Vorsicht beim Rücktritt vom Kaufvertrag!

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Ein aktuelles Urteil des BGH zeigt auf, was Käufer und Verkäufer beim Rücktritt vom Kaufvertrag u.a. beachten sollten

Einleitung

Der Käufer einer mangelhaften Kaufsache kann gegenüber dem Verkäufer Gewährleistungsrechte geltend machen, also gem. § 437 BGB Nacherfüllung verlangen, vom Kaufvertrag zurücktreten, den Kaufpreis mindern und Schadens- oder Aufwendungsersatz verlangen. In der Gesetzesbegründung zur Schuldrechtsreform stellte der Gesetzgeber diesbezüglich klar, dass der Nacherfüllungsanspruch Vorrang vor den übrigen Gewährleistungsrechten haben soll. Demnach existiert ein Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung. Er soll erst einmal Gelegenheit bekommen, den vertraglich geschuldeten Leistungserfolg doch noch herzustellen, bevor er sich weiteren Ansprüchen ausgesetzt sieht. Die weiteren Rechte, also auch das vom Käufer häufig begehrte Rücktrittsrecht, kommen grundsätzlich erst zum Tragen, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist oder beide Formen der Nacherfüllung, also Nachbesserung durch Mangelbeseitigung und Nachlieferung einer mangelfreien Sache, unmöglich sind.

Lars Liedtke
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Für den Käufer einer mangelhaften Sache bedeutet dies also, dass er gem. § 323 I BGB zunächst dazu verpflichtet ist, dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung zu setzen. Erst wenn diese vergeblich verstrichen ist, ist ein Rücktritt vom Kaufvertrag möglich. Ausnahmsweise ist ein vorzeitiger Rücktritt ohne vorherige Fristsetzung u.a. nach § 323 II Nr. 1 BGB dann möglich, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung ernsthaft und dauerhaft verweigert. Eine aktuelle Entscheidung des BGH belegt, dass hieran strengere Anforderungen zu stellen sind, als häufig vermutet wird, und dass ein voreiliger Rücktritt unwirksam ist.

Das Urteil des BGH

Dem Urteil des BGH vom 19.12.2012 (VIII ZR 96/12) lag ein Sachverhalt zu Grunde, bei dem eine in Berlin lebende Käuferin auf der Internetplattform eBay ein gebrauchtes Motorboot zu einem Kaufpreis von 2.500 € erstanden hat. Der Verkäufer gab im Rahmen seiner Artikelbeschreibung bei eBay u.a. an, dass es sich um ein gemütliches Wanderboot handele, das für längere Entdeckungstouren geeignet sei und mit dem man auf Reisen gehen könne, da es Schlafmöglichkeiten für zwei Erwachsene und ein Kind biete. Er wies weiter darauf hin, dass er das Boot unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung verkaufe. Nach Erhalt des Bootes entdeckte die Käuferin Schimmelspuren, was sie dem Verkäufer gegenüber bemängelte. Dieser bestritt seine Kenntnis von den Schimmelstellen und verwies auf den Gewährleistungsausschluss. Eine von der Käuferin eingeholte Begutachtung ergab, dass das Boot nicht mehr seetauglich sei und eine Reparatur Kosten i.H.v. 15.000 € auslösen würde.Sie erklärte den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte den Kaufpreis zurück. Der ebenfalls in Berlin wohnhafte Verkäufer wollte sich daraufhin die angeblichen Mängel vor Ort anschauen und ggf. beseitigen. Die Käuferin, die das Boot inzwischen an die Ostsee verbracht hatte, war hiermit nicht einverstanden und bot eine Besichtigung durch den Verkäufer auf Usedom an. Dies lehnte wiederum der Verkäufer ab, so dass die Käuferin Klage auf Rückzahlung des Kaufpreises aus einem Rücktritt vom Kaufvertrag erhob.

Der BGH entschied, dass die Voraussetzungen für einen Rücktritt nicht vorliegen. Der BGH führte zutreffend aus, dass die Kaufsache einen Sachmangel habe. Durch die bei eBay vorgenommene und für die Kaufentscheidung der Käuferin maßgebliche Artikelbeschreibung sei es zwischen den Parteien zu einer Beschaffenheitsvereinbarung gekommen, wonach das Boot seetüchtig sein solle. Da es diese Beschaffenheit nicht aufwies, liege ein Sachmangel i.S.v. § 434 I 1 BGB vor.

Weiter ist festzuhalten, dass der vom Verkäufer bei seinem eBay-Angebot verwendete Gewährleistungsausschluss nicht die Gewährleistungsansprüche der Käuferin wegen der fehlenden Seetüchtigkeit erfasst, da die Gewährleistung für eine Beschaffenheitsvereinbarung hierdurch nicht ausgeschlossen werden konnte.

Allerdings scheiterte der Rücktritt der Käuferin wegen Umgehung des Rechts des Verkäufers zur zweiten Andienung. Da es sich um einen behebbaren Mangel an der Kaufsache handelte, hätte die Käuferin dem Verkäufer erst eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen müssen, bevor sie vom Vertrag hätte zurücktreten können. Der BGH führt aus, dass eine wirksame Fristsetzung nur vorliegen könne, wenn sie mit einem tauglichen Nacherfüllungsverlangen verbunden sei, welches auch die Bereitschaft des Käufers umfassen müsse, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen zur Verfügung zu stellen. Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen, da die Käuferin eine Begutachtung durch den Verkäufer nicht auf Usedom verlangen konnte. Vielmehr muss der Käufer die Kaufsache i.S.v. § 269 BGB am Erfüllungsort der Nacherfüllungsansprüche zur Verfügung stellen. Regelmäßig hat dies also am Wohnsitz des Käufers zu geschehen. Da die Käuferin sich einer Überprüfung des Bootes in Berlin widersetzte, habe sie kein taugliches Nacherfüllungsverlangen abgegeben, weshalb sie dem Verkäufer auch keine wirksame Nacherfüllungsfrist gesetzt haben kann.

Der BGH stellt weiter fest, dass das Erfordernis einer angemessenen Fristsetzung auch nicht nach § 323 II Nr. 1 BGB entbehrlich war. Das Bestreiten der Kenntnis von den Mängeln und der Hinweis auf den (nur vermeintlich wirksamen) Gewährleistungsausschluss nach der ersten Mängelrüge stelle keine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Nacherfüllung durch den Verkäufer dar. Der BGH betont, dass an eine solche Erfüllungsverweigerung strenge Anforderungen zu stellen seien. Insbesondere genüge das bloße Bestreiten von Mängeln und das Berufen auf Vertragsklauseln für eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung nicht. Hieraus kann nicht zwingend geschlossen werden, dass der Verkäufer die Nacherfüllung auch tatsächlich verweigern wird, wenn er sich von der Mangelhaftigkeit überzeugt hat. Der BGH führt aus, dass vielmehr weitere Umstände hinzutreten müssen, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Verkäufer die Erfüllung seiner Vertragspflichten dauerhaft ablehnt und es ausgeschlossen erscheint, dass er sich durch eine Fristsetzung hätte umstimmen lassen.

Wegen der Unwirksamkeit des Rücktritts konnte die Käuferin im vorliegenden Fall keine Rückzahlung des Kaufpreises verlangen.

FAZIT:

Diese Entscheidung belegt, dass auch der BGH dem Vorrang der Nacherfüllung wegen des Rechts des Verkäufers zur zweiten Andienung einen hohen Stellenwert beimisst und damit korrespondierend an die Entbehrlichkeit einer Nacherfüllungsfristsetzung strenge Anforderungen knüpft.

In der Praxis bedeutet dies für Käufer einer mangelhaften Kaufsache, dass keineswegs voreilig ein Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt werden sollte. Vielmehr sollte stets eine rechtliche Überprüfung vorgenommen werden, ob die Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts auch wirklich vorliegen, insbesondere ob dem Verkäufer wirksam eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden ist. Dies umfasst vor allem also auch eine dahingehende Prüfung, ob der Käufer dem Verkäufer eine geeignete Möglichkeit zur Überprüfung der Kaufsache verschafft hat.

Für Verkäufer hingegen bedeutet diese Entscheidung wieder einmal mehr, dass insbesondere durch die Formulierung eines pauschalen Gewährleistungsausschlusses keinesfalls Gewissheit darüber bestehen kann, dass der Käufer nicht doch Gewährleistungsrechte ausüben kann. Tritt der Käufer hingegen vom Vertrag zurück, ohne dem Verkäufer zuvor eine Nacherfüllungsfrist gesetzt zu haben, ist dringend eine rechtliche Überprüfung des Falles anzuraten. Vor allem belegt dieses Urteil, dass allein das Bestreiten von Mängeln durch den Verkäufer noch keine endgültige Nacherfüllungsverweigerung darstellen muss. Im Ergebnis führt das Bestreiten der Mängel also nicht zwingend zu einer sofortigen Rücktrittsmöglichkeit für den Käufer.

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