Vorsicht beim "Führerscheintourismus"

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Der "EU-Führerschein" berechtigt nicht bedingungslos zum Führen von Fahrzeugen im Inland

Auf vielen Internetseiten ist zu lesen, dass ein in einigen EU-Staaten erworbener Führerschein den Inhaber berechtigt, in Deutschland ein Kraftfahrzeug zu führen, wenn dem Betreffenden zuvor die Fahrerlaubnis entzogen wurde.

Derartige Werbungen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Oft werden nämlich dem "Führerscheintourist" zwei ganz wichtige Details verschwiegen. Zum einen berechtigt ein "EU-Führerschein" nur dann zum Führen von Fahrzeugen im Inland, wenn eine verhängte Sperrfrist abgelaufen ist. Zum anderen muss der Inhaber zum Zeitpunkt des Erwerbs des Führerscheins seinen Wohnsitz in dem entsprechenden EU-Staat gehabt haben. Dies wurde jüngst wieder vom Oberlandesgericht Hamm bestätigt.

Serkan Kirli
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Der Sachverhalt

Einem Fahrzeugführer wurde im Inland die Fahrererlaubnis entzogen und zugleich eine Sperrfrist verhängt. Nach dem Entzug der deutschen Fahrerlaubnis und nach Ablauf der verhängten Sperrfrist im Jahre 2009 erwarb er eine spanische Fahrerlaubnis. Anschließend führte er in Deutschland ein Kraftfahrzeug. Daraufhin hatte ihn die Staatsanwaltschaft wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis angeklagt. Laut Staatsanwaltschaft dürfe er durch die einschlägige Bestimmung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 3 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) nach dem Entzug der deutschen Fahrerlaubnis keine Kraftfahrzeuge in Deutschland führen. Dies gelte auch für die Nutzung einer ausländischen Fahrerlaubnis.

Die Entscheidung des OLG Hamm bestätigt den EuGH

Dies sah das Oberlandesgericht Hamm anders. Der spanische Führerschein berechtige den Angeklagten, im Inland Kraftfahrzeuge zu führen. Der § 28 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 3 FeV sei wegen des Anwendungsvorrangs der 3. europäischen Führerscheinrichtlinie (Art. 2 Abs. 1, 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG) nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs so auszulegen, dass eine außerhalb einer Sperrfrist von einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union erteilte Fahrerlaubnis als gültig anzuerkennen sei.

Damit die Fahrerlaubnis gültig ist, muss der Inhaber beim Erwerb einen ordentlichen Wohnsitz im Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaates gehabt haben. Nach Ansicht des Gerichts gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte beim Erwerb des spanischen Führerscheins keinen Wohnsitz in Spanien hatte. Von daher komme die Anwendung des Ausnahmetatbestandes des § 28 Abs. 4 Satz 1 Ziff. 3 FeV nicht in Betracht. Demnach wurde die (Sprung-)Revision der Staatsanwaltschaft gegen das amtsgerichtliche Urteil als unbegründet verworfen.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 26.09.2012 - III-3 RVs 46/12

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