflichtverletzung des Beklagten – Aufbewahrung der unter Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz erworbenen 26,32 g Marihuana in der Wohnung – und der Beschädigung der Eingangstür besteht ein derartiger Kausalzusammenhang im Sinne einer conditio sine qua non nicht. Zwar ist der Beklagte aufgrund der im Rahmen der Durchsuchung bei ihm aufgefundenen Betäubungsmittel nachfolgend wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG verurteilt worden. Diese erst anlässlich der Durchsuchung festgestellte Straftat war jedoch nicht Grundlage der am 27. Juni 2013 durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen. Denn der an diesem Tag durch die Polizeibeamten des Streithelfers vollzogene Durchsuchungsbeschluss hatte zwar ebenfalls dem Beklagten vorgeworfene Betäubungsmitteldelikte zum Gegenstand, jedoch ging es hierbei um Tatvorwürfe des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) aus dem bereits länger zurückliegenden Tatzeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Oktober 2012. Dass es sich bei den am 27. Juni 2013 aufgefundenen Betäubungsmitteln aber um Tatmittel aus diesen dem Beklagten vorgeworfenen Taten handelt, kann – jedenfalls mangels anderslautender Feststellungen des Berufungsgerichts – nicht angenommen werden….“

An dieser Stelle muss einfach auf die unglaubliche Lebenserfahrung, aus der der BGH in Bezug auf BtM schöpft, hingewiesen werden. Schmunzeln erlaubt.

Ganz besonders interessant ist der Beitritt des Bundeslandes als Streithelfer. Ein durchaus cleverer Schachzug, wäre es doch eigentlich einem Anspruch der Vermieterin ausgesetzt gewesen. Doch wenn der nunmehr Verurteilte, also der Mieter, für den Schaden aufgekommen wäre, wäre der Anspruch des Vermieterin gegen das Land aus enteignungsgleichem Eingriff natürlich als nachrangig weggefallen.

Eine durchaus lesenswerte Entscheidung.