Verkehrsunfälle passieren.

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Auf was gibt man acht, wenn es kracht?

Es hat gekracht. Sie sitzen wie paralysiert hinter dem Lenkrad und fühlen in Ihren Körper hinein. Zum Glück sind Sie unverletzt geblieben. Auf was müssen Sie nach dem Unfall achten, um keine Fehler zu machen?

Sehen Sie sich um. Haben Zeugen den Unfall beobachtet? Notieren Sie sich sofort Namen, Anschriften und Telefonnummer.

Das Verkehrsrecht wird immer komplizierter. Die Erfahrung zeigt: Der anwaltlich vertretene Unfallgeschädigte erzielt regelmäßig einen deutlich höheren Schadensersatz als derjenige, der die Abwicklung selbst durchführt. Dies gilt bereits bei kleineren Blechschäden. Warum ist das so?

Unterstellen wir an dieser Stelle einmal, die Schuldfrage ist eindeutig. Sie halten an der roten Ampel. Bums. Ihnen ist jemand hinten draufgefahren. Er hat nicht aufgepasst. Das passiert. Sie tauschen Ihre Daten aus. Die Unfallzeugen haben Namen, Anschrift und Telefonnummer dagelassen. Der Unfallverursacher meldet den Unfall ohne Verzögerungen seiner Haftpflichtversicherung. Diese schreibt Ihnen noch am selben Tag:

„Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr, wir regulieren den Schaden zu 100 %.. .“

Das klingt erst einmal wie der Idealfall. Aber Versicherungen denken und arbeiten wirtschaftlich. Sie wollen und müssen Gewinne machen. Aus diesen Gründen werden die Versicherungsgesellschaften mehr oder weniger bemüht sein, die ihnen entstehenden Kosten so gering wie möglich zu halten. Sie werden daher genauestens prüfen, ob sich im Zweifel die ein oder andere Schadensposition kürzen lässt. Die Sachbearbeiter der Versicherungen sind geschult und kennen sich bestens aus, welche Positionen in welcher Höhe auszugleichen sind und welche nicht.

Aus dem alten Sprichwort „Wer viel fragt, kriegt viel Antwort“ können Sie bei Verkehrsunfallfragen bedenkenlos den Umkehrschluss bilden: „Wer wenig fragt, kriegt wenig Antwort“ bzw. wenig Geld. In einer Vielzahl der Fälle wird Ihnen eine Versicherung allenfalls die Positionen auskehren, nach denen Sie selbst gefragt haben. Die solchen, die Sie mangels Kenntnis hiervon nicht geltend machen, wird Ihnen die Versicherung auch kaum bezahlen. Aus diesen Gründen ist es immer ratsam, bei einem Verkehrsunfall – auch wenn der Schaden gering erscheint – einen Anwalt zurate zu ziehen, der sich auf Verkehrsrecht bzw. Verkehrsunfallrecht spezialisiert hat. Der Anwalt kennt die verschiedenen Anspruchsgrundlagen und weiß, wie mit den Versicherungen umzugehen ist, damit Sie als Geschädigter zu Ihrem Recht kommen.

Soweit die gegnerische Haftpflichtversicherung den Schaden zu regulieren hat, bilden die Rechtsanwaltskosten als Teil Ihres Schadens eine Position, die die Versicherung ebenfalls zu bezahlen hat. Auf den Geschädigten kommen insoweit keine Kosten zu, wenn er einen Anwalt mit der Geltendmachung seines Verkehrsunfallschadens betraut. Dies hat der Gesetzgeber eindeutig so entschieden. Sie tun sich keinen aber auch gar keinen Gefallen, wenn Sie von einer vermeintlichen Schadensminderungspflicht ausgehen und den Anwalt „sparen“. Kaum eine Versicherung wird Ihnen dies danken. Am Ende sind Sie im Nachteil.

Insbesondere im Fall einer Mitschuld lohnt sich der Weg zum Anwalt. Um die Quotelung wird zwischen Geschädigten und Assekuranz zuweilen heftig gestritten.

Was steht mir als Geschädigtem zu? Werde ich grundsätzlich so gestellt, als wäre der Unfall gar nicht geschehen? Ich antworte gemäß Radio Eriwan: „Im Prinzip ja, aber.. .“

In den allermeisten Fällen wird ein Kfz-Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Schadenshöhe zu erstellen sein. Als Laie wird man im Zweifel nicht feststellen können, ob sich die Reparatur an dem Fahrzeug noch lohnt oder ob ein sog. wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten ist. Der Sachverständige ermittelt, ob die voraussichtlichen Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert Ihres Wagens übersteigen. Sollte dies der Fall sein, muss Ihnen die gegnerische Haftpflichtversicherung nur die Summe bezahlen, die Sie benötigen, um ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen (= Wiederbeschaffungswert). Sie können sich vorstellen, dass insbesondere bei älteren Autos eine Reparatur rasch den Widerbeschaffungswert übersteigen kann. Also Vorsicht vor allzu schneller Reparatur. Dieser Politik kann Ihr liebgewonnener Youngtimer schnell zum Opfer fallen.

Aber: Wenn die Reparaturkosten nicht mehr als 30 % über den solchen für die Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeugs liegen, können Sie aufgrund Ihres von Gesetz wegen zustehenden Integritätsinteresses trotzdem reparieren lassen. Man spricht von der sog. 130 % Regelung.

Vor der Reparatur ist also der Sachverständige zu bemühen. Ihnen steht die Wahl eines Sachverständigen frei. Sie müssen sich nicht auf die Vorschläge der gegnerischen Versicherung hinsichtlich der Person des Gutachters einlassen. Es versteht sich von selbst, dass der Gutachter – wie jeder andere Unternehmer auch – zu aller erst seinem Auftraggeber dient. Tendenziell werden Sie also vom von Ihnen selbst beauftragten Gutachter immer ein für Sie günstigeres Gutachten erhalten. Wohin gegen der von der Versicherung beauftragte Gutachter sein Zahlenwerk eher für die Assekuranz günstiger ausfallen lassen wird. Klar soweit.

Wenn das Gutachten steht und zu dem Ergebnis kommt, Sie können das Fahrzeug reparieren lassen, steht es Ihnen aufgrund Ihrer Schadensdispositionsfreiheit frei, reparieren zu lassen oder das Geld „einzustreichen“ und mit der Beule weiterzufahren. Sie können auch eine billigere oder eine Notreparatur durchführen lassen und den überschüssigen Betrag, den der Gutachter für eine Reparatur in einer Markenwerkstatt ermittelt hat, behalten. Hier sind der Fantasie praktisch keine Grenzen gesetzt. Einzig und allein die Mehrwertsteuer können Sie gemäß § 249 II 2 BGB nur verlangen, wenn Sie wirklich angefallen ist. Den Nachweis führen Sie mittels Vorlage der Reparaturrechnung, die die Mehrwertsteuer ausweist.

Wenn Sie selbst Hand anlegen oder im Bekanntenkreis einen versierten „Schrauber“ haben, können Sie für die hinzugekauften Ersatzteile die Mehrwertsteuer verlangen. In dem Fall legen Sie der Assekuranz das Gutachten zur Geltendmachung des Nettoschadensbetrags vor nebst der Rechnung für die Ersatzteile, aus der sich die hierfür angefallene Mehrwertsteuer errechnen lässt.

Ob sich jede Versicherung sofort und ohne Schwierigkeiten auf derartige Regulierungsmodi einlässt, ist von der jeweiligen Regulierungspolitik abhängig.

Die Schadenspositionen im einzelnen:

Neben dem Ersatz der Reparaturkosten bzw. des Wiederbeschaffungswerts stehen Ihnen noch weitere geldwerte Schadensersatzansprüche zu.

Insbesondere bei neueren Fahrzeugen kann die Tatsache, dass es sich nunmehr um ein sog. Unfallfahrzeug handelt, den späteren Wiederverkaufswert drücken. Abgesehen davon kann man sich leicht vorstellen, dass ein entsprechend schwer beschädigtes Fahrzeug auch nach fachgerechter Reparatur nicht mehr in den absolut selben Zustand wie vor dem Unfall zurückversetzt werden kann. Man spricht von dem sog. merkantilen Minderwert, den die Versicherung auszugleichen hat.

Selbstverständlich muss die Versicherung auch die Kosten des Gutachters tragen. In der letzten Zeit entsenden die Versicherungen gern nach bereits durchgeführter Begutachtung nochmals ihren eigenen Gutachter. Sie ahnen es: Der ermittelt nunmehr viel höhere Reparaturkosten und selbstredend einen wesentlich geringeren Wiederbeschaffungswert. Dazu kommt der lapidare Satz der Assekuranz: „Das von Ihnen in Auftrag gegebene Gutachten war für uns ‚unbrauchbar’! Wir übernehmen die Kosten daher nicht.“

Hierbei schubbern die Versicherungen ganz gern über die glasklare Rechtsprechung hinweg, nach der die Gutachterkosten auch im Fall eines ‚unbrauchbaren’ Gutachtens zu tragen sind. Sollte das Gutachten tatsächlich unbrauchbar sein, können Sie als Geschädigter schließlich nichts dafür; es sei denn Sie hätten beispielsweise einen Vorschaden dem Gutachter gegenüber verschwiegen.

Für die Zeit der Reparaturdauer bzw. Ersatzfahrzeugbeschaffung steht Ihnen ein Mietfahrzeug zu. Anderenfalls können Sie auch Nutzungsausfall geltend machen. Die Kosten hierfür sind entsprechenden Tabellen zu entnehmen und können bei einem Mittelklassefahrzeug rasch 50,00 € pro Tag erreichen. Bei einer 3-wöchigen Suche nach einem Ersatzfahrzeug kann dies einen Batzen Geld ausmachen.

Bedenken Sie bitte, dass Sie Nutzungsausfall nicht automatisch erhalten, wenn ein solcher im Gutachten beziffert ist. Den Nachweis einer tatsächlich erfolgten Reparatur können Sie mit einem aktuellen Lichtbild von dem reparierten Auto führen. Am besten sollte die beschädigte Stelle nebst Kennzeichen zu sehen sein. Empfohlen wird zum Nachweis der Aktualität, eine Zeitung auf das Blech zu legen, wenn das Foto gemacht wird.

Im übrigen müssen die Versicherungen weitere Kosten tragen, die kausal auf das Unfallgeschehen zurückzuführen sind. Das können u. a. sein: Abschleppkosten, Kosten der Verschrottung, verbleibender Sprit im Tank des totalbeschädigten Fahrzeugs etc.

Selbstverständlich gehört an diese Stelle im Fall einer Verletzung das Schmerzensgeld, das sich nicht einfach errechnen lässt und auf das ich im Rahmen dieses Artikels nicht weiter eingehen möchte, da es sonst den Rahmen sprengte. Interessant ist jedoch bereits die Vorstellung, dass für ein sog. Halswirbelsäulentrauma (HWS-Syndrom) bis zu 600,00 € und darüber bezahlt werden. Schon ein Aufprall von hinten auf das Fahrzeug löst diese Verletzung oftmals aus, die sich erst Tage später schmerzhaft zeigen kann.

Weiter steht Ihnen als Geschädigten eine außergerichtliche Unkostenpauschale von immerhin 25,00 € zu. Auch hier versuchen zahlreiche Versicherungen mit fadenscheinigen Argumenten diese wegzudiskutieren. Die Rechtsprechung verhält sich jedoch eindeutig.

Zu guter Letzt: Warum wollen Sie sich selbst um die zeitintensive und nervenbelastende Geltendmachung Ihrer Schadenspositionen bemühen, wenn die Kosten des Anwalts zu übernehmen sind? Ich zitiere hierbei gern den Richter des Amtsgerichts Speyer, der im Gerichtstermin zu einer nicht anwaltlich vertretenen und daher offensichtlich schlecht vorbereiteten Partei zum Ausdruck brachte: „Wenn Sie Zahnschmerzen haben, gehen Sie doch auch zum Zahnarzt und setzen nicht selbst Ihre Bohrmaschine an!“

Dieser Artikel soll lediglich ein Auszug aus dem Verkehrsunfallrecht sein. Es gibt natürlich viele weitere Konstellationen, auf die aber in diesem Forum nicht eingegangen werden kann. Im Zweifel: Fragen Sie Ihren Anwalt.


Rechtsanwalt Alexis Brudermann
Speyer, den 28.04.2008