Wenn der Chef kündigt – was nun?

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Das arbeitsgerichtliche Verfahren und wie es abläuft

Wenn der schon lange befürchtete Tag da ist und Kündigung durch den Arbeitgeber im Briefkasten liegt, heißt es oftmals, jetzt schnell zu handeln. Aber wie denn eigentlich? Was liegt denn jetzt in den nächsten Monaten vor Einem?

Der allerwichtigste Gang, den Sie jetzt zunächst zu machen haben, ist der zur örtlichen Arbeitsagentur. Sie müssen sich nunmehr unverzüglich arbeitslos melden, da Ihnen ansonsten möglicherweise Sperrzeiten drohen können. Teilen Sie der Arbeitsagentur auch direkt mit, dass Sie gerichtlich gegen diese Kündigung vorgehen wollen. Übrigens muss Ihr Arbeitgeber ihnen den Gang zur Arbeitsagentur auch ermöglichen, wenn er Sie gekündigt hat.

Sie wollen gegen die Kündigung Klage erheben.

Dabei können Sie sich grundsätzlich vor den Arbeitsgerichten selber vertreten – es gibt hier keinen Anwaltszwang. Für diesen Fall gibt es an jedem Arbeitsgericht eine Rechtsantragsstelle, bei der Sie ihre Klage mündlich vortragen können. Der Mitarbeiter auf der Rechtsantragsstelle protokolliert dann Ihr Vorbringen und fasst dies in einen ordentlichen Klageantrag. Im Weiteren müssen Sie jetzt allerdings auch selber dafür sorgen, dass Sie sich ordnungsgemäß selber vertreten. Das bedeutet auch, dass Sie ab jetzt für den weiteren Verlauf Ihres Kündigungsschutzverfahrens selber verantwortlich sind.

Wenn Sie Mitglied einer Gewerkschaft sind, können Sie sich auch durch diese vertreten lassen. Regelmäßig beinhaltet die Gewerkschaftsmitgliedschaft auch einen Arbeitsrechtsschutz. Sie werden dann von einem Rechtsschutzsekretär vertreten. Diese sind meistens Volljuristen und machen nichts anderes, als solche Verfahren zu führen. Für die DGB – Gewerkschaften wird der Arbeitsrechtsschutz durch die DGB Rechtsschutz GmbH durchgeführt. Beachten Sie aber bitte auch, dass Sie vorher zu Ihrem Gewerkschaftssekretär müssen, der Ihnen dann eine Art Vertretungsschein für die DGB Rechtsschutz GmbH ausstellt. In dringenden Fällen können Sie auch sofort zu der Rechtsschutz GmbH gehen – bei Kündigungen ist dies meist der Fall.

Wenn Sie sich dafür entscheiden, sich von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen, stellt sich auch hier natürlich die Kostenfrage. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren der ersten Instanz gibt es nämlich keine Kostenerstattung durch den Gegner. Das heißt, dass Sie ihren Anwalt auch dann bezahlen müssen, wenn Sie ihren Prozess gewinnen. Anders herum müssen Sie im Unterliegensfall auch nicht den gegnerischen Anwalt bezahlen, sofern der Arbeitgeber einen genommen hat. wenn Sie nicht über genügend Einkommen verfügen, die Verfahrenskosten selber zu tragen, so können Sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragen. Wenn diese gewährt wird, zahlt der Staat die Kosten des Verfahrens, also auch Ihren Anwalt. Ihr Anwalt wird dies für Sie prüfen und dann gegebenenfalls auch den entsprechenden Antrag für Sie stellen. Sie können dem Rechtsanwalt auch dadurch seine Arbeit erleichtern, indem Sie zum ersten Termin bereits wichtige Unterlagen mitbringen, wie etwa Ihren Arbeitsvertrag, das Kündigungsschreiben und die letzten drei Gehaltsabrechnungen.

Wenn Sie rechtsschutzversichert sind, so wird der Rechtsschutzversicherer für Ihre Kosten einstehen. Die meisten Anwälte stellen die Deckungsanfrage an den Versicherer für Sie. Dies ist allerdings regelmäßig eine reine Serviceleistung durch den Anwalt. Grundsätzlich obliegt es Ihnen, die Deckungszusage durch den Versicherer einzuholen. Meistens haben Sie in Ihrem Versicherungsvertrag einen Selbstbehalt, also eine Eigenbeteiligung vereinbart. Richten Sie sich darauf ein, dass Ihr Anwalt gerne einen Vorschuss in Höhe dieser Eigenbeteiligung von Ihnen haben möchte. Beachten Sie bitte auch, dass Sie gegenüber ihrem Anwalt weiterhin zur Zahlung der Gebühren verpflichtet sind, wenn der Versicherer aus irgendeinem Grunde nicht leistet. Die Höhe der Gebühren richtet sich nach dem Gegenstandswert des Verfahrens, welcher bei einer Kündigungsschutzklage drei Bruttomonatsgehälter beträgt.

Ist Ihr Arbeitgeber in dem Verfahren anwaltlich vertreten und Sie nicht, so wird Ihnen das Gericht auf Antrag einen Rechtsanwalt beiordnen. Es tritt sodann die selbe Wirkung ein, wie bei der Prozesskostenhilfe. Allerdings wird Ihnen das Gericht für diesen Fall auch einen entsprechenden Hinweis geben.

Sie haben also nun ihre Klage erhoben. Dies müssen Sie innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung machen. Hierbei ist zu beachten, dass als Zugangszeitpunkt nicht derjenige gilt, an dem Sie das Kündigungsschreiben erstmals zur Kenntnis nehmen, sondern dann, wenn Sie dies erstmals theoretisch könnten – also regelmäßig der Zeitpunkt, an dem das Schreiben in Ihrem Briefkasten landet. Dies kann auch gelten, wenn Sie im Krankenhaus liegen oder im Urlaub sind. Wenn Sie also mit einer Kündigung rechnen müssen, so sollten Sie jemanden mit der Leerung ihres Briefkastens betrauen, damit Sie diesen Termin nicht verpassen.

Jetzt stellt das Gericht Ihrem Arbeitgeber diese Klage zu. Es teilt ihm also mit, dass er verklagt ist und dass er sich doch bitte einmal zu dieser Klage äußern soll. Die Sache ist jetzt rechtshängig. Hierzu müssen Sie nichts weiter veranlassen – dies macht alles das Gericht. Sie als klagender Arbeitnehmer befinden sich nunmehr in der bequemen Position, dass nicht Sie die Unwirksamkeit der Kündigung darlegen und beweisen müssen, sondern der Arbeitgeber die Wirksamkeit. Oftmals wäre es dem Arbeitnehmer auch überhaupt nicht möglich, die Unwirksamkeit der Kündigung zu beweisen, weil ihm eine Kündigungsbegründung gar nicht mitgeteilt wurde. Die Gründe, die zur Kündigung geführt haben, muss nunmehr der Arbeitgeber dem Gericht mitteilen.

Relativ bald nach Klageerhebung (in Kündigungsschutzsachen meist etwa nach drei oder vier Wochen) findet der erste Gerichtstermin statt. Das ist die sogenannte Güteverhandlung. Diese ist beim Arbeitsgericht stets obligatorisch. Die Güteverhandlung hat zum Ziel, zwischen den Parteien eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen und so das Verfahren bereits in diesem Stadium zu beenden. Die Verhandlung findet vor dem Vorsitzenden der Kammer als Einzelrichter statt. In sehr vielen Fällen hat sich der Arbeitgeber bis zu dieser Verhandlung noch gar nicht zur Sache geäußert und trägt nun seinen Standpunkt mündlich vor. Der Vorsitzende wird nun seine erste kurze Einschätzung zur Sach- und Rechtslage zu erkennen geben. In diesem Termin werden auch meistens die berühmten Abfindungen verhandelt. Das bedeutet, dass die Parteien sich darüber einigen, dass das Arbeitsverhältnis zum Tag X durch arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung beendet sein soll. Zum Ausgleich verpflichtet sich der Arbeitgeber dann dazu, dem Arbeitnehmer eine Abfindung in bestimmter Höhe zu zahlen. Hier wird dann meistens mit der sogenannten Regelabfindung operiert. Diese beträgt ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Mitunter kann man aber auch höher pokern – das kommt immer auf den Einzelfall an. Wenn sich die Parteien in dieser Form einigen, ist das Verfahren hier zu Ende. Es kann aber auch sein, dass Sie sich im Termin nicht ganz sicher sind, ob Sie die ausgehandelte Abfindung wirklich annehmen wollen. In diesem Fall können Sie sich den Widerruf des Vergleichs vorbehalten, was der Richter dann auch entsprechend zu Protokoll nimmt. Auf diese Weise erhalten Sie noch ein wenig Bedenkzeit – meist 14 Tage. Übrigens wird Ihnen ein solcher Vergleich nicht bei der Arbeitsagentur als eigenverschuldete Arbeitslosigkeit angelastet. Deswegen wird stets die Formulierung der arbeitgeberseitigen betriebsbedingten Kündigung gewählt.

Haben sich die Parteien in der Güteverhandlung nicht geeinigt oder ist der Vergleich widerrufen worden, so geht das Verfahren in die nächste Runde: den Kammertermin.

Dieser erfolgt in der Regel nicht so zeitnah, wie der Gütetermin. Da auch die Arbeitsgerichte vollkommen überlastet sind, können hier schon einmal einige Monate zwischen Gütetermin und Kammertermin ins Land ziehen.

Hinter dem Richtertisch sitzen jetzt plötzlich drei, statt – wie im Gütetermin – einer Person. Neben dem Vorsitzenden, den Sie ja bereits im Gütetermin kennen lernen durften, sitzen jetzt noch zwei ehrenamtliche Richter, jeweils einer aus dem Lager der Arbeitgeber und aus dem der Arbeitnehmer. Die ehrenamtlichen Richter sind neben dem Vorsitzenden absolut gleichberechtigt und im Zweifelsfall wird per Mehrheitsentscheidung entschieden, wobei die beiden "Zivilisten" durchaus auch schon einmal den Berufsrichter überstimmen können.

Auch im Kammertermin gibt es noch einmal die Möglichkeit zur einvernehmlichen Einigung. Das läuft dann gegebenenfalls ebenso, wie bereits in der Güteverhandlung. Einigen sich die Parteien nicht, so entscheidet die Kammer über die Sache und fällt ein Urteil. Dies wird dann meist gegen Mittag, wenn alle Termine dieses Tages verhandelt sind, öffentlich verkündet. Sie können sich jetzt natürlich in den Saal setzen und erfahren sofort, wie Ihre Sache ausgegangen ist. Man kann aber auch bei den allermeisten Arbeitsgerichten am frühen Nachmittag beim Gericht anrufen und das Ergebnis erfragen. Jedenfalls kriegen Sie das Urteil noch schriftlich und mit einer ordentlichen Begründung zugeschickt. Das dauert allerdings einige Zeit, weil der Vorsitzende die Urteilsbegründung auch erst noch ausformulieren und in Papierform bringen muss.

Wenn Sie den weg zum Arbeitsgericht antreten müssen, so brauchen Sie sich nicht zu fürchten. An den Arbeitsgerichten herrscht meist eine sehr familiäre und den Umständen angemessene Atmosphäre. Arbeitsrichter sind in der Regel Menschen, die unter besonderer Berücksichtigung ihrer sozialen Eignung extra für diesen Posten ausgewählt wurden. Nicht selten handelt es sich hierbei um Menschen, die selber Erfahrung in der Arbeitswelt gemacht haben, bevor sie Juristen wurden. Arbeitsrichter haben also sehr oft ein ganz besonderes soziales Fingerspitzengefühl und wissen sehr wohl, was für beide Seiten auf dem Spiel steht. Das Bild von dem sehr strengen und ausschließlich auf dem Gesetz beharrenden ist an den Arbeitsgerichten also nicht angezeigt. Gleichwohl ergehen die Urteile natürlich auf Grundlage der bestehenden Rechtslage.

Rechtsanwalt Philip Stühler-Walter, Bonn