Wann sind lebzeitige Zuwendungen unter Geschwistern ausgleichspflichtig?

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Gern helfen Eltern ihren Kindern finanziell beim Start in die unternehmerische Existenzgründung, beim Immobilenerwerb oder etwa bei der Familiengründung. Unter mehreren Geschwistern führt dies allerdings regelmäßig zum Streit, da die Zuwendungen oftmals unterschiedlich hoch sind und die Zuwendungsgründe unterschiedlicher Natur. Beim Erbfall wird dann fleißig hochgerechnet, was der andere zu Lebzeiten bekommen hat. Die Differenzbeträge zu eigenen Zuwendungen werden dann wie selbstverständlich bei der Erbauseinandersetzung geltend gemacht. Viele wundern sich dann allerdings, wenn sie im Rahmen eines Rechtsstreits trotzdem leer ausgehen. Tatsächlich ist die Rechtslage bei ausgleichspflichtigen Zuwendungen kompliziert und kann nur anhand einer genauen Einzelfallbetrachtung beurteilt werden.

Ausgangspunkt bei Beantwortung der Frage, ob lebzeitige Zuwendungen ausgleichspflichtig sind, ist die Vorschrift des § 2050 BGB über die so genannten Vorausempfänge. Der dahinter stehende Gedanke ist die aufgrund gesetzlicher Vermutung beruhende Annahme, dass der Erblasser seine Abkömmlinge grundsätzlich gleichmäßig an seinem Vermögen teilhaben lassen will.

Martin Diefenbach
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Im Einzelnen unterscheidet die Vorschrift bei der Ausgleichspflicht jedoch nach der Motivlage und dem Zweck der Zuwendung.

  1. Die am häufigsten vorkommende Zuwendungsart ist die lebzeitige Ausstattung. Hierzu zählen etwa die Aussteuer zur Hochzeit, die Übernahme von Verbindlichkeiten sowie die Starthilfe in die Selbständigkeit. Im Übrigen kommt es auf den Einzelfall an, ob eine Zuwendung als lebzeitige Ausstattung zu qualifizieren ist. Diese Art der Zuwendung ist immer dann ausgleichpflichtig, wenn der Erblasser bei Vornahme der Zuwendung nichts anderes angeordnet hat. Da die Vereinbarung von Ausgleichsregelungen bei Zuwendungen in der Lebenswirklichkeit selten vorkommt, kann bei Annahme einer lebzeitigen Ausstattung regelmäßig von einer Ausgleichspflicht ausgegangen werden.

  2. Ebenfalls zur Ausgleichung zu bringen sind wiederkehrende Leistungen. Hierunter fallen laufende und gleich hohe Geldzuwendungen mit Unterhaltscharakter, etwa zur Unterstützung bei den vorbereitenden Ausbildungsabschnitten der Juristen, Lehrer oder Ärzte. Ausgleichspflichtig sind diese Zuschüsse aber nur, wenn sie über den normalen Vermögensstatus des Erblassers deutlich hinausgehen. Zu fragen ist dann konkret, ob der Erblasser anderen Abkömmlingen wirtschaftlich vergleichbare Zuwendungen erteilen konnte, oder ob er hierfür seinen Vermögensstamm antasten musste.

  3. Zuschüsse zur Berufsausbildung bzw. zur Erreichung eines weitergehenden Ausbildungsniveaus fallen ebenfalls dann unter die Kategorie der ausgleichspflichtigen Zuwendungen, wenn sie über den gewöhnlichen Vermögensverhältnissen des Erblassers liegen. Entscheidend für die Ausgleichspflicht sind die konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Erblassers zur Zeit der Zuwendung. Speziell die Finanzierung eines Hochschulstudiums sorgt dabei regelmäßig unter Geschwistern für Streit. Als Faustregel gilt: Ein Studiengang ist bei entsprechenden Vermögensverhältnissen regelmäßig „drin". Ein zweiter nicht.

  4. Schließlich gibt es Zuwendungen, die unter keine der vorgenannten Kategorien fallen, so genannte „andere Zuwendungen" im Sinne des § 2050 Abs. 3 BGB. Eine Ausgleichspflicht besteht hier nur dann, wenn sie vom Erblasser angeordnet worden ist, etwa in einem Testament. Diese unspezifischen Zuwendungen führen naturgemäß häufig zu Streit. Mitlieder einer Erbengemeinschaft versuchen nämlich regelmäßig, diese „anderen Zuwendungen" unter die vorgenannten Zuwendungsarten einzuordnen, um sie damit als ausgleichspflichtig darzustellen.

    Damit stellen sich dann die üblichen Nachweis- und Beweisprobleme. Derjenige Miterbe, der die Ausgleichung von Zuwendungen fordert, hat die tatsächlichen Voraussetzungen im Einzelnen nachzuweisen, etwa anhand von Testamenten oder Regelungen, die im Zusammenhang mit einer vorweggenommenen Erbfolge getroffen wurden.

Fazit: Streit über ausgleichspflichtige Zuwendungen greift negativ in familiäre Strukturen ein und beruht auf nicht klar geregelten Vermögensübergängen durch den Erblasser. Erfahrungsgemäß wünschen die meisten Eltern einen gleichmäßigen Übergang des Vermögens auf ihre Abkömmlinge. Jedoch kann der Erblasser über die Frage der Ausgleichung weitgehend disponieren. Je nach Motivlage und zur Verwirklichung dessen, was ein Erblasser als gerecht empfindet, bietet es sich an, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Ein erfahrener Rechtsberater wird nach eingehender Erörterung der Lage gemeinsam mit dem Mandanten passende Lösungen hierfür entwickeln.

Der Verfasser Martin Diefenbach, LL.M. ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Er ist auf die Beratung von Anlegern im Bank- und Kapitalanlagerecht spezialisiert. Bei Fragen können Sie sich an Herrn Rechtsanwalt Martin Diefenbach, LL.M. unter diefenbach@legitas.de oder telefonisch unter 0211 – 936 540 0 wenden.
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