Vorerkrankungsklauseln in der Restschuldversicherung – Wirksam? Das ist hier die Frage!

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Vorerkrankungsklauseln in der Restschuldversicherung – Wirksam? Das ist hier die Frage!

Besprechung von LG Köln, Urteil vom 26.11.2008, 23 O 371/07)

1. Einleitung

Viele Autokäufer müssen, um Liquiditätsrisiken bei Erkrankungen auszuschließen, vor dem Kauf zur Absicherung der Finanzierung eine regelmäßig nicht wirklich günstige Restschuldversicherung abschließen. Für den Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit etwa verpflichtet sich dann das Versicherungsunternehmen, die Restschuld grob gesagt zu tilgen.

Oftmals enthält das „Kleingedruckte" des Versicherungsunternehmens aber einschränkende Klauseln, deren Tragweite vom „unbedarften" Kunden zu Recht erst später erkannt wird. Eine sehr wesentliche und umstrittene Klausel z. B. schließt Leistungen für bekannte, ernstliche Vorerkrankungen dann aus, wenn der künftige Versicherungsnehmer (oder die Versicherungsnehmerin) deswegen in den letzten 12 Monaten vor Vertragsschluss behandelt wurde und der Versicherungsfall innerhalb der nächsten 24 Monate seit Beginn des Versicherungsschutzes eintritt und mit diesen Erkrankungen im ursächlichen Verhältnis steht. Eine genaue Risikoprüfung bei Vertragsschluss findet nicht statt.

Halten Sie diese Klausel für fair und rechtlich wie inhaltlich transparent? Oder mußten sie diese auch 2-3 mal lesen? Was ist überhaupt eine ernstliche Erkrankung? Warum prüft der Versicherer die Gesundheit nicht bei Vertragsschluss (so zum Beispiel bei der Sparte Berufsunfähigkeitsversicherung)?  Wer liest entsprechende Klauseln bei Vertragsschluss als Kunde? Die Oberlandesgerichte streiten, der BGH schweigt.

2. Der besondere Fall

Das LG Köln hat eine solche Klausel als hinreichend gesehen und gegen den klagenden Verbraucher entschieden. Folgender Fall (stark gekürzt) lag der genannten Entscheidung zugrunde:

Der Kläger schloss zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufs bei der O Bank einen Darlehensvertrag über einen Betrag von 19.822,20 €, der in 60 monatlichen Raten zu je 330,37 € ab dem 5.8.2005 zurückzuzahlen war. Zugleich schloss er bei der Beklagten eine Restschuldarbeitsunfähigkeitsversicherung ab. Danach übernahm der beklagte Versicherer im Fall einer Arbeitsunfähigkeit die vereinbarten Kreditraten (…).

Die Versicherung enthielt folgende Klausel:

"Der Versicherungsschutz erstreckt sich nicht auf die der versicherten Person bekannten ernstlichen Erkrankungen.., wegen derer sie in den letzten 12 Monaten vor Beginn des Versicherungsschutzes ärztlich beraten oder behandelt wurde. Diese Einschränkung gilt nur, wenn der Versicherungsfall innerhalb der nächsten 24 Monate seit Beginn des Versicherungsschutzes eintritt und mit diesen Erkrankungen in ursächlichem Zusammenhang steht."

Am 10.4.2007 erkrankte der Kläger sodann an einer Depression, wegen derer er arbeitsunfähig krankgeschrieben wurde.

Der beklagte Versicherer lehnte Leistungen ab und berief sich darauf, dass der Kläger bereits innerhalb der 12-Monatsfrist wegen einer depressiven Episode ärztlich behandelt und krankgeschrieben worden sei. Dies hatte der Kläger bestritten sowie die Wirksamkeit der genannten Klausel in Abrede gestellt.

Das Gericht hat dem Kläger im Wesentlichen entgegengehalten, dass die Vorerkrankung im wichtigen Zeitraum vorhanden gewesen sei (wird nicht vertieft). Ferner sei die Vorerkrankungsklausel auch wirksam. Sie sei insbesondere nicht intransparent i. S. des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

So sei es hinreichend nach den Anforderungen des Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zum Thema Leistungsfreiheit des VR, dass nur solche Vorerkrankungen berücksichtigt werden dürfen, die dem Antragsteller bekannt waren. Außerdem seien auch die Risikoprüfungsgrundsätze anhand der Klausel klar erkennbar. Durch die Begriffe der „ernsthaften (Vor)erkrankungen" sei dies der Fall. Die Klausel stelle sicher, dass sie nur bei solchen Vorerkrankungen zur Anwendung komme, deren Offenlegen dazu geführt hätte, dass ein Versicherungsvertrag zumindest ohne Einschränkungen (Risikozuschlag oder Leistungsausschluss) nicht zustande gekommen wäre und deren Verschweigen die Versicherung zum Rücktritt berechtigt hätte.

Zwar sei zu beachten, dass ihre Vermittlung zugleich mit der Kreditvergabe ohne Einschaltung eines Versicherungsfachmanns durch einen Mitarbeiter des Kreditinstituts erfolge, der sicherlich auch wirtschaftliche Eigeninteressen verfolge. Andererseits scheide die Möglichkeit einer vorherigen Risikoprüfung durch die Versicherung in der Praxis aus. Die damit verbundene erhebliche zeitliche Verzögerung bis zum Abschluss des Kreditvertrages könne keinesfalls im Interesse des Kreditnehmers liegen. Auch eine entsprechend lange Wartezeit allein wäre keine angemessene Vereinbarung zum Schutz der Versicherung vor unangemessenen Risiken. Zum Einen sei nicht ersichtlich, inwieweit hiermit den Interessen des Kreditnehmers mehr gedient wäre. Hiervon wäre jeder Versicherungsfall betroffen, unabhängig davon, auf welcher Erkrankung er beruht. Zum Anderen greife die Klausel ohnehin nur bei einem Eintritt des Versicherungsfalls innerhalb von 24 Monaten. Dieses Risiko werde der Versicherungsnehmer, der im Jahr vor der Kreditaufnahme eine ernsthafte Erkrankung erlitten hatte, im Regelfall durchaus selbst einschätzen können.

3. Fazit

Vorab sei gesagt, dass die Entscheidung mich schon praktisch nicht überzeugt. Anders als beim Vertragsschluss mittels geschulten Versicherungsvermittlers im Normalfall, dürfte hier das erhebliche Interesse des Autohauses sowie des damit zusammenarbeitenden Kreditinstituts nahelegen, dass die Einschränkungen des Versicherungsschutzes kaum jemals deutlich gemacht werden. Aus meinen eigenen Erfahrungen beim Autokauf kann ich die Information über derartige Klauseln verharmlosend nur als dürftig nennen. Oftmals dürfte die Information nicht ansatzweise erteilt werden, da der Mitarbeiter die Problematik gar nicht kennt oder versteht. Geschweige denn der Kunde! Das Zeitargument des LG Köln ist, wegen des abgrenzbaren Zeitraums bei gesundheitlicher Überprüfung des Kunden, nicht im Ansatz nachvollziehbar.

Rein rechtlich gesehen dürfte die Klausel im Widerspruch zum Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen stehen. Denn so ist unklar und daher rechtlich intransparent, was denn überhaupt eine ernstliche Erkrankung ist. Da anders als bei Fällen mit Gesundheitsprüfung durch den Versicherer (klassisches Beispiel: Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung) der VN mangels Information gerade keinerlei Möglichkeiten hat, etwaigen Deckungslücken für die unerkannten Ausschlüsse zu entgegen, machen namhafte Versicherungsrechtler auf die Untragbarkeit dieser Situation für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer aufmerksam. Man bedenke, um welche Streitsummen, die abgesichert werden sollen, es hier geht! Diese unbillige Verlagerung der Gesundheits- und Risikoprüfung nach Vertragsschluss bzw. auf den Versicherungsfall dürfte daher rechtlich unheilbar sein.

Die Oberlandesgerichte sehen die Frage nicht einheitlich. Die OLGe Dresden und Koblenz meinen, die Klausel sei wirksam. Anders sind Saarbrücken und Brandenburg dazu eingestellt. Der Bundesgerichtshof hat darüber noch nicht zu entscheiden gehabt. Bei den bisher anhängigen Fällen (Dresden und Koblenz!) wurden die Fälle nichtstreitig entschieden. Sie können sich überlegen, wann Versicherer vor dem BGH nichtstreitig entscheiden. Ich meine, dass daher die Revisionsaussichten sehr positiv sein dürften!

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