Vollendeter Prozessbetrug, Versuch oder gar nichts?

19. September 2015 Thema abonnieren
 Von 
LangerAtem
Status:
Frischling
(16 Beiträge, 9x hilfreich)
Vollendeter Prozessbetrug, Versuch oder gar nichts?

In einem Zivilverfahren legt der Kläger dar, dass der Beklagte und Personen, die in seinem Auftrag handelte, falsche Versprechungen machten (angeblicher Steuervorteil).
Der Beklagte bestreitet über seinen Rechtsanwalt die Kenntnis von diesen Versprechungen. Da der Beklagte (bzw. die anderen Personen) dies bei mehreren Personen gemacht haben (die ihrerseits nicht klagen), kann einerseits durch Zeugenaussagen das Gegenteil belegt werden. Andererseits liegen auch E-Mails vor, die die Firma des Beklagten an die vorgenannten Personen geschickt hat, aus denen hervorgeht, dass diese durch sog. "Musterschreiben" angeleitet wurden, gegenüber dem Finanzamt falsche Angaben zu machen (um den Steuervorteil zu erlangen). Das Finanzamt durchschaut den Trick und leitet gegen die Personen ein Strafverfahren ein.
Das Gericht bewertet die vorgelegte Beweise nicht und verweist nur darauf, dass sich der Kläger sich geirrt hat und sich selbst beim Finanzamt hätte schlau machen können. Das Berufungsgericht vertritt die gleiche Auffassung und stellt fest, dass sich ggf. beide Parteien bei dem erwarteten Steuervorteil geirrt haben. Die falschen Behauptungen hinsichtlich des Steuervorteils seien nicht ursächlich für den Vertragsabschluss, da der eingeklagte Teil nur ein geringer Anteil der gesamten Vertragssumme darstellt. Eine Täuschung durch den Beklagten wird nicht bejaht.

Könnte das Bestreiten der gemachten Versprechungen einen Prozessbetrug darstellen, wenn das Gegenteil bewiesen werden kann und wenn dies ggf. nicht ausschlaggebend für die Entscheidungsfindung des Gerichts war? (der Kläger musste sich nach der ersten Äußerung gegenüber dem Gericht kein zweites Mal äußern)

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6 Antworten
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#1
 Von 
JenAn
Status:
Student
(2517 Beiträge, 2552x hilfreich)

Zitat:
Könnte das Bestreiten der gemachten Versprechungen einen Prozessbetrug darstellen, wenn das Gegenteil bewiesen werden kann


Nein, dann wäre nach jedem verlorenen Prozeß der Verlierer "dran", weil er ja den Anspruch bestritten hat (oder einen nicht bestehenden eingeklagt).

Zitat:
Eine Täuschung durch den Beklagten wird nicht bejaht.


Wenn schon zwei Zivilgerichte keine Täuschung gesehen haben, wieso bist du der Ansicht, ein Strafgericht würde eine sehen?

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#2
 Von 
LangerAtem
Status:
Frischling
(16 Beiträge, 9x hilfreich)

Vielen Dank für die Antwort. Ich möchte meine Sicht der Dinge darstellen. Bitte korrigieren, wenn ich falsch liege.

Zitat (von JenAn):
Nein, dann wäre nach jedem verlorenen Prozeß der Verlierer "dran", weil er ja den Anspruch bestritten hat (oder einen nicht bestehenden eingeklagt).

Gegensätzliche Behauptungen sind in Zivilprozessen bekanntermaßen an der Tagesordnung. Aber die Tatsache, dass der Richter einer Partei Glauben schenkt, lässt nicht automatisch die Schlussfolgerung zu, dass die andere Partei gelogen hat. Es ist m. E. ein Unterschied darin zu sehen, ob lediglich ein Anspruch bestritten wird, die Wahrheit etwas "gedehnt" wird oder nachweislich falsche Behauptungen aufgestellt werden.

Im o. g. Fall kann das falsche Vortragen des Beklagten durch Beweise belegt werden (zahlreiche Zeugenaussagen und die o. g. E-Mails).

Zitat (von JenAn):
Wenn schon zwei Zivilgerichte keine Täuschung gesehen haben, wieso bist du der Ansicht, ein Strafgericht würde eine sehen?

Der Richter hat immer Recht, egal ob richtig oder falsch. Ich versuche gerade, objektiv den Sachverhalt aufzubereiten.

Grundsätzlich geht es hier einerseits um die Täuschung des Klägers im Rahmen der Vertragsverhandlungen. Andererseits um das falsche Vortragen vor Gericht. Meine o. g. Frage bezog sich nur auf den letzten Punkt. Zivilgerichte haben meines Wissens keine Verpflichtung, Strafverfahren wegen Prozessbetrugs einzuleiten. Ein Richter kann das machen, muss er aber nicht.

Zum Thema Täuschung bzw. Prozessbetrug:
Die o. g. einseitige Beweiswürdigung wirkt m. E. wenig objektiv und lässt sich mit meinem Rechtsempfinden nicht vereinbaren.

Fakt ist: Es wurden auf Veräußererseite bei Vertragsgesprächen falsche Behauptungen aufgestellt hinsichtlich der zu zahlenden Steuer. Diese Behauptungen sollten die Verbraucher dazu bewegen, die vorgegebenen Vertragskonditionen (die Gesamtkosten in den Vertragsgesprächen wurden auf einmal mehrere tausend Euro höher dargestellt, als in der öffentlichen Werbung) zu akzeptieren, was auch geschah. Dies geschah nicht nur beim Kläger, sondern bei sämtliche Käufern, wie dem Gericht auch dargestellt wurde. In der Folge mussten nicht nur die höheren Kosten, sondern auch die höheren Steuern getragen werden.

Dennoch wurde hier keine Täuschung, sondern ein Motivirrtum auf Seiten des Klägers durch die erste Instanz angenommen. Die Berufungsinstanz ging von einem ggf. vorliegenden beiderseitigen Motivirrtum aus.

Ich habe den Verdacht, dass eine arglistige Täuschung durch das Gericht abgelehnt wurde, da eine Klageabweisung ansonsten nicht so einfach möglich gewesen wäre. Schließlich ist arglistige Täuschung bei Vertragsabschluss nicht erlaubt. Die Kernfrage war hier also, ob diese vorlag.

Beide Instanzen haben die E-Mails, die die Anleitung zu Falschangaben gegenüber dem Finanzamt belegen, ignoriert. Dabei sollte gerade dies belegen, dass der Beklagte Kenntnis davon hatte, dass eine legale Steuerersparnis nicht zu erzielen war. Daraus wäre zwingend zu schlussfolgern, dass der Beklagte bereits in den Vertragsgesprächen etwas falsches Versprochen hat. Selbst wenn durch den Beklagten nur "etwas ins Blaue hinein" behauptet wurde, kann m. E. eine arglistige Täuschung angenommen werden. (Oder liege ich da falsch?)

Auf eine Anhörung der Parteien wurde in der erstinztanzlichen Verhandlung verzichtet. Es gab nur einen Termin, in dem die Anwälte anwesend waren. Die Berufungsinstanz hat ebenfalls angegeben, dass eine Klageabweisung ohne mündliche Verhandlung erfolgen wird. Man könnte daher sogar den Eindruck gewinnen, dass der Beklagte geschützt werden sollte, indem der falsche Vortrag durch den Beklagten nicht weiteren Eingang in die Verhandlung findet.

Gerade in solchen Fällen sollten auch der freien Beweiswürdigung Grenzen gesetzt sein, oder?

Es kann also geschlussfolgert werden, dass durch den falschen Vortrag des Beklagten eine für ihn günstigere Ausgangsposition vor Gericht erreicht werden sollte.

Könnte daher der Anfangsverdacht eines Prozessbetrugs angenommen werden?

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#3
 Von 
JenAn
Status:
Student
(2517 Beiträge, 2552x hilfreich)

Zitat:
Zivilgerichte haben meines Wissens keine Verpflichtung, Strafverfahren wegen Prozessbetrugs einzuleiten.


? Zwei Gerichte haben *zugunsten* des Beklagten entschieden. Das Argument, sie seien nicht verpflichtet gewesen, den Beklagten wegen Prozeßbetrugs anzuzeigen, würde nur funktionieren, wenn sie zu *Ungunsten* des Beklagten entschieden hätten (was sie bei Prozeßbetrug ja wohl getan hätten).

Zitat:
Die o. g. einseitige Beweiswürdigung wirkt m. E. wenig objektiv und lässt sich mit meinem Rechtsempfinden nicht vereinbaren.


Der Rechtsweg ist *zuende*. Die Hoffnung, über einen Strafprozeß wegen angeblichem Prozeßbetrug das abgeschlossene Zivilverfahren wieder aufrollen zu können, ist schon gefährlich nahe am Querulanten-Territorium.

Zitat:
Gerade in solchen Fällen sollten auch der freien Beweiswürdigung Grenzen gesetzt sein, oder?


Irrelevant, da der Instanzenweg *zuende* ist.

Zitat:
die Gesamtkosten in den Vertragsgesprächen wurden auf einmal mehrere tausend Euro höher dargestellt, als in der öffentlichen Werbung


Also wurden die Kosten in den Gesprächen korrekt dargestellt?

Zitat:
Könnte daher der Anfangsverdacht eines Prozessbetrugs angenommen werden?


Wenn überhaupt, dann nur eines versuchten, da die Aussagen ja offenbar am Ende keinen Einfluß auf den Ausgang des Verfahrens hatten.

Zitat:
Man könnte daher sogar den Eindruck gewinnen, dass der Beklagte geschützt werden sollte


Klar, die große Verschwörung fehlte ja noch in diesem Thread...

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#4
 Von 
LangerAtem
Status:
Frischling
(16 Beiträge, 9x hilfreich)

Vielen Dank für deinen Beitrag. Und du hast recht, man bewegt sich tatsächlich gefährlich nahe am Querulantentum, wenn man gerichtliche Entscheidungen nicht akzeptiert.

Zitat (von JenAn):
Also wurden die Kosten in den Gesprächen korrekt dargestellt?

Ja, wobei die Kosten im Zusammenhang mit einem Steuersparmodell quasi gegengerechnet wurden und die Mehrkosten sich dadurch halbierten. Dies geschah zwar nur mündlich, die Veräußererseite hat dies aber bei allen Betroffenen gemacht, so dass dies auch nachweisbar ist.

Was mich ärgert ist einfach, dass gerichtlich im Grunde genommen Folgendes entschieden wurde:
1. In Vertragsverhandlungen dürfen nicht existente Steuervorteile versprochen werden, um die eigene Verhandlungsposition zu verbessern.
2. Vor Gericht darf dies ohne Weiteres geleugnet werden, auch wenn das Gegenteil bewiesen werden kann.
3. Selbst, wenn man Käufer durch "Musterschreiben" angeleitet hat, falsche Angaben gegenüber dem Finanzamt zu machen, welche sich genau mit der Art und Weise des versprochenen Steuervorteils decken, hat dies keine Konsequenzen. Insobesondere wird nicht unterstellt, dass man bereits in den Vertragsverhandlungen bewusst etwas falsches behauptete (Abgenzung Motivirrtum/arglistige Täuschung).

Und nein, mir geht es nicht darum, auf Umwegen den Prozess wieder aufzurollen. Das dies ein Ansinnen ohne Erfolgsaussicht sein dürfte, ist mir bewusst. Aber die Argumentation, "Elfer ist dann, wenn der Schiri pfeift", ist mir einfach zu platt.

0x Hilfreiche Antwort

#5
 Von 
JenAn
Status:
Student
(2517 Beiträge, 2552x hilfreich)

Zitat:
Selbst, wenn man Käufer durch "Musterschreiben" angeleitet hat, falsche Angaben gegenüber dem Finanzamt zu machen, welche sich genau mit der Art und Weise des versprochenen Steuervorteils decken, hat dies keine Konsequenzen.


Wurde denn wegen Anstiftung/Anleitung zur Steuerhinterziehung Strafanzeige erstattet? Man kann sich schlecht über "keine Konsequenzen" beschweren, wenn man lediglich einen Zivilprozeß führt und sich erst bei Unterliegen überlegt, ob vielleicht Straftaten im Raume stehen (und dann immer noch keine Anzeige erstattet).

Zitat:
Aber die Argumentation, "Elfer ist dann, wenn der Schiri pfeift", ist mir einfach zu platt.


Strafanzeige "wegen des Verdachts auf..." kostet ja keinen Cent. Nicht machen und dann über "keine Konsequenzen für den Täter" beschweren ist schon etwas... speziell.

Zitat:
1. In Vertragsverhandlungen dürfen nicht existente Steuervorteile versprochen werden, um die eigene Verhandlungsposition zu verbessern.


Dazu ist über den Fall zu wenig bekannt, das bewerten zu können.

Zitat:
2. Vor Gericht darf dies ohne Weiteres geleugnet werden, auch wenn das Gegenteil bewiesen werden kann.


Das liegt zu einem gewissen Grad in der Natur der Sache. Müßte eine Partei immer gleich einknicken, wenn die Gegenpartei das Gegenteil "beweisen" kann, dann wüßte man irgendwann gar nicht mehr, wie lange man "Beweise" der Gegenseite anzweifeln darf, ohne sich strafbar zu machen.

Zitat:
Insobesondere wird nicht unterstellt, dass man bereits in den Vertragsverhandlungen bewusst etwas falsches behauptete (Abgenzung Motivirrtum/arglistige Täuschung).


S.o. In so einer speziellen Konstellation kann man allgemein nichts zur Qualität des Urteils sagen. Im Einzelfall kann aber in der Tat die Abgrenzung schwierig sein ("ich habe dem Käufer nichts vom ab und an ausgehenden Motor erzählt, weil ich nach seiner Schilderung davon ausging, er sei sowieso nur an der Karosserie interessiert und wolle den Rest eh wegschmeißen").

1x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
LangerAtem
Status:
Frischling
(16 Beiträge, 9x hilfreich)

Zitat (von JenAn):
Wurde denn wegen Anstiftung/Anleitung zur Steuerhinterziehung Strafanzeige erstattet? Man kann sich schlecht über "keine Konsequenzen" beschweren, wenn man lediglich einen Zivilprozeß führt und sich erst bei Unterliegen überlegt, ob vielleicht Straftaten im Raume stehen (und dann immer noch keine Anzeige erstattet).

Das Finanzamt hat selbstständig Ermittlungen eingeleitet. Zumindest wurde gegen alle Käufer eingeleitet, die der falschen Anleitung des Beklagten gefolgt sind. Da diese Anleitung zur falschen Angabe nachweisbar war, ist das Verfahren gegen die meisten (oder sogar alle) Käufer eingestellt worden. Ob gegen den Beklagten auch ein Verfahren eingeleitet wurde, ist mir nicht bekannt. Die Sache ist steuerrechtlich somit abgearbeitet.
Zitat (von JenAn):


Nicht machen und dann über "keine Konsequenzen für den Täter" beschweren ist schon etwas... speziell.

In diesem Zusammenhang beschwere ich mich ja auch gar nicht. Dies bezog sich eher darauf, dass die falschen Behauptungen des Beklagten (gegenüber dem Kläger bzw. weiteren Personen und auch ggü. dem Gericht) keinen Eingang in die gerichtlichen Entscheidungen fanden. Aber dies kann der Richter nunmal handhaben wie er will.

Der Sinn dieses Threads war es ja auch, sich Meinungen einzuholen, ob ggf. ein Prozessbetrug vorliegen kann, auch wenn eine Klage ggf. aus anderen Gründen als einer falschen Tatsachenbehauptung abgewiesen wurde.

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