Völlig kurios? Kündigungsschutzklagen von Azubi UND Betrieb

6. Oktober 2017 Thema abonnieren
 Von 
lustikuss
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(57 Beiträge, 14x hilfreich)
Völlig kurios? Kündigungsschutzklagen von Azubi UND Betrieb

Stellen wir uns mal vor, ein Ausbildungsbetrieb kündigt Azubi. Der gewinnt Kündigungsschutzklage, kündigt seinerseits fristlos und nun legt der Betrieb Kündigungsschutzklage ein:

Ein Betrieb kündigt einem Azubi, der länger krank war (Bruch des Fußes) mit fadenscheinigen Argumenten ordentlich und 2 mal außerordentlich. Das Verfahren der Kündigungsschutzklage zieht sich über 5 Monate hin, bis durch Anerkenntnisurteil festgestellt wird, dass die alle Kündigungen unwirksam sind. Einen Tag nach der Verhandlung kündigt der Azubi fristlos. Er begründet seine Kündigung damit:

- Dass der Betrieb ihn seit 5 Monaten vertragswidrig nicht mehr ausgebildet hätte und er wegen der Fehlzeiten das Ausbildungsjahr wiederholen müsse,
- Der Anwalt des Beklagten ihm angedroht hätte, nach Rückkehr in den Betrieb 8 Stunden täglich in der Ecke stehen zu müssen, falls er ein völlig unangemessenes Vergleichsangebot nicht annehmen würde,
- Der Betrieb sich weigert, ihm die zahlreichen Überstunden zu vergüten, obwohl er gesetzlich dazu verpflichtet ist,
- In einem Schriftsatz ans Gericht darauf hingewiesen wurde, dass sich die anderen Mitarbeiter angeblich weigern würden mit ihm zusammen zu arbeiten und das es deshalb nach Auskunft des Betriebes keine Einsatzmöglichkeiten mehr für ihn gäbe, was eine Ausbildung unmöglich machen würde,
- Der Betrieb ihn mehrfach vom Besuch der Berufsschule abgehalten hätte, was nach der Rechtsprechung ein Grund für eine fristlose Kündigung von Seiten des Azubi sei,
- Der Ausbilder dem Gericht gegenüber den Standpunkt vertreten habe, dass für ihn ein Festhalten an der Ausbildung unzumutbar sei.

Gegen diese Kündigung hat der Betrieb nunmehr Kündigungsschutzklage eingereicht. Ich vermute, dass man sich befürchtet, dass der Azubi Schadensersatzansprüche nach § 23 BBiG geltend machen möchte, was auch zutrifft. Allerdings frage ich mich, was da jetzt eine Kündigungsschutzklage des Betriebes für einen Sinn haben soll. Hat jemand eine Idee?

Außerdem frage ich mich, ob die Kündigung vielleicht deshalb unwirksam ist, weil die 14tägige Frist nicht eingehalten worden ist. Die Kündigungsgründe waren dem Azubi ja schon länger bekannt. Andererseits musste er ja erst mal den Ausgang der Kündigungsschutzklage abwarten. Oder?

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10 Antworten
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#1
 Von 
MitEtwasErfahrung
Status:
Lehrling
(1840 Beiträge, 485x hilfreich)

Die ganze Angelegenheit ist schon etwas verkorkst.

Aber ich schätze, dass die 14 Tages-Frist eingehalten ist, denn zumindest ein Teil der Gründe würden erst entstehen, wenn man dort wieder anfangen würde.

Zitat:
- Der Anwalt des Beklagten ihm angedroht hätte, nach Rückkehr in den Betrieb 8 Stunden täglich in der Ecke stehen zu müssen, falls er ein völlig unangemessenes Vergleichsangebot nicht annehmen würde,


Das Problem ist aber, wie hier die schriftsätzliche Argumentation des Arbeitgebers zu werten wäre. Hätte man es auf einen Versuch ankommen müssen? Das ist sehr schwierig zu beurteilen.

Man könnte dem Arbeitgeber aber auch widersprüchliches Verhalten vorwerfen (Verstoß gegen Treu und Glauben), so dasss er gegen die Kündigung dann nicht vorgehen kann.

Das Problem ist aber, dass man dies auch dem AN ebenso vorwerfen kann. Aber hier könnte ein sachlicher Grund für dieses Verhalten vorliegen, in dem er die Unzulässigkeit der Kündigungsgünde selber erstmal gerichtlich geklärt haben wollte.

Ich persönlich würde aber schätzen, dass die Klage des AG keine sehr hohen Erfolgsaussichten haben dürfte.

Gerichte (wie auch der Gesetzgeber) sehen hier in Wirklichkeit bei der Bewertung nicht nur das rein rechtliche Problem sondern das Ziel einer Ausbildung und da kann man schon absehen, dass dieses bei diesem AG nicht mehr erreicht werden kann. Wichtig ist es aus meiner Sicht daher, sich schon jetzt um einen neuen AG zu kümmern, der die Ausbildung dann fortsetzt. dann dürfte man sicherlich die besseren Karten vor Gericht aufweisen.


-- Editiert von MitEtwasErfahrung am 08.10.2017 08:29

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#2
 Von 
lustikuss
Status:
Beginner
(57 Beiträge, 14x hilfreich)

Danke für die wirklich hilfreiche Antwort.

Zitat:
Wichtig ist es aus meiner Sicht daher, sich schon jetzt um einen neuen AG zu kümmern, der die Ausbildung dann fortsetzt

Damit habe ich noch ein Problem. Nach meiner rechtlichen Einschätzung ist die Kündigung rechtlich schwebend unwirksam, bis das Gericht eine Entscheidung trifft. Dies würde aber doch bedeuten, dass das Ausbildungsverhältnis bis zu dieser Entscheidung weiter fortbesteht und sich der Azubi vor der Entscheidung keinen neuen Arbeitgeber suchen darf. Oder sehe ich da etwas falsch?

2x Hilfreiche Antwort

#3
 Von 
MitEtwasErfahrung
Status:
Lehrling
(1840 Beiträge, 485x hilfreich)

Schwebend Unwirksam dürfte hier nicht zutreffen. Nur wenn eine Dritte Seite benötigt wird, so etwas endgültig zu erklären, wäre es aus meiner Sicht schwebend.

Eine Kündigung im Arbeitsrecht ist - wenn nichts anderes vertraglich geregelt ist - eine einseitige Willenserklärung.

Wäre so etwas schwebend, müsste der AG bei einer Kündungung den AN weiter beschäftigen, bis dies rechtlich geklärt ist. Das Gericht ist nicht diese Dritte Seite, die erst befragt werden müsste, ob gekündigt werden DARF. Es eentscheidet nur über die Wirksamkeit der Kdg..

Ersichtlich ist das auch aus dem § 12 KSchG , der AN darf zwischentzeitlich eine andere Arbeit annehmen, daran ist er mit der Klage nicht gehindert.


-- Editiert von MitEtwasErfahrung am 08.10.2017 11:01

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3x Hilfreiche Antwort

#4
 Von 
lustikuss
Status:
Beginner
(57 Beiträge, 14x hilfreich)

Vielen Dank für den Hinweis auf § 12 KSchG . Damit wäre ein großes Problem gelöst.

Als im vorherigen Verfahren der AG den Azubi gekündigt hatte, durfte dieser (allerdings nach Kämpfen) die Berufsschule weiter besuchen. Begründung der Handwerkskammer und der Schule: Nachdem der Azubi Kündigungsschutzklage erhoben hätte, sei die Kündigung des AG so lange schwebend unwirksam, bis das Gericht über die Wirksamkeit der Kündigung entschieden hätte, so dass dem Azubi der weitere Schulbesuch zu ermöglichen sei. Deshalb bin ich darauf gekommen.

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#5
 Von 
MitEtwasErfahrung
Status:
Lehrling
(1840 Beiträge, 485x hilfreich)

Ja, diese Sichtweise ist ja auch erstmal vernünftig.

Wie ich schon schrieb, es geht in erster Linie um die Sicherung der Ausbildung und ich vermute, dass es in diesem Fall auch vernünftig ist, einen andern Ausbildungsbetrieb sich zu suchen. Da wird kein Gericht dieser mehr als sinnvoller Lösung Hindernisse in den Weg legen.

Gerade bei Arbeitsgerichten geht es nie ausschließlich um rein formales Recht. Da geht es um den sichtbaren Willen des Gesetzgebers und der sieht vorliegend die Priorisierung in einer vernünftigen Ausbildung und letztere dürfte schon aus dem Vortrag des AGs kaum beim alten Arbeitgeber mehr möglich sein.

-- Editiert von MitEtwasErfahrung am 08.10.2017 12:13

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1x Hilfreiche Antwort

#6
 Von 
lustikuss
Status:
Beginner
(57 Beiträge, 14x hilfreich)

Was mir Kopfzerbrechen bereitet ist die Frage, was den Betrieb zu diesem völlig widersprüchlichen Verhalten veranlasst. Es ist doch nicht nachzuvollziehen, dass der Arbeitgeber erst mit allen Mitteln versucht den Azubi loszuwerden und nachdem er ihn losgeworden ist, sogar Klage einreicht mit dem Ziel ihn zurück zu gewinnen.

Ich vermute ja, dass es daran liegen könnte, dass der Azubi angekündigt hat, Schadensersatzansprüche nach § 23 BBiG geltend zu machen. Aber was soll ihm da die Klage nützen?

2x Hilfreiche Antwort

#7
 Von 
lustikuss
Status:
Beginner
(57 Beiträge, 14x hilfreich)

Zitat:
Ersichtlich ist das auch aus dem § 12 KSchG , der AN darf zwischentzeitlich eine andere Arbeit annehmen, daran ist er mit der Klage nicht gehindert.

Ich sehe grade, dass das KSchG nur für Betriebe ab 10 Mitarbeitern gilt. Würde das bedeuten, dass auch der §12 KSchG in diesem Fall nicht anwendbar ist (Betrieb hat nur 6 Mitarbeitern) oder wird das Gericht diesen Paragraphen trotzdem berücksichtigen?

2x Hilfreiche Antwort

#8
 Von 
MitEtwasErfahrung
Status:
Lehrling
(1840 Beiträge, 485x hilfreich)

Ob Kleinbetrieb oder nicht dürfte egal sein.

Sie sollten sich nicht so viel Gedanken machen, wie gesagt, höchste Priorität vor Gericht hat Ihre Ausbildung und es ist eben daher ganz wichtig, dass Sie sich um einen neuen Ausbildungsplatz kümmern. Dann wird Ihnen auch keine Knüpel zwischen die Beine geworfen.

Ich weiß, solche Rechtstreitigkeiten nehmen einen psychisch sehr mit, wichtiger als das Verfahren ist sich auf die Zukunft zu konzentieren und möglichst das laufende Verfahren zu verdrängen.

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#9
 Von 
guest-12313.10.2017 21:10:35
Status:
Frischling
(37 Beiträge, 8x hilfreich)

Gibt es keinen Schlichtungsausschuss der zuständigen Kammer (§111 Abs. 2 ArbGG )? Vor dem Gang zum Arbeitsgericht muss man erstmal dorthin.

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#10
 Von 
lustikuss
Status:
Beginner
(57 Beiträge, 14x hilfreich)

Nein, für den Beruf ist keine Schlichtungsstelle eingerichtet worden

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